22.12.2016Fachbeitrag

Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 1/2017

Aktuelles zur Umsetzung des FSA/vfa Transparenzkodexes

Ende Juni 2017 haben 54 der in Deutschland tätigen Pharmakonzerne erstmals auf ihren Webseiten bestimmte Zahlungen an Ärzte, sonstige Angehörige der medizinischen Fachkreise und an medizinische Organisationen und Einrichtungen offengelegt. Etwa 30 Prozent der Empfänger solcher Zahlungen waren damit einverstanden, dass sie selbst genannt werden. Die im Übrigen anonymisiert veröffentlichten Leistungen werden für 2015 mit einer Gesamtsumme von circa 575 Mio. Euro angegeben (vgl. dazu www.pharma-transparenz.de/service/transparenz-newsletter).

Im Spannungsfeld von Patientenwohl und Ökonomie – was sich heute in der Freiwilligen Selbstkontrolle der Pharmaindustrie bewegt

An der Offenlegung nehmen etwa drei Viertel aller Unternehmen der deutschen Pharmaindustrie für verschreibungspflichtige Medikamente teil. Diese Mitgliedsunternehmen des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) und des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) haben sich dazu bereits 2013 im Transparenzkodex ihrer Verbände verpflichtet. Für solche Zwecke der Selbstregulierung im Bereich Compliance im weiteren Sinne ist der FSA 2004 von den vfa-Mitgliedern gegründet worden.

Zum Hintergrund

Mit dem Transparenzkodex verpflichteten sich die Mitgliedsunternehmen, geldwerte Zuwendungen an Ärzte und weitere Angehörige der Fachkreise sowie medizinische Einrichtungen offenzulegen. Diese Zusage wurde in diesem Jahr erstmals förmlich umgesetzt.

Transparenz durch Offenlegung

Die jetzt eingerichtete Transparenzliste gibt Aufschluss darüber, wer den Transparenzkodex im Punkt der Offenlegung umgesetzt hat. Welche Daten ein Unternehmen dazu veröffentlicht hat, lässt sich auf den Webseiten der teilnehmenden Unternehmen nachsehen.

FSA und vfa teilen dazu mit, dass in der veröffentlichten Gesamtsumme ungefähr enthalten sind:

  • 366 Mio. Euro an Ärzte, andere Fachkreisangehörige, medizinische Organisationen und Einrichtungen für die Durchführung von klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen im Rahmen von Forschung & Entwicklung,
  • 119 Mio. Euro an Ärzte und andere Fachkreisangehörige für Vortragshonorare und Fortbildungen,
  • 90 Mio. Euro an medizinische Organisationen und Einrichtungen für Sponsoring von Veranstaltungen, Spenden und Stiftungen.

Die Zusammenarbeit von Arzneimittelunternehmen mit Ärzten und medizinischen Einrichtungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung (u. a. klinische Studien), Fortbildung, Produktinformation und Anwendungsbeobachtung ist im Grundsatz unerlässlich. Sie dient der Entwicklung von Arzneimitteln und bestmöglichen Behandlung von Patienten.

Allerdings entstehen dabei naturgemäß finanzielle Abhängigkeiten (vgl. dazu auch Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial vom 11. November 2016 zum Thema:

„Im Spannungsfeld von Patientenwohl und Ökonomie, Betriebswirtschaftliche Kriterien beeinflussen heute in Krankenhäusern auch medizinische Entscheidungen für den Patienten. Mediziner sehen die Versorgung in Deutschland gefährdet und fordern die Politik zum Handeln auf“, von Petra-Maria Schumm-Draeger.)

Sie können nicht nur Studienergebnisse verfälschen, sondern – wie a.a.O. beschrieben – auch die ärztliche Unabhängigkeit beeinträchtigen. Ziel des Transparenzkodexes ist es, bestimmte Arten der zwischen Unternehmen und Fachkreisen fließenden finanziellen Mittel transparent offen zu legen, um nachteilige Einflüsse besser erfassen und kontrollieren zu können. Einblick in diese Zusammenhänge ist eine wichtige Voraussetzung für das Vertrauen der Patienten in die medizinische Versorgung. Anhand der veröffentlichten Zahlen sollen Öffentlichkeit und auch Regulierungsinstitutionen nachvollziehen können, wo Ärzte und medizinische Einrichtungen mit Pharma-Unternehmen kooperieren und welche finanzielle Gegenleistungen und/oder Sponsorenzahlungen eine Rolle spielen können. Die Webseiten der Verbände und jetzt auch der Unternehmen geben Aufschluss über diese laufenden Bemühungen (www.vfa.de und www. pharma-transparenz.de).

