29.07.2016Fachbeitrag

Sondernewsletter Brexit 29. Juli 2016

Beratungsthemen im Zusammenhang mit einem drohenden Brexit: Gewerblicher Rechtsschutz

Auswirkungen auf einheitliche europäische Schutzrechte

  • Unionsmarken

Europäische Unionsmarken sind einheitliche Schutzrechte, die kraft der Unionsmarkenverordnung (UMV) unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten gelten. Was mit dem „UK-Teil“ dieser Marken passieren wird, ist derzeit nicht absehbar. Sollte es im Rahmen der Austrittsverhandlungen nicht zu einer Vereinbarung kommen, wonach das Unionsmarkensystem im Verhältnis zu UK fortbesteht, stellt sich die Frage, ob, wann und inwieweit die Einschränkung des territorialen Schutzbereichs der Unionsmarke durch die gleichzeitige Schaffung eines entsprechenden nationalen Schutzrechts im UK kompensiert werden wird. Auch wenn mit Blick auf die Erfahrungen nach Auflösung der UdSSR und Jugoslawiens derzeit vieles für eine prioritätswahrende Umwandlung in eine UK-Marke unter Erhalt der nunmehr 27 EU-Mitgliedstaaten umfassenden Unionsmarke spricht, kann die Variante eines Verlustes der Markenrechte im UK als „worst case“-Szenario nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Anmelder von Unionsmarken, für die das UK einen wichtigen Markt darstellt, sollten daher erwägen, bereits jetzt zusätzlich UK-Marken anzumelden, ggf. im Wege einer – möglicherweise ohnehin beabsichtigten – internationalen Schutzerstreckung nach dem Madrid-System. Die hierfür anfallenden Mehrkosten dürften sich nur unerheblich von einer etwaigen Umwandlungsgebühr unterscheiden.

  • Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Für Gemeinschaftsgeschmacksmuster gelten die vorstehenden Überlegungen betreffend Unionsmarken im Prinzip entsprechend.

Im Gegensatz zu Marken, die immer wieder verlängert werden können, ist die Schutzdauer von Gemeinschaftsgeschmacksmustern mit 25 Jahren (eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster) bzw. drei Jahren (nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster) allerdings von vornherein begrenzt. Dieser Umstand könnte eine Lösung im Sinne des Fortbestands bereits existenter Muster befördern, zumal mit Blick auf die Schutzvoraussetzungen der Neuheit und Eigenart eine Neuanmeldung nationaler Designs außerhalb der sog. Neuheitsschonfrist nicht in Betracht käme.

Anders als nach dem für Marken geltenden Madrid-System für internationale Registrierungen ist eine internationale Designanmeldung nicht möglich, weil das UK bislang nicht Mitglied des Haager Abkommens ist. Hier mag die flankierende Anmeldung nationaler Designs im UK sinnvoll erscheinen.

Folgen für das IP Portfolio Management

Für das Management von Unionsmarken-Portfolios ist zu beachten, dass Personen, die weder Wohnsitz noch eine gewerbliche oder Handelsniederlassung im EWR haben, mit Ausnahme der Anmeldung einer Unionsmarke dem Vertretungszwang vor dem Europäischen Amt für Geistiges Eigentum (EUIPO) unterliegen. Sofern das UK nicht nach dem Modell „Norwegen“ im EWR bleibt, müssten im UK ansässige Markeninhaber also einen in einem EWR-Staat zugelassenen und dort ansässigen Rechtsanwalt oder sonstigen zugelassenen Vertreter bestellen, um vor dem EUIPO tätig werden zu können.

Unabhängig vom Verbleib des UK im EWR wäre im Bereich der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) nach derzeitiger Rechtslage jedenfalls die Bestellung eines in der EU zugelassenen und dort ansässigen Vertreters oder sonstigen zugelassenen Vertreters erforderlich, denn anders als der erst kürzlich reformierte Art. 92 Abs. 2 UMV stellt Art. 77 Abs. 2 GGV nicht auf den EWR, sondern auf die „Gemeinschaft“ ab.

Für internationale Markenanmeldungen ist zu beachten, dass der Anmelder bzw. Inhaber der Basismarke entweder Staatsangehöriger des Registrierungsstaates oder dort domiziliert sein oder dort eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung muss. Für Anmelder aus dem UK, die über keine solche Niederlassung in der EU verfügen, scheidet die Wahl einer Unionsmarke als Basismarke daher aus jetziger Sicht bei Wirksamwerden des Austritts aus. Mit Blick auf die fünfjährige Bindung der internationalen Marke an den Fortbestand der Basismarke ist derzeit nicht absehbar, ob und unter welchen Voraussetzungen bereits existente internationale Registrierungen, die von Anmeldern aus dem UK auf der Grundlage europäischer Basismarken eingereicht wurden, zukünftig Bestand haben werden. Auch hier dürfen Übergangsregeln erwartet werden.

