01.03.2014Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht März 2014

Änderungen im Befreiungsrecht der Rentenversicherung

BSG, Urteile vom 31.10.2012, B 12 R 8/10 R; B 12 R 3/11 R; B 12 R 5/10 R

Mitglieder in berufsständischen Versorgungseinrichtungen benötigen aktuelle beschäftigungsbezogene Befreiungsbescheide.

Beschäftigte und selbstständig Tätige haben Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn sie Mitglied in einer berufsständischen Kammer (z. B. Ärztekammer, Rechtsanwaltskammer) und in einem berufsständischen Versorgungswerk sind (z. B.: Ärzteversorgungswerk, Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgungskammer) und eine berufsspezifische Tätigkeit ausüben (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Rechtsfolge ist, dass die Beiträge an das berufsständische Versorgungswerk zu entrichten sind und nicht an die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund).

Frühere Verwaltungspraxis der DRV Bund

Die DRV Bund ging in der Vergangenheit für klassische berufsspezifische Tätigkeiten davon aus, dass eine einmal erteilte Befreiung bei einem Arbeitgeberwechsel ihre Gültigkeit behält, wenn es sich bei der neuen Tätigkeit um eine ebenfalls eindeutig berufsgruppenspezifische Tätigkeit handelt (Beispiel: ein Arzt wechselt von einem Krankenhaus in ein anderes Krankenhaus; ein Rechtsanwalt wechselt die Kanzlei).

Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese großzügige Praxis mit Urteil vom 31. Oktober 2012 für unzulässig erklärt. Nach Ansicht des Gerichts gilt eine einmal erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nur für eine ganz konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber oder für eine tatsächlich ausgeübte selbständige Tätigkeit. Die Wirkung der Befreiung ende mit der Aufgabe der Beschäftigung. Das bedeutet, dass bei jedem Arbeitgeberwechsel sowie bei jeder wesentlichen Änderung des Aufgabenfeldes bei dem bisherigen Arbeitgeber ein neuer Befreiungsantrag gestellt werden muss.

Diese Rechtsprechung führte zu großer Verunsicherung. Angesichts der langjährigen Verwaltungspraxis der DRV Bund stellte sich die Frage, ob ein Bestands- und Vertrauensschutz für  vor dem 31. Oktober 2010 erteite Befreiungsbescheide besteht.

Umstellung der Verwaltungspraxis bei der DRV Bund

Mit Schreiben vom 10. Januar 2014 teilte die DRV Bund nunmehr mit, dass sie ihre Verwaltungspraxis an die Vorgaben des BSG aus den Urteilen vom 31. Oktober 2012 angepasst hat. Hiernach ergeben sich folgende Fallgestaltungen:

Für jede nach dem 31. Oktober 2012 neu aufgenommene versicherungspflichtige Beschäftigung oder versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ist ein eigenständiges Befreiungsverfahren durchzuführen. „Neu aufgenommen“ in diesem Sinne ist nicht nur jeder Arbeitgeberwechsel, sondern auch jede wesentliche Änderung im Tätigkeitsfeld beim bisherigen Arbeitgeber.

Beschäftigungsaufnahme nach dem 31. Oktober 2012 – neuer Befreiungsbescheid notwendig

Der Befreiungsbescheid ist vom Arbeitgeber zu den Entgeltunterlagen zu nehmen und auf Verlangen bei der Betriebsprüfung vorzulegen. Liegt dem Arbeitgeber kein aktueller beschäftigungsbezogener Befreiungsbescheid vor, ist er verpflichtet den Arbeitnehmer zur gesetzlichen Rentenversicherung anzumelden und die Beiträge dorthin zu entrichten. Anderenfalls kann der Arbeitgeber bei einer späteren Betriebsprüfung dazu verpflichtet werden, die Beiträge für die Vergangenheit nachzuzahlen. Die damit verbundene Kostenbelastung trifft den Arbeitgeber weitgehend alleine. Denn der Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung kann nur begrenzt, nämlich nur bei den nächsten drei Gehaltszahlungen, von dem Arbeitnehmer zurückgefordert werden. Wurde das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet, ist ein Rückgriff auf den Arbeitnehmer gar nicht mehr möglich.