Kritik an naheliegenden Risiken

Ernster Hintergrund dieser Transparenzbemühungen ist im Einzelnen die seit Jahren erhobene Kritik, dass nicht transparente Geldflüsse (Sponsoring) bei klinischen Studien – die zwingend jeder Arzneimittelzulassung vorangehen – das Risiko unerwünschter Einflüsse begünstigen kann. Diese können sich auf die Durchführung und das Ergebnis von Studien auswirken. Das stellt gelegentlich die gebotene wissenschaftliche Unabhängigkeit ernsthaft in Frage.

Ähnliches gilt auch für das Sponsoring von Anwendungsbeobachtungen. Idealerweise berichten wissenschaftlich geplante und notwendige Anwendungsbeobachtungen über Nutzen und Risiken bei der praktischen Anwendung eines im Markt befindlichen Arzneimittels. Der Arzt protokolliert die Therapieergebnisse und stellt sie dem Hersteller anonymisiert zur Verfügung – in aller Regel gegen eine Leistungsvergütung, die den Aufwand abdecken soll. Sie kann allerdings nach den Verhältnissen des Einzelfalls mehr oder weniger unangemessen sein. Auch dadurch entstehen sachfremde Abhängigkeiten. Ähnliche Einflüsse ergeben sich aus nicht adäquaten finanziellen Zuwendungen oder geldwerten Leistungen bei Fortbildungsveranstaltungen, weil damit vorwiegend werbliche Interessen verfolgt werden. Bessere Transparenz ist an zahlreichen Baustellen geboten.

Aufsichtsbehörden und Patienten haben daher ein hohes Interesse daran zu wissen, was Ärzte von interessierten Unternehmen für ihre Studien, Berichterstattungen oder Fortbildungen erhalten. Die Transparenzliste ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung.

Ohne Wistle Blowing geht es nicht

Sie lebt allerdings von ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit. Jedermann kann den Verdacht eines Kodexverstoßes durch ein Pharma-Unternehmen melden und sich dazu – auch anonym – eines online verfügbaren Beanstandungsformulars bedienen, um Kodexverstöße mitzuteilen (https://beanstandung.fsa-pharma.de).

Compliance Regelwerke und FSA-Kodex Fachkreise

Dieses Meldesystem gilt nicht nur für Informationen über Verstöße gegen den Transparenzkodex, sondern für jedes andere regelwidrige Verhalten, beispielsweise auch in der Heilmittelwerbung. Die FSA-Mitgliedsunternehmen haben sich durch die Anerkennung des älteren „FSA-Kodex Fachkreise“ verpflichtet, die Beschaffungs-, Entscheidungs- und Therapiefreiheit des Arztes nicht unlauter zu beeinflussen. Dazu zählen bestimmte Transparenzanforderungen, das Verbot von Schleichwerbung, Regeln zum Verteilen von Produktmustern, zur Einladung zu wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen und Kongressen, zur Bewirtung von Ärzten sowie zu Geschenken an Ärzte und andere potenzielle Abnehmer.

FSA-Kodex Patientenorganisationen

Mit dem besonderen „FSA-Kodex Patientenorganisationen“ verpflichten sich die Mitgliedsunternehmen offenzulegen, welche Selbsthilfegruppen von ihnen unterstützt werden und in welcher Weise dies geschieht. Transparenz wurde als erster Schritt für diese Leistungen der Pharma-Unternehmen an Patientenorganisationen eingeführt, um die verdeckte, unlautere Einflussnahme auf Selbsthilfegruppen zu verhindern. Jede einer Patientenselbsthilfegruppe erbrachte Unterstützung vermischt sich leicht mit eigenen werblichen Interessen und verhindert damit eine unabhängige, neutrale Beratung. Die Unternehmen veröffentlichen daher einmal jährlich, welche Patientenorganisationen sie unterstützen und mit welchen Beträgen dies geschieht. Welche Schlussfolgerungen der Patient daraus im Einzelfall ziehen kann, wird auf die Dauer zu beobachten sein. Auch hierfür steht das genannte „Beanstandungsformular Kodexverstöße“ zur Verfügung.

Verstöße und ihre Verfolgung

Eine Schiedsstelle des FSA untersucht Verdachtsfälle und wendet auf die Mitgliedsunternehmen in begründeten Fällen die im Regelwerk des FSA vorgesehenen Sanktionen an (Geldstrafen bis max. 400.000 Euro, Nennung des Unternehmens und Online-Veröffentlichung von Entscheidungen).

