08.07.2016Fachbeitrag

Newsletter Banking & Finance Juli 2016

Die Blockchain und Bitcoins: Eine regulatorische Bestandsaufnahme

Schon wird darüber spekuliert, ob die Bankenwelt in der jetzigen Form bald abgeschafft sein wird. Die Digitalisierungswelle hat die Finanzbranche voll erfasst. Die Blockchain ist in aller Munde. Bitcoins werden mit Hochleistungsrechnern geschürft und von Behörden als Zahlungsmittel akzeptiert.

Nach einer gängigen Definition ist die Blockchain ein digitaler Kontoauszug für Transaktionen zwischen Computern, der jede Veränderung genau erfasst, sie dezentral und transparent auf viele Rechner verteilt speichert.

Die Blockchain. Was verbirgt sich dahinter?

Blockchain ist somit eine Datenbank, auf der ein Protokoll der kompletten Kette aller Transaktionen bis zum aktuellen Zeitpunkt abgelegt ist. Die Historie der Transaktionen wird für alle Teilnehmer des Netzwerks nachprüfbar. Gleichzeitig sorgen sogenannte „distributed ledgers“ dafür, dass die Blockchain mit ihren Transaktionen auf einer Vielzahl von Datenbanken dezentral abgelegt werden. Eine Manipulation wird als absolut unwahrscheinlich bis unmöglich angesehen, auch weil die einzelnen Blöcke der Blockchain aufgrund der verwendeten Algorithmen nachträglich nicht abänderbar sind. Alle Daten in einem Block sind verschlüsselt und unter einem Pseudonym abgelegt. Dies bedeutet, dass die Identität des Dateninhabers geheim bleibt, obwohl die Daten öffentlich sind. Wenn eine digitale Information verifizierbar ist, benötigt sie theoretisch keine zentrale Instanz mehr, die sie verwaltet und für ihre Echtheit bürgt.

Die Blockchain dürfte Cyberkriminalität und Internetbetrug erschweren, da es deutlich schwieriger wird, Daten abzuändern oder verfälscht ins Netz zu stellen. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass es in Zukunft in regulatorischer Hinsicht verpflichtend wird, die Blockchain als Mechanismus zur Datensicherung zu nutzen. Überlegungen gehen derzeit dahin, die Blockchain für automatisierte Transaktionen einzusetzen, einschließlich der Sicherstellung von sofortigen Dividendenzahlungen mit ihrer Festsetzung. Dies dürfte zur Kostensenkung und zur Vermeidung von Irrtümern seitens bisher eingeschalter Dienstleister führen.

Anwendungsbereiche der Blockchain

Die Anwendungsbereiche der Blockchain können noch nicht annähernd eingegrenzt werden. Verschiedene Überlegungen werden auf staatlicher Ebene angestellt, die Blockchain einzusetzen, etwa in Estland, das Dienstleistungen im Notariatswesen, insbesondere im Bereich der kostenträchtigen Wertübertragungen, anbieten oder Honduras, das ein Landregister mit Hilfe der Blockchain aufbauen will. Digitale Verträge könnten ihre Aktionen in Zukunft selber ausführen: „Smart Contracts“ ist das Zauberwort hierfür. Im Finanzsektor sieht man die Blockchain schon den Börsenhandel und den Giroverkehr revolutionieren. Kreditinstitute und Finanzintermediäre könnten überflüssig werden. Finanztransaktionen können mit der Blockchain in Sekundenschnelle und – nach bisheriger allgemeiner Einschätzung – manipulationssicher abgewickelt werden.

Viele Banken haben die Brisanz der Blockchain erkannt und wollen die Entwicklung mitbestimmen. In dem in New York gegründeten Konsortium R3 CEV haben sich bereits mehr als 40 weltweit agierende Banken und Finanzdienstleister zusammengeschlossen, um eine für den Mitgliederkreis des Konsortiums exklusive Blockchain aufzubauen, die dem technischen Fortschritt nicht hinterherläuft, sondern marktbestimmend sein soll.

Die Blockchain wird jedoch auf absehbare Zeit die Geldhäuser nicht verschwinden lassen. Daher wird auch die Bankenaufsicht vorerst nur auf einzelne Erscheinungen der Blockchain reagieren müssen und zwar vor allem dann, wenn bisher nicht der Bankenaufsicht unterliegende Personen oder Unternehmen mit Hilfe der Blockchain in den Finanzbereich vordringen.

Blockchain am Beispiel der Bitcoins

Paradebeispiel der Blockchain ist ein digitales Zahlungssystem, das den Bitcoin als digitale Währung geschaffen hat und völlig ohne Intermediäre und Zentralbank auskommt. Anders als das Fiatgeld der Notenbanken, das ohne Mengenbegrenzung ausgegeben wird, erfolgt die Schöpfung neuer Bitcoins im Wege des sogenannten Mining, einem mathematischen Verfahren innerhalb eines jedermann frei zugänglichen Programms. Die Anzahl der zu schürfenden Bitcoins ist auf maximal 21 Mio. begrenzt, aufgrund der zunehmenden Komplexität der Aufgaben aber noch nicht erreicht.

