27.11.2015Fachbeitrag

update Arbeitsrecht 27. November 2015

Der Änderungsentwurf zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) liegt vor

Noch in unseren Mandantenseminaren Anfang November haben wir darauf hingewiesen, dass ein Gesetzesentwurf zum AÜG ansteht – nun ist er veröffentlicht. Den wesentlichen Inhalt des derzeitigen Entwurfs fassen wir für Sie im Folgenden zusammen und nehmen eine Erstbewertung vor:

Personenbezogene Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten

Der Gesetzgeber hat sich nun festgelegt. „Vorübergehend“ soll die Arbeitnehmerüberlassung nur dann sein, wenn derselbe Leiharbeitnehmer höchstens 18 Monate beim Entleihunternehmen eingesetzt wird („Überlassungshöchstdauer“). Ein neuer Einsatz ist erst nach mindestens sechsmonatiger Unterbrechung zulässig. Die 18 Monate sollen erst ab dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes, vom 1. Januar 2017 an zählen; Vorbeschäftigungen sind bis dahin unschädlich. Durch Tarifverträge der Einsatzbranche kann die Überlassungshöchstdauer verkürzt oder ausgedehnt werden. Das gilt aber nur für den tarifgebundenen Entleiher. Der tarifungebundene Entleiher kann weder durch Bezugnahmeklausel noch durch eine Betriebsvereinbarung von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer abweichen.

Die 18-Monats-Grenze kommt erwartet. Es gab sie auch früher schon. Sie wird daher nicht zu einer drastischen Einschränkung der Leiharbeit führen. Positiv daran ist, dass die zeitliche Höchstgrenze personen- und nicht arbeitsplatzbezogen gelten soll.

Equal Pay nun nach 9 bzw. 12 Monaten zwingend – deutliche Verteuerung der Leiharbeit

Allerdings will der Gesetzgeber den Equal Pay-Grundsatz drastisch verschärfen und den Tarifverträgen der Zeitarbeitsbranche viel ihrer Bedeutung nehmen: Spätestens nach neun Monaten Einsatz soll der Leiharbeitnehmer so vergütet werden wie ein Stammarbeitnehmer des Entleihers. Wenn die Tarifverträge in der Entleiherbranche dies vorsehen, kann die volle Equal Pay-Geltung zwar für 12 Monate verhindert werden. Dann muss dieser Tarifvertrag aber schon für die ersten 12 Monate zumindest eine stufenweise Heranführung des Arbeitsentgelts an Equal Pay vorsehen. Auch hier beginnt der Betrachtungszeitraum nur dann wieder neu, wenn es eine mindestens sechsmonatige Unterbrechung gab. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber wie bisher die Anwendung der tariflichen Regelung vereinbaren. Anders als bei der Überlassungshöchstdauer sind bei Anwendung des Equal-Pay-Grundsatzes Überlassungszeiten vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2017 einzurechnen. Die signifikante Verschärfung des Equal Pay-Grundsatzes führt zu einer eklatanten Verteuerung der Leiharbeit.

Beschäftigungsverbot im Betrieb für Leiharbeitnehmer während Streiks

Entleihern ist künftig die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern in bestreikten Betrieben gänzlich verboten. Nur in vom Streik nicht betroffenen Betrieben darf ein Entleiher dann noch Leiharbeitnehmer zum freiwilligen Streikbruch motivieren.

Dieses Beschäftigungsverbot stellt eine verfassungsrechtlich bedenkliche Einmischung des Staates in den potentiellen Arbeitskampf und eine Veränderung der Arbeitskampfparität zu Lasten der Arbeitgeber dar.

Aus für Fallschirmlösung – Probleme für IT-Dienstleister absehbar

Das Vorliegen einer Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung soll künftig nur dann das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher verhindern, wenn sowohl in der Vereinbarung zwischen Entleiher und Verleiher als auch gegenüber den betroffenen Leiharbeitnehmern ausdrücklich von Arbeitnehmerüberlassung – und nicht etwa von Dienstleistung oder Beratung – die Rede ist. Damit wäre die bislang übliche Auffanglösung (vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis als „Fallschirm“) für Grenzfälle, insbesondere im Bereich der IT-Beratung, gestorben.

