11.03.2016Fachbeitrag

Die Bilanzgarantie in M&A Verträgen – Scharfes Schwert oder Papiertiger?

Es gibt praktisch keine M&A-Transaktion, in der nicht eine Bilanzgarantie verhandelt wird. Die Arten und Formen dieser Garantie sind vielgestaltig, häufig trifft man allerdings die sog. „harte“ Bilanzgarantie an, nach der der Jahresabschluss des Zielunternehmens (oder mehrere) zum (jeweiligen) Stichtag entsprechend den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere zur handelsrechtlichen Bilanzierung erstellt wurde(n) und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zum (jeweiligen) Stich-tag vermittelt/n. Muss ein Verkäufer diese Garantie fürchten oder ist sie letztlich zahnlos, weil eine Schadensberechnung praktisch sehr schwierig ist? Erkenntnisse dazu liefert (auch) ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt a.M. v. 07.05.2015 (26 U 35/12).

Umfang der Garantie

Bilanzgarantien nach der eingangs umrissenen Gestaltung sollen sicherstellen, dass der betreffende Jahresabschluss der Zielgesellschaft gesetzeskonform erstellt wurde. Die Garantie ist also dann verletzt, wenn bei der Aufstellung gegen die anwendbaren handelsrechtlichen Vorschriften zur Bilanzierung verstoßen wurde. Daraus ergibt sich aber zugleich, dass die Richtigkeit einzelner Bilanzpositionen nicht von der Garantie erfasst werden, soweit die Bilanzierungsvorschriften eingehalten wurden. Eine Forderung ist selbst dann zu bilanzieren, wenn sie am Stichtag materiell-rechtlich nicht bestand, dies aber von einem ordentlichen Kaufmann nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden Erkenntnismöglichkeiten bei pflichtgemäßer Prüfung nicht zu erkennen war (sog. normativ-subjektive Fehlerbegriff). Ähnliches gilt für nicht bilanzierte Verbindlichkeiten. Entscheidend ist also die ex ante-Sicht bei Aufstellung des Jahresabschlusses. Nicht zuletzt aus diesem Grund trifft man in der Praxis auf verschiedene Verschärfungen der eingangs beschriebenen Bilanzgarantie, nach denen z.B. unabhängig von der Einhaltung handelsrechtlicher Bilanzierungsvorschriften die Richtigkeit einzelner Bilanzpositionen auf der Aktivseite oder das Fehlen sonstiger nichtbilanzierter Verbindlichkeiten garantiert wird.

Nach dem bereits zitierten Urteil des OLG Frankfurt scheinen diese zusätzlichen Verschärfungen einer Bilanzgarantie nicht nötig. Auch ohne solche weitergehenden Formulierungen, nur auf der Grundlage einer einfachen harten Bilanzgarantie, die auf die Einhaltung handelsrechtlicher Bilanzvorschriften ab-stellte, kam das OLG Frankfurt zu dem Ergebnis, dass „der Verkäufer auch für nicht bekannte Schulden und Eventual-verbindlichkeiten einzustehen [hat], mögen diese auch nach subjektiven Kriterien unter Berücksichtigung der bilanzrechtlich erforderlichen Aufstellungssorgfalt nicht erkennbar gewesen sein und im Hinblick auf die Vermögenslage der Zielgesellschaft keine Verletzung der handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundlage darstellen.“ Es liegt auf der Hand, dass diese Auslegung eine deutliche und wohl auch überraschende Verschärfung des Haftungsmaßstabs für einen Verkäufer darstellt.