Die regulatorische Behandlung der virtuellen Währung Bitcoin gestaltet sich weltweit höchst unterschiedlich. In einigen Ländern ist die Bezahlung mit Bitcoins verboten, in anderen überhaupt nicht reguliert. Ecuador ist offiziell das erste Land, in dem mit einer staatseigenen digitalen Währung, dem Dinero Electrónico, bezahlt werden kann. Im Schweizerischen Zug sollen Bürger kommunale Gebühren ab dem 1. Juli 2016 in Bitcoin bezahlen dürfen.

In Deutschland ist die bloße Nutzung von Bitcoins als Ersatzwährung jedermann freigestellt. Weder das sogenannte Mining noch der Verkauf geschürfter oder erworbener Bitcoins oder deren Ankauf bedürfen einer Erlaubnis.

Erst der gewerbliche Umgang mit Bitcoins kann eine Erlaubnispflicht nach dem KWG auslösen. Bitcoins werden in Deutschland als Finanzinstrumente in der Form von Rechnungseinheiten gemäß § 1 Abs. 11 Satz 1 KWG eingestuft. Hierbei handelt es sich um mit Divisen vergleichbare Einheiten, die nicht auf gesetzliche Zahlungsmittel lauten. Bitcoins sind kein gesetzliches Zahlungsmittel und können daher weder Divisen noch Sorten sein. Es handelt sich auch nicht um E-Geld im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), da es keinen Emittenten gibt.

Sofern Bitcoins nicht nur für den Eigenbedarf geschürft, gekauft oder verkauft werden, sondern gewerblicher Handel damit betrieben wird, handelt es sich aufgrund des zusätzlichen Dienstleistungselements um einen erlaubnispflichtigen Eigenhandel gemäß § 1 Abs.1 a Nr. 4 KWG. Einer Erlaubnis bedürfen auch sogenannte Mining-Pools, deren Geschäftsmodell es ist, Rechnerleistung gegen Erlösanteile zur Verfügung zu stellen. Je nach Geschäftsmodell kommen verschiedene Erlaubnistatbestände in Betracht. Neben dem Eigenhandel kann es sich um das Finanzkommissionsgeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG, das multilaterale Handelssystem und die Anlage- und Abschlussvermittlung handeln.

Exkurs: Umsatzsteuer auf Bitcoins

Mindestens genauso wichtig wie die mögliche Erlaubnispflicht ist die Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung des gewerblichen Handels mit Bitcoins. Der europäische Gerichtshof hat den Handel mit Bitcoins kürzlich für umsatzsteuerfrei erklärt. Zuvor hatte noch der deutsche Fiskus Umsätze mit Bitcoins als Tausch behandelt. Dieses führte beim Handel mit Nicht-Unternehmern zu Ertragseinbußen. Verkäufer von Bitcoins, die diese geschürft und auf Plattformen angeboten hatten, waren aufgrund der hohen aufsichtsrechtlichen Hürden ohnehin schon in das Ausland abgewandert, etwa in die Niederlande, wo der Bitcoin-Handel nur sehr eingeschränkt der Finanzaufsicht unterliegt. Im Ergebnis werden Bitcoins in steuerlicher Hinsicht jetzt somit einer staatlichen Währung gleichgestellt.

Regulierung auf EU-Ebene

Auf EU-Ebene gibt es noch keine Vorschläge für eine einheitliche regulatorische Behandlung von Bitcoins oder der Blockchain. In einem Entwurfsreport des Ausschusses für Wirtschaft und Währung der EU (ECON) vom Februar 2016, der sich eingehend mit der Bedeutung virtueller Währungen und dem „distributed ledger“, einem öffentlich, dezentral geführtem Kontobuch (s.o.), auseinandersetzt, werden die positiven Ausflüsse, aber auch die Risiken der neuen Technologie beschrieben. Der Senkung von Transaktionskosten für Zahlungen und Finanztransfers in Höhe von jährlich weltweit bis zu 20 Mrd. Euro und der Beschleunigung der Zahlungsströme stehen nach Einschätzung der ECON die Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie die begrenzten aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten auf dem Gebiet der neuen Technologie gegenüber. Eine zentrale Empfehlung des ECON-Berichtes ist die Berücksichtigung der aufgezeigten Risiken nicht nur in der vierten Geldwäscherichtlinie sondern auch in der Zahlungsdiensterichtlinie und der Geld-Richtlinie. ECON legt großen Wert darauf zu betonen, dass bei aller Notwendigkeit von regulatorischen Maßnahmen zur Risikobewältigung die Innovation der Blockchain nicht in einem frühen Stadium erstickt werden dürfe. Zusätzlich wird die Europäische Kommission in Kürze eine Taskforce einrichten, die sich mit allen Entwicklungen virtueller Währungen und der Blockchain befassen soll.

Fazit

Die Blockchain wird die Finanzwelt möglicherweise revolutionieren. Wo die Reise hingeht, ist allerdings ungewiss. Bisher ist der Bitcoin das einzige von der neuen Technologie erschaffene Finanzprodukt. Die Aufsicht wirft ein kritisches Auge auf die Blockchain, ohne sie jedoch verhindern zu wollen.

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