Widerspruchsrecht für Leiharbeitnehmer

Zugleich fügt der Gesetzgeber aber in allen Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers – als Sanktion für die unerlaubte Überlassung – auf den Entleiher übergehen soll, ein Widerspruchsrecht für den Leiharbeitnehmer ein. Ihm wird die Möglichkeit eingeräumt, diesem gesetzlichen Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen und damit den Verbleib beim Verleiher sicherzustellen.

Aus Sicht des betroffenen Leiharbeitnehmers mag es fragwürdig sein, dass dieser Widerspruch nur binnen eines Monats nach Beginn der unzulässigen Überlassung ausgeübt werden kann. Zu dem Zeitpunkt wird der Leiharbeitnehmer keinen Kündigungsschutz beim Entleiher genießen und kann auch ansonsten keine vernünftige Entscheidung treffen. Zugleich dürfte zu dem Zeitpunkt noch ein hinreichender Einfluss auf den Leiharbeitnehmer möglich sein, um ihm per Formularblatt die Ausübung dieses Widerspruchsrechtes nahe zu legen. Gerade IT-Beratern, die sich selbst als Berater sehen und nur von der Arbeitsagentur und den Sozialversicherungsträgern zu Leiharbeitnehmern „umqualifiziert“ werden, dürfte diese Wahlmöglichkeit entgegen kommen.

Verbot der Kettenbefristung und Privilegierung des öffentlichen Dienstes bei Personalgestellung

Der Gesetzesentwurf sieht schließlich noch das Verbot der sogenannten Kettenüberlassung vor, d.h. eine Arbeitnehmerüberlassung darf immer nur vom Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers selbst vorgenommen werden. Überdies sieht der Gesetzesentwurf in seinem neuen § 1 Abs. 3 AÜG eine erhebliche Privilegierung der Arbeitnehmerüberlassung im öffentlichen Dienst (Personalgestellung) vor. Dort soll das AÜG jedenfalls in den wesentlichen, die Privatwirtschaft beschränkenden Teilen nicht gelten.

Leiharbeitnehmer sind bei allen Schwellenwerten mitzuzählen – Handlungsdruck bei Unternehmensmitbestimmung für 2016

Die Rechtsprechung des BAG ist peu à peu dazu übergegangen, Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten zu berücksichtigen. Der Gesetzesentwurf sieht nun vor, dass diese Berücksichtigung nicht nur beim BetrVG, sondern auch bei den Mitbestimmungsgesetzen (Drittelbeteiligungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz und Montan-Mitbestimmungsgesetz) gilt. Im Hinblick auf das geplante Inkrafttreten dieses Gesetzes zum 1. Januar 2017 sind Unternehmen und Konzerne, deren Belegschaft um den Schwellenwert schwankt, zu gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen aufgerufen. Umwandlungen in andere Gesellschaftsformen, z.B. unter Ausnutzung der SE als Rechtsform, bieten ebenso wie organisatorische Umstrukturierungen und Aufspaltungen von Gesellschaften Handlungsoptionen.

Gescheiterte Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag zu Scheinselbständigkeit

Gleichzeitig mit den AÜG-Änderungen regelt der Gesetzesentwurf einen neuen § 611a BGB. Dieser soll die bislang in der Praxis schwierige Abgrenzung zwischen Werk-, Dienst und Arbeitsvertrag erleichtern.

Bei dem neuen § 611 a BGB wird man abwarten müssen, wie die Rechtsprechung damit umgeht. Einerseits hat der Gesetzgeber angekündigt, lediglich die Rechtsprechung in Gesetzesform zu gießen; andererseits ist ihm dies - jedenfalls auf den ersten Blick - nicht gelungen. Manche Kriterien, die in der Rechtsprechung durchaus von Bedeutung sind (Tragen des unternehmerischen Risikos) sind im Gesetzeswortlaut jedenfalls nicht direkt zu finden. Stattdessen wird ein weit stärkeres Gewicht auf Weisungsgebundenheit und Einbindung in betriebliche Abläufe gelegt.

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