27.10.2016Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Oktober 2016

Bilanzgarantien in Unternehmenskaufverträgen - Auslegung und Rechtsfolgen von Verstößen

Bilanzgarantien zählen in der M&A-Praxis zu einem sehr wichtigen Instrument des Käuferschutzes. Das OLG Frankfurt a. M. hat mit der in höchstem Maße praxisrelevanten Entscheidung vom 7. Mai 2015 strenge Grundsätze für die Auslegung von Bilanzgarantien aufgestellt und die Art und Weise der Berechnung des Schadensersatzes im Fall eines Verstoßes konkretisiert.

Bei der Frage, ob und zu welchem Preis der Käufer ein Unternehmen erwerben möchte, verlässt sich dieser insbesondere auf die Angaben in den letzten Jahresabschlüssen. Um sich für den Fall abzusichern, dass die Jahresabschlüsse falsche Angaben enthalten, werden in Unternehmenskaufverträgen häufig Bilanzgarantien vereinbart. Darin garantiert der Verkäufer regelmäßig, dass die Referenzabschlüsse des zu verkaufenden Unternehmens in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bilanzierungsvorschriften erstellt und darin die tatsächliche Lage des Unternehmens richtig dargestellt wurde. Für den Fall des Verstoßes gegen diese Garantie verpflichtet sich der Verkäufer üblicherweise, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn die Garantie richtig gewesen wäre. Wenn das nicht möglich ist, hat der Verkäufer Schadensersatz in Geld zu leisten.

Bei Bilanzgarantien wird zwischen „harten“ und „weichen“ Bilanzgarantien unterschieden. Im Fall einer „harten“ oder objektiven Bilanzgarantie verpflichtet sich der Verkäufer, für die vollständige und objektive Richtigkeit des Jahresabschlusses oder einzelner Positionen der Bilanz oder GuV zu einem bestimmten Zeitpunkt einzustehen. Bei einer „weichen“ oder subjektiven Bilanzgarantie übernimmt der Verkäufer dagegen nur Gewähr, dass der Jahresabschluss mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unter Beachtung der einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften richtig aufgestellt wurde. Die „weiche“ Bilanzgarantie geht nicht vom allwissenden Ersteller aus, sie fordert lediglich die Einhaltung bestimmter Sorgfaltsmaßstäbe bei der Ermittlung des Sachverhalts. Das Risiko für den Verkäufer ist daher deutlich geringer als bei einer „harten“ Bilanzgarantie.

„Bilanzauffüllung“ oder Schadenersatz wegen zu hohem Kaufpreis

Wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Jahresabschluss nicht richtig aufgestellt wurde bzw. die tatsächliche Lage des Unternehmens von der darin dargestellten Lage abweicht, stellt sich die Frage, welcher ersatzfähige Schaden beim Käufer durch den Verstoß gegen die Bilanzgarantie entstanden ist. Zum einen kann sich der Anspruch des Käufers darauf richten, dass der Verkäufer den in der Bilanz abgebildeten Zustand bei dem verkauften Unternehmen herstellt (sog. Anspruch auf „Bilanzauffüllung“). Wenn der Jahresabschluss demnach z. B. eine nicht existierende Forderung enthält, müsste der Verkäufer als Schadenersatz eine Zahlung in entsprechender Höhe an das Unternehmen leisten. Zum anderen kann der Schaden darin liegen, dass der Käufer für das verkaufte Unternehmen – bei unterstellt richtigem Jahresabschluss – einen geringeren Kaufpreis bezahlt hätte. Der Schaden liegt dann in der Differenz zwischen tatsächlich bezahltem und dem in Kenntnis des tatsächlichen Sachverhalts wahrscheinlich niedrigeren Kaufpreis. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch ist demnach, dass die fehlerhafte Bilanzposition für die Berechnung des Kaufpreises durch den Käufer relevant gewesen ist.

Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. vom 7. Mai 2015

Der in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. vom 7. Mai 2015 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin erwarb von der Beklagten GmbH-Geschäftsanteile. Die Beklagte garantierte darin u. a., dass der für die GmbH erstellte Jahresabschluss für das letzte Geschäftsjahr mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften erstellt worden sei und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittle. Als Rechtsfolge für Verstöße gegen die Garantien vereinbarten die Parteien, dass die Käuferin durch Schadenersatz in Geld so zu stellen sei, wie sie oder die Gesellschaft stehen würde, wenn die entsprechende Gewährleistung zutreffend wäre. Das OLG Frankfurt a. M. stellte fest, dass die Bilanz unvollständig war und ein Verstoß gegen die Bilanzgarantie vorlag. Das Gericht kam durch Auslegung der Garantie zu der Überzeugung, dass die Klägerin davon ausgehen durfte, dass die Referenzbilanz die tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschaft objektiv vollständig und korrekt widerspiegele. Demnach stelle die gewährte Garantie eine „harte“ Bilanzgarantie dar. Anders als die Vorinstanz entschied das OLG Frankfurt a. M., dass die Schadensberechnung nicht im Wege der Bilanzauffüllung festzustellen sei. Stattdessen liege der Schaden in dem Minderwert, d. h. in der Wertdifferenz zwischen dem tatsächlich gezahlten und dem hypothetisch von der Klägerin erzielten niedrigeren Kaufpreis. Dieser Betrag sei unter Berücksichtigung aller für den Erwerb maßgeblichen Umstände zu ermitteln und notfalls vom Gericht zu schätzen.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Die Entscheidung hat erhebliche Relevanz für die M&A-Praxis. Dies gilt zunächst für die Ausgestaltung der Bilanzgarantie im Unternehmenskaufvertrag. Die der Entscheidung zugrunde liegende Formulierung entspricht dem in der Praxis weit verbreiteten Standard-Wortlaut und wurde bislang überwiegend lediglich als „weiche“ Bilanzgarantie ausgelegt. Dieses Verständnis ist vielfach auch interessengerecht, da der Verkäufer nur in bestimmten Situationen bereit sein wird, eine „harte“ Bilanzgarantie abzugeben. Auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen eines etwaigen Verstoßes gegen eine Bilanzgarantie ist zu empfehlen, die gewünschten Rechtsfolgen ausdrücklich im Unternehmenskaufvertrag zu regeln, auch wenn dies in der Praxis schwierig sein kann. Ansonsten kann das unkalkulierbare Risiko bestehen, dass ein damit befasstes (Schieds-)Gericht die Höhe des Schadenersatzes – wie in der dargelegten Entscheidung – notfalls durch gerichtliche Schätzung festlegt.

Da Unternehmenskaufverträge häufig Schiedsklauseln enthalten, werden Streitigkeiten über den Umfang einer Bilanzgarantie vielfach durch Schiedsgerichte entschieden. Inwieweit diese die Grundsätze der dargestellten Entscheidung anwenden werden, bleibt abzuwarten.

Fazit: Bei der Ausgestaltung von Bilanzgarantien in Unternehmenskaufverträgen sollten die Parteien in Zukunft sowohl den genauen Umfang der Garantie als auch die Folgen eines Verstoßes des Verkäufers gegen diese Garantie ausdrücklich regeln. Ein Verkäufer sollte daher zukünftig vertraglich ausdrücklich klarstellen, wenn er nur eine „weiche“ Bilanzgarantie gewähren möchte. Zudem sollten die Rechtsfolgen eines etwaigen Verstoßes gegen die Bilanzgarantie – entgegen der bislang weit verbreiteten Praxis – konkret vereinbart werden, um eine Festlegung der Höhe des Schadenersatzanspruchs durch gerichtliche Schätzung zu vermeiden.

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