07.10.2016Fachbeitrag

Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 3/2016

AGB-Kontrolle eines Arzneimittelliefervertrags trotz Frage nach Änderungswünschen

Vertriebshändler sehen sich in Vertragsverhandlungen mit Medizinprodukte- oder Arzneimittelherstellern oder Großhändlern immer wieder mit vorformulierten Vertragsbedingungen (AGB) ihrer Vertragspartner konfrontiert. Verwender von AGB unternehmen dabei häufig den Versuch, die Verträge im Nachhinein als Individualvereinbarung, d. h. als Ergebnis von Verhandlungen auf Augenhöhe, darzustellen. Damit ist beabsichtigt, die in Deutschland auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr übliche gerichtliche Inhaltskontrolle von AGB zu umgehen, denn Individualvereinbarungen unterliegen nur einer sehr viel milderen Kontrolle. Der BGH bezog nun klar Stellung zu der Frage, ob für das Vorliegen einer Individualvereinbarung bereits die offene Frage des Verwenders von AGB nach Anmerkungen oder Änderungswünschen zum Vertragsentwurf ausreicht.

Ein Arzneimittelgroßhändler hatte einem pharmazeutischen Unternehmen, das auch Arzneimittel anderer Hersteller vertreibt, auf deren Bestellung einen Vertragsentwurf mit der Bitte um Unterzeichnung zukommen lassen und zugleich um Mitteilung gebeten, falls Anmerkungen oder Änderungswünsche bestehen. Der Vertrag wurde unverändert abgeschlossen. In der Folge kam es zum Streit über die Verwirkung einer in dem Vertrag vorgesehenen pauschalen Vertragsstrafe für sämtliche Vertragsverstöße, so dass die Sache bei Gericht landete.

Der BGH entschied in dritter Instanz, dass der vom Großhändler zur Unterzeichnung durch den Vertriebshändler vorgelegte Vertragsentwurf als AGB zu behandeln sei und daher der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach den strengen Vorschriften für AGB unterliege. Im Rahmen einer AGB-Kontrolle wird von Gerichten u.a. geprüft, ob die Klauseln eines Vertrags klar und verständlich formuliert sind und den anderen Vertragspartner nicht auf unangemessene, gegen Treu und Glauben verstoßende Weise benachteiligen.

Gerichtliche AGB-Kontrolle auf unangemessene Benachteiligung des anderen Vertragspartners

Die vom Großhändler ausgesprochene Einladung, Anmerkungen oder Änderungswünsche zum Vertragsentwurf mitzuteilen, ändere nichts an der Einordnung als AGB. Denn nach Auffassung des BGH stand dem Vertriebshändler in dem zu entscheidenden Fall keine effektive Möglichkeit zu, eigene Textvorschläge einzubringen und gegen den Großhändler durchzusetzen. So habe der Großhändler in seinem Anschreiben mit der Aufforderung zur Mitteilung von Änderungswünschen zwar eine gewisse Verhandlungsbereitschaft signalisiert, dem Vertragspartner aber gerade keine hinreichende Möglichkeit eingeräumt, alternativ eigene Textvorschläge oder gar ein abweichendes Vertragsformular einzubringen. Wegen der fehlenden effektiven Einflussmöglichkeiten könne dem Vertriebspartner auch nicht vorgehalten werden, dass er nicht auf den Hinweis des Großhändlers reagierte, den Vertragsentwurf unverändert unterzeichnete und kommentarlos an den Großhändler schickte. Laut BGH dürfe sich der Vertriebshändler trotzdem auf die Unwirksamkeit einzelner Regelungen des Vertrags berufen.

Vertragsstrafenregelungen müssen in angemessenem Verhältnis zum Schaden stehen

Mit Blick auf die zwischen den Parteien streitige Vertragsstrafe stellte das Gericht fest, dass eine solche Sanktion darauf gerichtet sei, den Vertragspartner zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung anzuhalten. Innerhalb von AGB müsse eine Vertragsstrafe aber immer im Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und seinen Folgen stehen. Die Festlegung eines bestimmten pauschalen Geldbetrags für sämtliche Vertragsverstöße sei nur dann verhältnismäßig, wenn der Betrag auch bei dem kleinsten erfassten Vertragsverstoß noch angemessen sei. Andernfalls sei eine Vertragsstrafenregelung unwirksam. Um eine Unwirksamkeit der Klausel zu vermeiden, hätte der Großhändler demnach in den Vertragsentwurf zum Beispiel eine Staffelung der Höhe der Vertragsstrafe vor dem Hintergrund der tatsächlich zu erwartenden Schäden einbauen müssen. Dadurch wäre der Eindruck vermieden worden, dass die Vertragsstrafenregelung dazu missbraucht werde, einen nicht gerechtfertigten zusätzlichen Gewinn zu erzielen.

Fazit

Die strenge gerichtliche Inhaltskontrolle in Verträgen zwischen Unternehmern ist eine Besonderheit des deutschen Rechts, die zu Recht vielfach kritisiert wird. Allerdings bietet sie für viele Kaufleute einen Ausweg aus Regelungen, die sie in Verhandlungen mit Herstellern von Arzneimitteln und Medizinprodukten oder Großhändlern notgedrungen akzeptieren mussten. Nach der Entscheidung des BGH steht nun fest, dass sich Verwender von AGB der strengen AGB-Kontrolle nicht durch einen einfachen Hinweis auf Verhandlungsbereitschaft entziehen können. Ein Verhandeln auf Augenhöhe erfordert also mehr als nur die bloße Aufforderung zur Mitteilung von Änderungswünschen.

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