28.08.2008Pressemeldungen

Keine Inhouse-Geschäfte mit Aktiengesellschaften? BGH verlangt grundsätzlich Vergabeverfahren

Der Bundesgerichtshof hat die Schlinge des Vergaberechts noch enger gezogen (Urteil vom 03.07.2008, I ZR 145/05). Bund, Länder und Gemeinden können ihre Tochterunternehmen kaum noch direkt beauftragen. Zum Beispiel ist es nicht mehr ohne Weiteres möglich, dass eine Stadt Strom und Gas für Rathäuser und Schulen direkt bei ihrer Stadtwerketochter bezieht, wenn diese eine Aktiengesellschaft ist.

Konkret ging es vor dem BGH zwar um kommunale Versicherungsvereine. Der erste Zivilsenat übertrug seine Aussagen aber generell auf so genannte Inhouse-Geschäfte mit Aktiengesellschaften. Seiner Ansicht nach werden Aktiengesellschaften – auch wenn sie zu 100% der öffentlichen Hand gehören – von den Anteilseignern nicht direkt gesteuert, weil die Mitgliederversammlung dem Vorstand „weder übergeordnet noch weisungsberechtigt” ist. Deshalb seien die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs an Direktvergaben nicht erfüllt. Das heißt, auch rein kommunale Aktiengesellschaften müssen sich künftig in der eigenen Stadt dem Wettbewerb stellen.

„Diese Entscheidung stellt zwar hohe Anforderungen auf, schließt aber Inhouse-Geschäfte mit Aktiengesellschaften nicht völlig aus”, kommentiert Dr. Ute Jasper, Partnerin der Düsseldorfer Anwaltssozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. „Der BGH hat sich aber noch nicht mit Ausnahmen, zum Beispiel Kontrollen durch Beherrschungsverträge, beschäftigt”, so Jasper, „hier bleibt Spielraum für Direktvergaben – auch an Aktiengesellschaften.”

In einem anderen Punkt ließ der BGH sogar ausdrücklich neue Ausnahmen zu. Der erste Zivilsenat hält es nicht für ausgeschlossen, dass Direktvergaben auch möglich sind, wenn ein privates Unternehmen mittelbar am Auftragnehmer beteiligt ist. Bisher war die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs immer so interpretiert worden, dass jede private Beteiligung ohne Rücksicht auf die tatsächliche Kontrolle ein Inhouse-Geschäft ausschließe. Ausdrücklich hielt der BGH nun private Beteiligungen für unschädlich, wenn der „öffentliche Gesellschafter ohne Berücksichtigung der Interessen privater Partner” seine Stimmrechte ausüben kann.

Als Ergebnis kristallisiert sich heraus: Grundsätzlich gelten zwar strenge Anforderungen an Direktvergaben. Diese sind jedoch nicht formal und kategorisch, sondern bezogen auf den jeweiligen Auftrag und die beherrschte Gesellschaft zu prüfen. Entscheidend ist, ob die Gesellschaft im Einzelfall – auch als Aktiengesellschaft oder mit privater Beteiligung – direkt von der öffentlichen Hand gesteuert und kontrolliert wird.

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