Beschäftigungsaufnahme vor dem 31. Oktober 2012

Für Arbeitnehmer, deren letzter Arbeitsplatzwechsel vor dem 31. Oktober 2012 liegt, differenziert die DRV Bund danach, ob eine klassische berufsspezifische Beschäftigung vorliegt (z. B. Arzt im Krankenhaus, Rechtsanwalt bei anwaltlichen Arbeitgebern, Apotheker in Apotheken) oder eine andere berufsspezifische Tätigkeit (z. B. Syndikusanwalt, Syndikussteuerberater, Apotheker in Industrieunternehmen).

Vertrauensschutz für klassische berufsspezifische Tätigkeiten

Arbeitnehmer, die in der Vergangenheit für eine klassische berufsspezifische Beschäftigung (Arzt im Krankenhaus, Rechtsanwalt bei anwaltlichen Arbeitgebern, Apotheker in Apotheken) einen Befreiungsbescheid erhalten haben und eine derartige Tätigkeit nach einem Arbeitsplatzwechsel vor dem 31. Oktober 2012 weiterhin ausüben, ändert sich nichts: Ihr „alter“ Befreiungsbescheid gilt auch für die aktuell ausgeübte Beschäftigung. Ein neuer Befreiungsantrag muss zwingend erst bei einem erneuten Wechsel der Beschäftigung gestellt werden. Auf Wunsch ist zur Klarstellung auch eine Antragstellung für die aktuell ausgeübte Beschäftigung möglich.

Kein Vertrauensschutz für Syndikusanwälte

Anders ist dies bei Arbeitnehmern, die für eine frühere berufsspezifische Tätigkeit einen Befreiungsbescheid vorliegen haben, sich aber durch einen Arbeitsplatzwechsel (z. B. Syndikusanwalt wechselt das Unternehmen) oder eine wesentliche Änderung der Tätigkeit (z. B. Beförderung eines Syndikusanwalts zum Abteilungsleiter) vor dem 31. Oktober 2012 davon gelöst haben. Für sie gibt es keinen Vertrauensschutz auf den einmal erteilten Befreiungsbescheid. Sie benötigen in jedem Fall einen aktuellen beschäftigungsbezogenen Befreiungsbescheid und müssen daher einen neuen Befreiungsantrag für die aktuell ausgeübte Tätigkeit stellen. Die DRV Bund räumt diesen Arbeitnehmern die Möglichkeit ein, die Antragstellung nachzuholen.

Ergibt die Antragsbearbeitung, dass auch die aktuell ausgeübte Tätigkeit befreiungsfähig ist, wird die Befreiung ab dem Datum der Antragstellung erteilt. Für die Vergangenheit müssen jedoch keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nachgezahlt werden. Es bleibt bei den Beiträgen, die zum berufsständischen Versorgungswerk abgeführt wurden. Hierdurch wird den betroffenen Arbeitnehmern ein lückenloser Schutz durch die berufsständischen Versorgungswerke garantiert.

Wird im Rahmen der Antragsbearbeitung oder bei einer Betriebsprüfung hingegen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt, werden die Rentenversicherungsbeiträge für die Vergangenheit und die Säumniszuschläge nach den allgemeinen Regeln beim Arbeitgeber nacherhoben.

Fazit

Arbeitgeber, die für Arbeitnehmer Beiträge in das berufsständische Versorgungswerk abführen, sollten in ihren Entgeltunterlagen einen beschäftigungsbezogenen Befreiungsbescheid der DRV Bund für die aktuell ausgeübte Tätigkeit vorliegen haben. Ist dies nicht der Fall, sollten die betroffenen Arbeitnehmer nachweislich aufgefordert werden, möglichst umgehend einen entsprechenden Befreiungsantrag zu stellen, denn nur ein positiver Befreiungsbescheid führt zu Rechtssicherheit bei den Beitragszahlungen und schützt den Arbeitgeber vor hohen Nachforderungen der DRV Bund.

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