Rechtsfolgen bei einem Verstoß

Kommt man zu einem Verstoß gegen die Bilanzgarantie, stellt sich die Frage der Schadensberechnung. Diese ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Denkbar wäre zunächst, im Sinne einer Naturalrestitution, die Korrektur des Jahresabschlusses (bzw. der Ersatz der Kosten dafür). Dies deckt offensichtlicherweise nicht den Schaden des Käufers ab. Weiterhin könnte man an einen Auffüllungsanspruch denken, d.h. der Käufer kann den absoluten Betrag ersetzt verlangen, der sich aus der Differenz zwischen der falschen Bilanzposition und der richtigen Bilanzposition ergibt. Wurde z.B. eine erforderliche Rückstellung in Höhe von EUR 50.000 nicht gebildet, entspricht dies dem Schaden des Käufers. Die wohl ganz überwiegende Meinung, vor allem in der Rechtsprechung, geht allerdings davon aus, dass der Käufer den Minderwert des Unternehmens geltend machen kann, der sich aus dem tatsächlich bezahlten Kaufpreis und dem unter Berücksichtigung der fehlerhaften Bilanzierung angemessenen Kaufpreis ergibt. Dieser angemessene Kaufpreis bzw. der Schaden ist nach § 287 ZPO zu schätzen. Diese Schadensberechnung leuchtet einerseits ein, da die Jahresabschlüsse oftmals Grundlage für die Kaufpreisberechnung in einer M&A-Transaktion sind und kann andererseits zu einem erheblichen Risiko für den Verkäufer werden, zumindest im Falle ungeprüfter Jahresabschlüsse. Daher versucht der Verkäufer in der Praxis oftmals dieses Risiko auszuschließen, in dem eine Kaufpreisreduktion als Schadensposition im Kaufvertrag ausgeschlossen wird. Da die Unternehmensbewertung und damit die Kaufpreisbestimmung allerdings sehr komplex ist, oft auch nicht klar nachvollziehbaren Berechnungsmethoden folgt, sondern Verhandlungsergebnis ist und selten im Vertrag seinen Niederschlag findet, scheint diese Schadensberechnung den Käufer selbst ohne Ausschluss im Kaufvertrag praktisch erheblich zu benachteiligen.

Auch hier sorgt das OLG Frankfurt auf Käuferseite für Entlastung. Das Gericht nimmt als „Mindestschadensschätzung“ die Differenz zwischen tatsächlich ausgewiesenem und zutreffendem Jahresüberschuss und zieht davon 20 Prozent ab. Auf welcher Grundlage diese Schätzung erfolgt bleibt unklar. Das Gericht räumt ein, dass der Klägervortrag zum Schaden unergiebig sei und ein im Zusammenhang mit dem fehlerhaften Jahresüberschuss eingeholtes Sachverständigengutachten für die Frage der Schadensberechnung nicht verwendet wer-den könne. Das Gericht begründet diesen Teil seiner Entscheidung u.a. wie folgt: „Bei dieser Sachlage kommt nach Einschätzung des Senats lediglich eine Mindestschadens-schätzung zugunsten der Klägerin in Betracht, wobei hierbei in Kauf zu nehmen ist, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt oder der geschätzte Betrag hinter dem wirklichen Schaden zurückbleibt (…). Zumindest wird dadurch vermieden, dass der Geschädigte völlig leer ausgeht, obwohl die Ersatzpflicht für einen Schaden (…) feststeht (…).“

Fazit

Die Bilanzgarantie ist, insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Frankfurt, ein scharfes Schwert, vor dem sich der Verkäufer in Acht nehmen muss. Natürlich macht eine Entscheidung noch keinen Rechtsprechungstrend aus, nichtsdestotrotz sollte bereits diese Entscheidung genügen, um Verkäufer zu veranlassen, Bilanzgarantien sorgfältig zu verhandeln und zu formulieren. Weiterhin stellt sich die Frage, ob ein typischerweise mit erfahrenen M&A-Anwälten besetztes Schiedsgericht ein vergleichbares Urteil gefällt hätte. Auch hier eröffnet sich möglicherweise für Verkäufer ein Gestaltungsspielraum, zumindest dann, wenn eine Schiedsklausel nicht wegen der Größe der Transaktion unter praktischen Gesichtspunkten ausscheidet.

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