29.05.2019Fachbeitrag

Update Banking&Finance Mai 2019

Konkludenter (Neu-)Abschluss eines Girovertrages nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Nach einer jüngeren Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist ein konkludenter Neuabschluss eines Girovertrages nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kontoinhabers möglich (BGH, Urt. v. 21.2.2019 - IX ZR 246/17). Es stellt sich damit unmittelbar die Frage der hiermit verbundenen Risiken für die beteiligten Finanzinstitute.

Girovertrag erlischt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Bei einem Girovertrag handelt es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 BGB. Als Solcher stellt er einen Geschäftsbesorgungsvertrag dar, der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß §§ 115, 116 InsO erlischt. Gleichwohl bleibt ein Finanzinstitut in Nachwirkung des erloschenen Girovertrages weiterhin befugt aber nicht verpflichtet, eingehende Zahlungen als bloße Zahlstelle seines früheren Kunden entgegenzunehmen und auf dem bisherigen Konto zu verbuchen (BGH, Urt. v. 5.12.2006 – XI ZR 21/06).

Gegenstand der Entscheidung des BGH vom 21. Februar 2019 war ein Guthaben auf einem vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem klagenden Insolvenzschuldner eröffneten Girokonto. Der Insolvenzschuldner, ein Zahnarzt, hatte das Girokonto nach Freigabe des Betriebs der Zahnarztpraxis aus der Insolvenzmasse als neues Geschäftskonto genutzt. Der beklagte Insolvenzverwalter löste das Girokonto auf und ließ das bestehende Kontoguthaben auf ein für die Insolvenzmasse eingerichtetes Sonderkonto überweisen. Der Insolvenzschuldner nahm den Insolvenzverwalter daraufhin auf Auszahlung des Guthabens in Anspruch. In I. Instanz wurde der Klage überwiegend stattgegeben. Die Berufung blieb erfolglos. Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Konkludenter Abschluss eines neuen Girovertrages möglich

Entscheidungserheblich war nach Ansicht des BGH insbesondere, ob und gegebenenfalls mit wem nach Erlöschen des ursprünglichen Girovertrages ein neuer Girovertrag zustande gekommen war. In diesem Zusammenhang stellt der BGH fest, dass eine Weiterführung des erloschenen Girokontos nach Insolvenzeröffnung nur im Rahmen eines neuen Girovertrages möglich ist. Dieser neue Girovertrag kann durch beiderseitige Fortführung der Geschäftsbeziehung auch konkludent geschlossen werden. Erforderlich ist ein Verhalten der Parteien, aus dem sich der rechtsgeschäftliche Wille entnehmen lässt, den erloschenen Zahlungsdiensterahmenvertrag erneut abzuschließen. Ein solcher konkludent geschlossener neuer Girovertrag kann sowohl mit der Insolvenzmasse – durch ein dem Insolvenzverwalter zurechenbares Verhalten – als auch mit dem Insolvenzschuldner persönlich zustande kommen.

Risiken für Finanzinstitute

Offengelassen hat der BGH die Abgrenzung des konkludenten Abschlusses eines neuen Girovertrages zu der (internen) Fortführung des Kontos durch das Finanzinstitut als bloßer Zahlstelle. Diese wird im Einzelfall nicht immer trennscharf möglich sein. Hieraus ergibt sich eine nicht unwesentliche Unsicherheit für Finanzinstitute nicht zuletzt im Hinblick auf die Person des Vertragspartners des neuen Girovertrages. Offen bleibt ferner, ob der neue Girovertrag zu den Bedingungen des mit Insolvenzeröffnung erloschenen Girovertrages zustande kommt. Gerade im Hinblick auf vereinbarte Entgelte (§ 675f Abs. 5 BGB) und Kündigungsrechte (§ 675h Abs. 2 BGB) ist dies für die Finanzinstitute von erheblicher Bedeutung. Nicht zuletzt stellt sich die Frage der Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Schließlich ist nicht geklärt, wie Informationspflichten im Rahmen des konkludenten Vertragsschlusses durch Finanzinstitute erfüllt werden sollen. Hinzu kommen aufsichtsrechtliche Vorgaben, beispielsweise nach dem Geldwäschegesetz, die seitens der Finanzinstitute bei Neuabschluss eines Girovertrages erfüllt werden müssen.

Fazit

Der konkludente Abschluss eines Girovertrages ist im Alltag des Bankgeschäfts, insbesondere aufgrund zunehmender regulatorischer Vorgaben, die seitens der Finanzinstitute erfüllt werden müssen, nicht gewünscht. Gleichwohl ist das Risiko eines konkludenten Vertragsschlusses durch Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kontoinhabers nach der nunmehr ergangenen Entscheidung des BGH nicht ausgeschlossen. Den hiermit verbundenen Unwägbarkeiten kann seitens der Finanzinstitute durch eine klarstellende und aktive Gestaltung entgegen getreten werden.

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