19.03.2014Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Juli 2014

Bonusbudget muss billigem Ermessen Entsprechen

BAG, Urteil vom 19.3.2014, 10 AZR 622/13

Mit der Gewährung von variablen Vergütungselementen verfolgen Arbeitgeber meist unterschiedliche Zwecke. Natürlich sollen den Mitarbeitern Leistungsanreize gesetzt werden. Oft wollen sich Arbeitgeber aber auch eine hinreichende Flexibilität bewahren, um auf überraschende Entwicklungen reagieren zu können. Das BAG hatte jetzt über Bonusansprüche zu entscheiden, die ein Mitarbeiter nach seinem Arbeitsvertrag „als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch“ entsprechend der jeweils gültigen Dienstvereinbarung erhalten „kann“.

Der Kläger ist Mitarbeiter einer Bank, die während der Bankenkrise erhebliche staatliche Unterstützung benötigte. Angesichts von Verlusten von ca. 5 Mrd. Euro (2008) und 2,6 Mrd. Euro (2009) hatte die Bank entschieden, in diesen beiden Geschäftsjahren keine Boni zu zahlen. Für das Jahr 2010 wurde ein Bonusbudget von 25 Mio. Euro bereitgestellt, so dass der Kläger ca. 45% der von ihm geltend gemachten Zahlung erhielt. Das Jahr 2011 wurde mit einem Verlust von 328 Mio. Euro beendet, weshalb wiederum kein Bonusbudget zur Verfügung gestellt wurde. Das BAG hat die Klage hinsichtlich der Jahre 2008 und 2009 abgewiesen. Für 2010 und 2011 konnte indes noch keine abschließende Entscheidung erfolgen, weshalb eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht erfolgt ist.

Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers

Das BAG hat zunächst klargestellt, dass durch eine Formulierung im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen Bonus haben „kann“, ohne Höhe und nähere Bedingungen festzulegen, und im Übrigen auf die Bestimmungen der jeweils gültigen Dienstvereinbarung verwiesen wird, kein unbedingter, von den Regularien der Dienstvereinbarung unabhängiger vertraglicher Bonusanspruch entsteht. Dabei kann es zulässig sein, dass die Dienstvereinbarung dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 BGB für die Festlegung des Bonusbudgets einräumt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn weder im Vertrag eine Bonushöhe geregelt ist noch die Betriebsparteien selbst die Größenordnung des zu verteilenden Volumens festlegen müssen.

Bonusbudget „Null“

In Ausnahmesituationen kann das Bonusbudget auch ermessensfehlerfrei auf „Null“ festgesetzt werden. Eine solche Situation hat das BAG für die Jahre 2008 und 2009 angenommen, nicht aber für 2011. Nicht jedes negative Ergebnis rechtfertige danach eine solche Ermessensausübung. Normale Schwankungsbreiten, die auch Verluste bedeuten können, reichen nicht aus.

Im vorliegenden Fall sollte sich der Bonus in den Jahren 2010 und 2011 entsprechend der Dienstvereinbarung sowohl an individuell vereinbarten Zielen als auch an der Ertragslage der Bank orientieren. Vor diesem Hintergrund müsse ein festzusetzendes Bonusbudget – in Abhängigkeit von der Ertragslage – eine Größenordnung erreichen, die den Leistungsbezug des Bonussystems beachtet und ausreicht, die durch Abschluss von Zielvereinbarungen angestrebten und tatsächlich erbrachten Leistungen angemessen zu honorieren. Für das BAG war noch nicht feststellbar, ob die Budgethöhe für 2010 hiernach billigem Ermessen entspricht.

Freiwilligkeitsvorbehalt

Der im Arbeitsvertrag vereinbarte sog. Freiwilligkeitsvorbehalt („als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch“) steht einem Anspruch des Arbeitnehmers nach Auffassung des BAG nicht entgegen. Es handelt sich um eine Vertragsbedingung i. S. von § 305 Abs.1 BGB. Ein arbeitsvertraglicher „Freiwilligkeitsvorbehalt“, der so verstanden werden kann, dass sich der Arbeitgeber das Recht vorbehält, unabhängig von den Bestimmungen der anwendbaren Dienstvereinbarung frei über das „Ob“ der Bonusgewährung zu entscheiden, verstößt gegen die unmittelbare und zwingende Wirkung von Dienstvereinbarungen und ist deshalb unwirksam. Ein „Freiwilligkeitsvorbehalt“ ist zudem unangemessen und damit unwirksam, wenn dem Arbeitgeber das Recht vorbehalten bleiben soll, auch dann noch frei über das „Ob“ zu entscheiden, wenn er durch den vorherigen Abschluss einer Zielvereinbarung ein variables Vergütungssystem für ein Geschäftsjahr anwendet.

Fazit

Ansprüche auf variable Vergütungselemente (Tantiemen, Boni) können auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt werden. Neben arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, Tarifverträgen oder Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen können variable Vergütungen auch aus betrieblicher Übung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz abgeleitet werden. Jeder Weg hat seine Besonderheiten und eigenen Fallstricke. Arbeitgeber müssen deshalb bei der Gewährung solcher Leistungen und bei der Wahl des Durchführungsweges sehr genau prüfen, ob die gewünschte Flexibilität tatsächlich besteht.

 

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