26.02.2016Fachbeitrag

zuerst erschienen in die bank am 26.02.2016

Der Weg nach Deutschland

Schweizer Banken dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auch dann in Deutschland Kunden akquirieren, wenn sie dort nicht niedergelassen sind. Dies war zwar auch in der Vergangenheit möglich. Jetzt haben sich Deutschland und die Schweiz aber weitgehend über die letzten Einzelheiten eines vereinfachten Freistellungsverfahrens geeinigt, mit dem Schweizer Banken auch ohne Partnerbank Privatkunden in Deutschland akquirieren können. Zukünftig werden einige Schweizer Institute das Verfahren nutzen, um verlorenes Vertrauen bei deutschen Kunden wiederzugewinnen. Für deutsche Institute bedeutet das zusätzlichen Wettbewerb.

Seit der Finanzmarktkrise nehmen der deutsche und der europäische Gesetzgeber Kreditinstitute an die Kandare. Sie müssen zahllose Pflichten erfüllen, um eine Zulassung der BaFin zu bekommen oder diese nicht zu gefährden. Geregelt sind diese Pflichten vornehmlich im Kreditwesengesetz, im Wertpapierhandelsgesetz und im Geldwäschegesetz. Diese sind in den vergangenen Jahren stetig angewachsen: Allein die Anzahl der Vorschriften im Wertpapierhandelsgesetz hat sich seit dessen Inkrafttreten im Jahr 1995 mehr als verdoppelt. Und die nächste Reform steht schon vor der Tür; Rechts- und Compliance-Abteilungen in Banken sind dieser Zeit nicht zu beneiden.

Auch Schweizer Banken schauen wieder nach Deutschland: Nach Datenlecks, die zu flächendeckenden Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung gegen ihre deutschen Kunden geführt haben und Verfahren der US-Behörden und strafrechtlichen Ermittlungen deutscher Staatsanwaltschaften gegen Schweizer Institute holt die Bankenwelt in Zürich, Basel und Bern langsam wieder Luft. Eidgenössische Kreditinstitute suchen gezielt den Weg nach Deutschland, um verlorene Kunden zurückzugewinnen und neue zu werben.

Besonderheit im deutschen Bankenaufsichtsrecht

Hierbei hilft ihnen eine Besonderheit im deutschen Bankaufsichtsrecht: Das Kreditwesengesetz sieht seit jeher die Möglichkeit vor, dass Institute unter bestimmten Voraussetzungen beantragen können, dass sie davon befreit werden, gewisse Pflichten zu erfüllen, wenn sie in Deutschland ohne eigene Niederlassung Neukunden akquirieren möchten. Von dieser sogenannten Standardfreistellung haben in der Vergangenheit diverse Institute rund um den Globus Gebrauch gemacht. Speziell für Schweizer Banken haben die Bundesrepublik und die Schweizerische Eidgenossenschaft jedoch im Jahr 2013 den Grundstein für ein besonderes Freistellungsverfahren gelegt: Schweizer Banken haben - zumindest bis dato in der Theorie - seit dem 1. Januar 2014 die Möglichkeit, sich in einem sogenannten vereinfachten Freistellungsverfahren von gewissen gesetzlichen Pflichten in Deutschland freistellen zu lassen. Dies hat zur Folge, dass sie grenzüberschreitend deutsche Kunden gewinnen können, ohne dafür dort eine Niederlassung zu haben oder ein deutsches Institut als Vermittler einschalten zu müssen. Im herkömmlichen Standardfreistellungsverfahren, das parallel bestehen bleibt, ist es hingegen stets erforderlich, dass die Geschäfte mit Privatkunden über die Vermittlung eines deutschen oder EWRInstituts zustande kommen. Dass diese Voraussetzung im vereinfachten Freistellungsverfahren entfallen ist, ist für Schweizer Banken ein echter Wettbewerbsvorteil. Unklarheiten, die dazu geführt hatten, dass das Verfahren in der Praxis noch nicht gelebt werden konnte, wurden jüngst von den zuständigen Stellen beseitigt, sodass mit der tatsächlichen Nutzung des Verfahrens zeitnah gerechnet wird.

Die Rede ist zwar von einem "vereinfachten Verfahren", einige deutsche Gesetze bleiben jedoch gleichwohl für Schweizer Banken anwendbar. So haben sich die BaFin und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA in einer Ausführungsvereinbarung zum vereinfachten Freistellungsverfahren darüber verständigt, dass freigestellte Schweizer Banken deutsche Regelungen zum Verbraucherschutz und zur Geldwäschebekämpfung zu beachten haben. Diese Vorschriften sind in der Ausführungsvereinbarung grundsätzlich konkret benannt. Zudem wird die Einhaltung der deutschen Vorschriften vom Schweizer Revisor jährlich überprüft. Dies stellt für Schweizer Banken, die diese Freistellung begehren, eine Herausforderung dar: Ihr Compliance-System muss nunmehr nicht nur Schweizer Recht, sondern auch explizit deutsche Geldwäschebekämpfungs- und Wertpapiervorschriften erfassen.

