27.10.2016Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht Oktober 2016

Beschlussanfechtung nach eigener Kündigung der GmbH-Gesellschafterstellung

Ein ausscheidender GmbH-Gesellschafter ist grundsätzlich auch dann noch zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen berechtigt, wenn er seine Gesellschafterstellung bereits durch Kündigung beendet hat, sein Geschäftsanteil aber weder übertragen noch eingezogen worden ist und er weiter in der Gesellschafterliste der Gesellschaft eingetragen ist.

Der Kläger hatte die Gesellschaft mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende 2013 gekündigt. Die Satzung der Gesellschaft regelte, dass ein zum Ausscheiden verpflichteter Gesellschafter bei einer Kündigung mit Wirksamwerden der Kündigung seine Gesellschafterstellung verliert. Er hat seinen Geschäftsanteil entweder an den oder die Mitgesellschafter im Verhältnis von deren Geschäftsanteilen abzutreten. Alternativ kann sein Geschäftsanteil eingezogen werden. Beides war noch nicht erfolgt, als im Frühjahr 2014 eine Gesellschafterversammlung stattfand, zu der der Kläger nicht eingeladen worden war und in der in Abwesenheit des Klägers Beschlüsse gefasst wurden. Der Kläger machte im Wege der Anfechtungsklage gegen die Gesellschaft die Nichtigkeit der Beschlüsse geltend (§ 246 AktG analog). Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab mit der Begründung, dass der Kläger seine Gesellschafterstellung verloren und damit nicht mehr zur Anfechtung der Gesellschafterbeschlüsse befugt sei (fehlende Aktivlegitimation). Der Kläger könne sich auch nicht auf seine Eintragung in der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste berufen, da er eine Berichtigung der Liste bisher selbst verhindert habe. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein.

Aktivlegitimation der Gesellschafter bei Anfechtungsklagen

Das OLG Düsseldorf stellte fest, dass die Anfechtungsklage gemäß § 246 AktG analog die richtige Klageart und die in der Satzung vorgesehene Frist zur Klageerhebung von sechs Wochen ab Kenntnis von der Beschlussfassung und ihrem Inhalt gewahrt sei. Anfechtungsbefugt und damit aktivlegitimiert seien bei einer Anfechtungsklage aber nur Gesellschafter.

Legitimationswirkung der Gesellschafterliste

Das OLG Düsseldorf entschied, dass der Kläger im Verhältnis zu der Gesellschaft als ordnungsgemäß in der Gesellschafterliste eingetragener Gesellschafter legitimiert sei. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) eingetragen ist. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf ist eine Veränderung in der Person eines Gesellschafters die Situation gleichzusetzen, dass nach den Satzungsregelungen als Folge der Kündigung der Verlust der Gesellschafterstellung eintreten soll. Die Gesellschaft habe den in eine Gesellschafterliste Eingetragenen – unabhängig von der materiellen Rechtslage – als Gesellschafter zu behandeln, der alle an die Mitgliedschaft geknüpften Rechte und Pflichten behält, einschließlich solcher, die erst nach Kündigung entstanden und fällig geworden sind.

Berufung auf die Legitimationswirkung nicht rechtsmissbräuchlich

Die Berufung auf die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die in der Satzung vorgesehene Verpflichtung zum Ausscheiden und zur Abtretung des Geschäftsanteils hielt das OLG Düsseldorf für formunwirksam, da es hierfür einer Beurkundung bedürfe. Zudem habe die Beklagte nichts zur Rechtsnachfolge oder zum Abschluss einer Abtretungsvereinbarung vorgetragen. Es habe auch eine Wertermittlung des Geschäftsanteils gefehlt, weil die Gesellschaft noch keinen Sachverständigen beauftragt habe. Da die Gesellschaft selbst noch nicht alles Erforderliche veranlasst habe, könne sie sich nicht auf einen Rechtsmissbrauch des Klägers berufen.

Ergebnis: Nichtigkeit der Gesellschafterbeschlüsse

Nach Bejahung der Aktivlegitimation entschied das OLG Düsseldorf, dass die unterlassene Einladung des Klägers zur Gesellschafterversammlung gegen die Satzung und gegen § 51 GmbHG verstoßen habe und die Beschlussfassungen daher nichtig seien.

Bewertung des Urteils

Die Feststellungen des OLG Düsseldorf vermögen zwar nicht in jedem Punkt zu überzeugen. Das OLG kommt aber zu dem richtigen Ergebnis. Die in der Satzung statuierte Verpflichtung des kündigenden Gesellschafters zum Ausscheiden und zur Abtretung des Geschäftsanteils ist nicht wegen Verstoßes gegen den Beurkundungszwang formunwirksam (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG), da auch die Satzung notariell beurkundet ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Die Gesellschafterstellung des Klägers beurteilt sich aber gemäß §§ 16 Abs. 1, 40 GmbHG nach der zum Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (sog. formale Gesellschafterstellung). Für eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung auf die Gesellschafterliste fehlten in dem hier zu entscheidenden Fall genügend Anhaltspunkte. Vor allem konnte nicht allein dem Kläger zugerechnet werden, dass noch keine Aktualisierung der Gesellschafterliste erfolgt war. Dazu fehlten bereits ein Nachfolgekandidat und ein Angebot auf Abschluss einer Abtretungsvereinbarung.

Die Maßgeblichkeit der Gesellschafterliste hatte das OLG Düsseldorf bereits in einem Urteil im März dieses Jahres bei der Klage eines Gesellschafters gegen einen anderen Gesellschafter auf Rückzahlung einer Privatentnahme im Wege einer sog. actio pro socio betont (Urteil vom 10. März 2016 – I-6 U 89/15). In diesem Urteil äußerte sich das OLG auch zu der Prozessführungsbefugnis nach Ausscheiden eines Gesellschafters in einem laufenden Gerichtsverfahren. Die Prozessführungsbefugnis besteht hiernach gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog fort, wenn sich im Laufe eines Gerichtsverfahrens die Gesellschafterliste ändert und der Kläger an der Prozessfortführung noch ein berechtigtes Interesse hat.

Fazit: Der Zeitraum vom Wirksamwerden der Kündigung der Gesellschaft bis zur Aktualisierung der Gesellschafterliste kann sich lange hinauszögern, wenn der ausscheidende Gesellschafter seinen Geschäftsanteil nicht freiwillig überträgt (z.B. wegen Streitigkeiten über die Höhe seiner Abfindung) oder sich gegen eine Einziehung mit einer Klage wehrt. In diesem Zeitraum hat der ausscheidende Gesellschafter, wenn keine anderweitigen Satzungsregelungen existieren, weiterhin alle Informations- und Einsichtsrechte eines Gesellschafters. Er ist zu Gesellschafterversammlungen einzuladen und darf sein Stimmrecht ausüben. Um eine lange Hängepartie und Schaden für die Gesellschaft zu vermeiden, sollten in der Satzung klare Regelungen zum Ausscheiden von Gesellschaftern und zur Ausübung von Mitgliedschaftsrechten nach einer Kündigung getroffen werden.

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