20.04.2016Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Mai 2016

Anzahl der Urlaubstage bei Arbeitszeiterhöhung

EuGH, Urteil vom 11.11.2015 – C-219/14

Die Erhöhung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers führt nicht dazu, dass der Urlaubsanspruch, der zuvor erworben wurde, rückwirkend neu berechnet werden muss. Für den Zeitraum, in dem die Arbeitszeit erhöht wurde, ist jedoch eine Nachberechnung vorzunehmen.

Der Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde lag, ist überschaubar:

Die Klägerin war seit dem 15. Juni 2009 bei der Beklagten, einer englischen Limited, auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags beschäftigt, der von Woche zu Woche unterschiedliche Arbeitsstunden und -tage vorsah. Ihr Urlaubsanspruch belief sich auf 5,6 Wochen pro Jahr. Im Juli 2012 nahm die Klägerin sieben Tage bezahlten Urlaub. Zuvor hatte sie einen Tag pro Woche gearbeitet. Ab August 2012 erhöhte sich ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 41,1 Stunden. Einen im November 2012 gestellten Urlaubsantrag der Klägerin lehnte die Beklagte unter dem Hinweis ab, dass der Urlaubsanspruch der Klägerin durch die im Juli 2012 gewährten Urlaubstage bereits (über)erfüllt worden sei. Die Klägerin verlangte, nachdem sie das Unternehmen am 28. Mai 2013 verlassen hatte, eine finanzielle Entschädigung für nicht genommenen Urlaub. Dabei vertrat sie die Ansicht, dass angesammelter und in Anspruch genommener Urlaub im Falle einer Erhöhung der Arbeitszeit rückwirkend in der Weise „berichtigt“ werden müsse, dass dieser der erhöhten Arbeitszeit und nicht der entspreche, die zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs gegolten habe.

Keine nachträgliche „Aufwertung“ des Urlaubsanspruchs für die Zeit vor der Arbeitszeiterhöhung

Der EuGH vermochte sich dieser Argumentation nicht anzuschließen und stellte fest, dass es das Unionsrecht nicht verlange, dass im Falle einer Erhöhung der Arbeitszeit im laufenden Urlaubsjahr Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, der bereits erworben und eventuell bereits in Anspruch genommen wurde, entsprechend der neuen (erhöhten) Arbeitszeit nachberechnet werden müssten. Dagegen wirke sich die Erhöhung der Arbeitszeit ab ihrer Vornahme dergestalt aus, dass der Urlaubsanspruch für diesen – und nur für diesen – Zeitraum nachberechnet werden müsse.

Getrennte Betrachtung der jeweiligen Zeitabschnitte

Beide Zeitabschnitte seien dabei getrennt voneinander zu betrachten. Für den vorliegenden Fall bedeutete dies, dass der Klägerin für den Zeitraum vor der Erhöhung kein Urlaubsanspruch mehr zustand, da dessen Umfang auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Gewährung des Urlaubs geltenden Arbeitszeit zu berechnen war. Danach hatte die Klägerin sogar einen Tag mehr Urlaub erhalten, als ihr zugestanden hatte. Auf den Urlaubsanspruch für den Zeitraum von der Erhöhung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte dies indes keinen Einfluss. In dieser Zeit erwarb die Klägerin – pro rata temporis – den Jahresurlaub einer Vollzeitbeschäftigten.

Anzahl der erworbenen Urlaubstage bleibt erhalten

Unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zur mangelnden Auswirkung der Verringerung der Arbeitszeit auf den während einer vorangegangen Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubsanspruch betonte der EuGH erneut, dass die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Zeitraum, in dem die Ansprüche entstanden sind, in keiner Beziehung zu der in dieser späteren Zeit erbrachten Arbeitszeit steht. In der Folge ist der Urlaubsanspruch für jeden Zeitabschnitt gesondert zu berechnen. Genau genommen erfolgt also auch für den Zeitraum nach einer Arbeitszeiterhöhung keine Nach- sondern eine Neuberechnung.

Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht:

Bei einem Mindesturlaub von 24 Tagen bei einer Sechs-Tage- Woche erwirbt ein Arbeitnehmer in sechs Monaten bei zwei Arbeitstagen pro Woche einen Anspruch auf vier Urlaubstage. Erhöht er die Arbeitszeit in den nächsten sechs Monaten auf sechs Tage pro Woche, kommen weitere zwölf Urlaubstage dazu.

Für die Gesamtsumme der Urlaubstage ist es dabei unerheblich, in welcher Reihenfolge der Arbeitnehmer in Teilzeit oder in Vollzeit beschäftigt wird.

Fazit

Der EuGH führt seine bisherige Rechtsprechung fort, der zufolge der Bestand erworbener Urlaubsansprüche von einer Änderung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers unabhängig ist. Der Arbeitnehmer erwirbt demnach seine Urlaubsansprüche entsprechend des Umfangs der von ihm in bestimmten Zeitabschnitten geleisteten Arbeitszeit. Diese bleiben in Form einer festen Anzahl von Urlaubstagen erhalten, ohne dass es auf die Arbeitszeit des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme ankommt.

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