Geldwäschebekämpfungs- und Wertpapiervorschriften

Im Einzelnen gelten nach der Ausführungsvereinbarung bestimmte Vorschriften aus dem 6. Abschnitt des Wertpapierhandelsgesetzes und den Verordnungsbestimmungen unmittelbar. Das sind insbesondere die Wohlverhaltenspflichten. Hierzu gehören etwa die Vorschriften zur Erstellung von Beratungsprotokollen, zu Aufbewahrungspflichten sowie besondere Vorgaben zur Bearbeitung von Kundenaufträgen zur Finanzanalyse der Best Execution-Grundsatz, Transparenzanforderungen und das Retrozessionsverbot.

Darüber hinaus sollte sich ein grenzüberschreitend tätiges ausländisches Kreditinstitut mit den zwingenden deutschen Verbraucherschutzvorschriften beispielsweise aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) auseinandergesetzt haben. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass ein deutscher Kunde als Verbraucher immer die Möglichkeit hat, seinen unternehmerischen Vertragspartner in seinem Heimatland zu verklagen, also zum Beispiel in Deutschland. Unabhängig von der Frage, welches materielle Recht auf den streitigen Fall Anwendung findet, wird ein deutscher Richter stets zwingendes deutsches Verbraucherschutzrecht zu beachten haben. Denn nach den internationalen übereinkommen darf einem Verbraucher nicht der zwingende Schutz entzogen werden, den er nach seinem Heimatrecht hätte. Dies wurde jüngst richterlich noch einmal bestätigt und entspricht ständiger Rechtsprechung.

Und auch die deutschen Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche im Kreditwesengesetz und Geldwäschegesetz müssen die Schweizer Banken beachten, sofern diese auf die grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen anwendbar sind. Hierbei handelt es sich um interne Sicherungsmaßnahmen, die vor allem der Identifizierung der am Geldtransfer Beteiligten dienen. Dies bereitete der Schweizer Seite lange Zeit Kopfzerbrechen, stellte das Schweizer Geldwäschereigesetz doch weitgehend geringere Anforderungen als sein deutsches Pendant. Seit Inkrafttreten des neuen Schweizer Geldwäschereigesetzes am 1. Januar 2016 ist diese Problematik weitgehend entschärft: Das Schweizer Recht sieht nunmehr strengere Sicherungsmaßnahmen vor. Deshalb verständigten sich BaFin und FINMA im vergangenen Sommer darauf, dass bei einem positiven Prüfbericht einer Schweizer Prüfgesellschaft über die Einhaltung des schweizerischen Geldwäschereigesetzes auch die anwendbaren deutschen Regeln grundsätzlich als erfüllt anzusehen sind.

Besonderheiten finden sich jedoch bei der Geldwäscheverdachtsmeldung: Die freigestellten Institute müssen die in Deutschland geltende niedrigere Verdachtsmeldeschwelle beachten und ihre internen Sicherungssysteme darauf anpassen. Zudem unterscheiden sich die Straftaten, deren Erträge den Geldwäschebestimmungen unterliegen, in beiden Staaten: Schweizer Banken, die die Freistellung im vereinfachten Verfahren begehren, haben den (weiter gefassten) deutschen Vortatenkatalog im Bereich des Steuerstrafrechts zu beachten und in ihr Compliance-System zu integrieren.

Meldungen wegen Geldwäscheverdachts müssen Schweizer Banken aber nicht an die deutschen Behörden, sondern ausschließlich an die schweizerische Meldestelle erstatten. Dies ist für die Eidgenossen ein wichtiges Zugeständnis. Denn eine Verdachtsmeldung an deutsche Behörden hätte einen Konflikt mit Schweizer Strafrecht hervorrufen können: Denn darin könnte eine verbotene Handlung für einen fremden Staat gesehen werden, die mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann.

Ungeklärte Einzelfragen

Einzelfragen tauchen jedoch noch immer auf: So lässt sich beispielsweise die Errichtung von Nummernkonten - eine Schweizer Spezialität - nicht mit dem deutschen Prinzip der Kontenwahrheit vereinbaren. Da dieses Prinzip aber nicht dem Verbraucherschutz dient und auch Geldwäsche nicht verhindert, muss es von den eidgenössischen Nachbarn nicht beachtet werden. Dies allerdings nur, wenn das Konto in der Schweiz und nicht im Anwendungsgebiet der deutschen Abgabenordnung, die die Kontenwahrheit vorschreibt, geführt wird. Die Praxis wird zeigen, wie mit solchen Einzelfragen umgegangen wird.

Ein grenzüberschreitend tätiges ausländisches Kreditinstitut sollte sich mit den zwingenden deutschen Verbraucherschutzvorschriften beispielsweise aus dem BGB auseinandergesetzt haben. Nach internationalen übereinkommen darf einem Verbraucher nicht der zwingende Schutz entzogen werden, den er nach seinem Heimatrecht hätte.

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