29.10.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Oktober 2019

BAG zur Vorbeschäftigung: 8 Jahre und 9 Monate Abstand sind nicht ausreichend

BAG, Urt. v. 20.03.2019 – 7 AZR 409/16

Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dieses Verbot einer sachgrundlosen Befristung im Falle einer Zuvor-Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ist in engen Grenzen durch verfassungskonforme Auslegung auszuschließen, etwa wenn die Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt. Seine Kasuistik zur Vorbeschäftigung führt das BAG mit dem hier zu besprechenden Urteil konsequent fort, nachdem es aufgrund einer vielbeachteten Entscheidung des BVerfG aus 2018 (BVerfG Beschl. v. 06.06.2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14) an seiner früheren Rechtsprechung nicht mehr festhält. So entschied es nun, dass ein Zeitraum von acht Jahren und neun Monaten zu einer Vorbeschäftigung nicht „sehr lang“ ist. 

Sachverhalt

Der Kläger, der mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist, war von September 2001 bis Juni 2004 bei der beklagten Bundesrepublik Deutschland in dem beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ressortierenden Bundesamt für den Zivildienst tätig. Die Beklagte stellte ihn auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags von März 2013 erneut befristet für den Zeitraum von April 2013 bis März 2015 ein. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses war der Kläger im Geschäftsbereich der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien beschäftigt. Der befristeten Einstellung im Jahr 2013 ging eine Initiative der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) zur Inklusion schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker voraus, zu deren Unterstützung sich die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien bereit erklärt hatte. Mit seiner Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zu März 2015 geltend gemacht und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Diese zweite Befristung erfolge ohne Sachgrund und sei daher wegen seiner Vorbeschäftigung bei der Beklagten unwirksam. 

Maßgebend ist der Vertragsarbeitgeber

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Einer sachgrundlosen Befristung steht nach Auffassung des BAG das frühere Arbeitsverhältnis der Parteien als einschlägige Vorbeschäftigung entgegen. Der Kläger sei bereits zuvor bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitgebers müsse sein, wer Vertragsarbeitgeber ist. Dies sei die natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag geschlossen hat. Der Vertragspartner des Klägers für beide Beschäftigungen sei die Beklagte gewesen. Unbeachtlich insoweit sei der Umstand, dass der Kläger im Rahmen seiner Vorbeschäftigung im Zuständigkeitsbereich eines anderen Ministeriums der beklagten Bundesrepublik Deutschland mit eigener Ressortkompetenz tätig war.

Abstand zur Vorbeschäftigung von acht Jahre und neun Monate ist nicht „sehr lang“

In ausdrücklicher Abkehr von der früheren Senats-Rechtsprechung dahingehend, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrages nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis mit denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als drei Jahre zurückliegt, rekurriert das BAG darauf, dass – mit dem BVerfG – eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift erforderlich ist. So könne die Anwendung der Norm in Fällen ausgeschlossen sein, in denen dies für die Beteiligten unzumutbar wäre, insbesondere wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nach Ansicht des Senats jedoch nicht erfüllt. Einen Zeitraum von ca. 8 Jahren und 9 Monaten seit der Vorbeschäftigung ordnet er noch nicht als „sehr lange“ ein. Zwar sei die Gefahr einer Kettenbefristung hier eher gering; allerdings ziele der gesetzgeberische Zweck darauf ab, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dieses Ziel sei gefährdet. 

Wirksame Befristung wegen Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers?

Der Senat konnte auf Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Befristung doch etwa durch in der Person des Klägers liegende Gründe, namentlich seiner Schwerbehinderteneigenschaft, nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt ist, weil der zweiten Befristung eine Initiative zur Inklusion schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker zugrunde lag. Der Senat verwies die Sache daher zurück an das LAG.

Fazit

Die Entscheidung des Senats ist angesichts seiner jüngsten Rechtsprechung, wonach ein Zeitraum von acht Jahren seit der Vorbeschäftigung nicht „sehr lange“ ist (BAG, Urt. v. 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, NZA 2019, 700), konsequent und wenig überraschend. Im August 2019 (BAG, Urt. v. 21.08.2019 - 7 AZR 452/17, liegt bislang nur als Pressemitteilung vor) entschied der Senat, dass ein zeitlicher Abstand von 22 Jahren zu einer Vorbeschäftigung zulässig sei. Nun bleibt abzuwarten, bei welchem zeitlichen Abstand eines befristeten Arbeitsverhältnisses zur Vorbeschäftigung der Senat die Grenze der Zulässigkeit verorten wird. 

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