International sind entsprechende Bemühungen frühzeitig angestoßen worden.

Internationaler Hintergrund

Die „European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations” (EFPIA) ist eine Organisation der in Europa tätigen Pharmaunternehmen. Mitglieder sind 33 nationale Pharmaverbände und 39 Pharmaunternehmen in direkter Mitgliedschaft, so dass insgesamt etwa 1.900 europäische Unternehmen vertreten werden.

Die Ziele sind ähnlich, an prominenter Stelle steht die Bemühung um Transparenz bei der Zusammenarbeit von Pharmaunternehmen mit Ärzten und medizinischen Einrichtungen, insbesondere bei den mehr als 4.000 klinischen Studien, die europaweit jährlich in Auftrag gegeben und gegen eine Vergütung durchgeführt werden. Die Studienvergütung ist ein oft wesentlicher Einkommensbestandteil.

Die von der EFPIA herausgegebenen Grundsätze für das verantwortliche Zugänglichmachen von Studiendaten spielen dabei ebenfalls eine wichtige Rolle, genauso wie die neue EU Clinical Trials Regulation 536/2014 und die Transparenzrichtlinien der European Medicines Agency (EMA) mit der Access to Documents Policy 0043 und der Publication and Access to Clinicaltrial Data Policy 0070.

EFPIA Transparenkodex

Der “Code on Disclosure of Transfers of Value from Pharmaceutical Companies to Healthcare Professionals and Healthcare Organisations” der EFPIA vom 24. Juni 2013 (EFPIA-Transparenzkodex) fasst die maßgeblichen Grundsätze („Guiding Principles”) zusammen.

HCP Code und PO Code

Daneben gelten der „Code on the Promotion of Prescription-Only Medicines to, and Interactions with, Healthcare Professionals” (der “HCP Code”) und der „Code of Practice on Relationships between the Pharmaceutical Industry and Patient Organisations” (der “PO Code”).

Wen geht es an?

Der hier relevante Transparenzkodex der EFPIA betrifft alle EFPIAMitgliedsunternehmen (research-based pharmaceutical companies, developing and manufacturing medicinal products in Europe for human use) in 33 europäischen Teilnehmerländern. Unternehmen können sich auch freiwillig dem Regelwerk unterwerfen, ohne Mitglied zu sein.

Ferner gilt er für sogenannte angeschlossene Mitglieder (“affiliate corporate members”: companies specialising in particular fields of pharmaceutical research and/or development or in new technologies of particular interest to the pharmaceutical industry) und schließlich für sogenannte Spezialgruppen (“research-based pharmaceutical companies operating in a particular segment of the pharmaceutical market that join a specialised group within EFPIA: (i) European Bio-pharmaceutical Enterprises (EBE); and (ii) Vaccines Europe (VE)”).

Für die Zwecke dieser Zusammenfassung sind nur kurz die wichtigsten Themen des Kodexes anzusprechen:

Artikel 1 beschreibt die Verpflichtung, alle geldwerten Leistungen zwischen Pharmaunternehmen und Angehörigen der medizinischen Fachkreise und Einrichtungen zu dokumentieren und offenzulegen (mit definierten Ausnahmen).

Artikel 2 und 3 befassen sich im Detail mit Form und Inhalt der jährlichen Offenlegung.

Artikel 4 beschreibt die Durchsetzung dieser Regeln gegenüber den Mitgliedern, einschließlich der Sanktionen und der Veröffentlichung von Entscheidungen.

Es stehen ausführliche Umsetzungshilfen zur Verfügung.

Ausgangspunkt Heimatrecht

Die nationalen Mitgliedsverbände haben sich verpflichtet, die Mindeststandards des EFPIA Transparenzkodexes in ihre nationalen Transparenz-Regelwerke umzusetzen, soweit nicht nationales Recht entgegensteht. Ausgangspunkt ist daher für die Beurteilung aller Vorhaben der anfangs beschriebene nationale Kodex.

Fazit

Transparenz fürchtet niemand, der nichts zu verbergen hat. Ein Misstrauen aber erweckt, wer Honorare, Vergütungen, Kostenerstattungen und Fördergelder vom Patientenwohl her sachfremd oder in unangemessener Höhe zahlt. Werden die Verhältnisse offengelegt, entsteht und rechtfertigt sich Vertrauen in die sachgerechte unternehmerische Leistung. Der Transparenzkodex kann hier helfen, wenn er richtig umgesetzt wird.

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