Rechtsdurchsetzung

Die Einschränkung des territorialen Schutzbereichs von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern hätte zur Folge, dass ein stattgebender unionsweiter Unterlassungstitel eines Gerichts nach Austritt des UK nicht mehr ausreichen würde, um Rechtsverletzungen im UK zu untersagen. Stattdessen müsste der Rechtsinhaber im UK gesondert Klage einreichen, um die Rechtsverletzungen auch dort zu unterbinden. Eine solche Klage könnte dann nur auf der Grundlage eines nationalen UK-Rechts erfolgreich sein.

Ob von UK-Gerichten zuvor erlassene Titel mit unionsweiter Wirkung nach dem Austritt des UK von den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten weiterhin anerkannt werden, lässt sich ebenso wenig prognostizieren wie eine Antwort auf die Frage, wie das UK mit Gerichtstiteln umgehen wird, die nur national wirken, aber auf Basis von Unionsrechten erwirkt worden sind. Für die Parteien besteht damit in jedem dieser Fälle das Risiko, dass Streitigkeiten, die bereits gerichtlich entschieden waren, wieder „aufleben“.

Ungewiss ist ferner, ob und inwieweit auf ein bestimmtes Territorium bezogene Löschungsgründe, die sich aufgrund des Prinzips der Einheitlichkeit der Unionsmarke bislang nicht ausgewirkt haben, selbst bei gleichzeitiger Schaffung einer nationalen UK-Marke die Unionsmarke „anstecken“ können (und umgekehrt). So wird beispielsweise die Benutzung einer Unionsmarke im UK fünf Jahre nach dem Austrittsdatum keine rechtserhaltende Benutzung mehr begründen können; die Marke würde löschungsreif werden. Unionsmarkeninhaber, die mit ihrer Marke bislang schwerpunktmäßig im UK tätig waren, sollten frühzeitig erwägen, Benutzungshandlungen in (anderen) EUMitgliestaaten aufzunehmen oder neue Unionsmarken anzumelden.

Sollte das UK nicht im EWR verbleiben, hätte dies zur Folge, dass Einfuhren von Waren aus dem UK in den EWR nicht mehr dem Grundsatz der Erschöpfung unterfielen, d.h. Rechteinhaber könnten der Einfuhr solcher Produkte in die EU und deren Absatz hier entgegentreten, die erstmals im UK in Verkehr gebracht wurden.

Für Rechteinhaber, die mit Hilfe des Zolls gegen Produktpiraterie vorgehen, dürfte es sich künftig anbieten, auch bei der UK-Zollbehörde Border Force einen nationalen Antrag auf Grenzbeschlagnahme zu stellen.

Lizenzverträge und Abgrenzungsvereinbarungen

In zukünftig abzuschließenden Lizenzverträgen und Abgrenzungsvereinbarungen sollte nicht unbedacht die EU als Territorium gewählt werden. Eine Klarstellung hinsichtlich des UK ist zu empfehlen. Auch sind Regelungen in Betracht zu ziehen, die zur Anmeldung neuer nationaler Schutzrechte im UK verpflichten.

Hinsichtlich bereits bestehender, längerfristig angelegter Verträge wäre zu prüfen, ob die gewünschten Wirkungen nach dem Austritt des UK noch erreicht werden oder ob Bedarf für Nachverhandlungen besteht.

Auswirkungen auf das Patentrecht

Das geplante Europäische Einheitspatent ist durch den Brexit mit großer Wahrscheinlichkeit gescheitert, denn es erscheint undenkbar, dass der Standort der Zentralkammer in London und damit außerhalb der EU beheimatet wäre. Um das EU-Patent zu retten, wären also Neuverhandlungen nötig. Es müsste unter anderem geklärt werden, wo die bisher in London geplante Zentralkammer stattdessen ihren Sitz haben soll. Ferner müsste entschieden werden, ob die Jahresgebühren wegen des geringeren territorialen Geltungsbereichs zu reduzieren sind. Ob diese Verhandlungen erfolgreich sein werden, oder ob der Sinn eines Europäischen Einheitspatents gänzlich in Frage gestellt wird, oder ob stattdessen ein echtes Gemeinschaftspatent eingeführt wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls bräuchten die Verhandlungen Zeit, und das EU-Patent könnte nicht im Jahr 2017 zur Realität werden.

Europäische Patente (EP-Patente) können hingegen weiterhin beim Europäischen Patentamt angemeldet und im Vereinigten Königreich validiert werden. Das Europäische Patentamt und das von ihm erteilte EP-Patent haben nichts mit der EU zu tun und sind daher vom Brexit nicht betroffen.

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