26.06.2017Fachbeitrag

zuerst erschienen in Arbeit und Arbeitsrecht 6/2017

Die Taktik muss passen - Die Betriebsratswahl 2018 naht

2017 wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Viel wird über Politikverdrossenheit und neue politische Parteien oder Bewegungen gesprochen. Die Zusammensetzung des Bundestags könnte sich dramatisch ändern. 2018 stehen dann die nächsten wichtigen Wahlen vor der Tür – die regelmäßigen Betriebsratswahlen. Und auch hier tut sich Neues.

1 Veränderte Rahmenbedingungen

Nach unserer Beobachtung hat es schon bei den letzten Wahlen 2014 viele Änderungen in der Zusammensetzung der Betriebsratsgremien gegeben; 2018 dürfte sich dieser Wandel beschleunigen und verstärken. Neben dem sich auswirkenden Generationenwechsel – viele langgediente Betriebsratsmitglieder sind in der letzten Amtsperiode in die (vorgezogene) Rente gegangen, viele weitere werden dies während der nächsten Amtsperiode tun – sind es vor allem die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich auch in den Gremien niederschlagen. Die Mitgliedschaftsquoten bei den Gewerkschaften sinken seit Jahren; viele jüngere Arbeitnehmer fühlen sich von den althergebrachten Gewerkschaften mit deren traditioneller Zuspitzung zwischen „unterdrückter Belegschaft“ und „kapitalistischen Arbeitgebern“ nicht mehr vertreten. Sie wollen nicht Regelungen nach dem Motto „one size fits all“, sondern ihre individuellen Bedürfnisse und Wünsche stärker, auch eigenverantwortlich und ohne „Maulkorb“ äußern und umsetzen. Das Wertesystem hat sich verändert – Dienstwagen und Lohnhöhe sind nicht mehr Hauptanreiz der beruflichen Tätigkeit; gleichmachende und starre Arbeitszeitsysteme werden gerade von jüngeren Beschäftigten oft als behindernd wahrgenommen. Viele junge Mitarbeiter – auch Betriebsratsmitglieder – wollen stärker gestalten als verhindern.

Es ist daher mit mehr Kandidaten, mehr Listen und damit auch einem stärkeren Wahlkampf zu rechnen. All dies ist mehr als genug Grund auch für die Arbeitgeberseite, sich auf die Wahlen vorzubereiten. Besonders wichtig ist ein Überblick über die Vorbereitung auf die Wahlen selbst, die Kosten und Unterstützung der Wahl, taktische Überlegungen aus Arbeitgeberseite, drohende Sanktionen für Beeinflussungsversuche sowie die Eckpunkte der Wahl.

2 Vorbereitungen

Die Betriebsratswahl ist eine Wahl der Belegschaft; sie wird geleitet durch den Wahlvorstand. Der Arbeitgeber hat nur unterstützende Pflichten – er muss Informationen liefern, Zeit und Geld zur Unterstützung bieten. Warum also sollten Unternehmen und Management sich im Vorfeld mit dem Thema beschäftigen und sich selbst vorbereiten? Zunächst einmal kostet jede Wahl Geld. Während der Wahlversammlungen und Wahl selbst haben die Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit; das kostet Zeit und Produktivität. Zudem muss der Arbeitgeber die Wahlvorbereitungen finanzieren und ebenfalls hinnehmen, dass die Mitglieder des Wahlvorstands schon Wochen oder Monate vor der Wahl tagen, sich fortbilden, ggf. beraten lassen und damit weitere Kosten produzieren. Ferner sinkt auch wegen und während des Wahlkampfes die Produktivität. Mitarbeiter organisieren und besprechen sich, Diskussionen, bisweilen auch streitiger Natur, werden am Arbeitsplatz geführt. Das kann – neben den kurzfristigen Auswirkungen auf dieProduktivität – auch Langzeitwirkung auf die Stimmung in der Belegschaft haben. Es wird und sollte jedes Unternehmen interessieren, wenn seine Belegschaft in „betriebspolitische Fraktionen“ zerfällt. Zur Schulung der leitenden Angestellten und Geschäftsführer gehört vor allem das Sensibilisieren dafür, dass ihre Äußerungen zur Wahl und insbesondere zu einzelnen Wahlkandidaten leicht die Schwelle zur unzulässigen Wahlbeeinflussung überschreiten können. Zudem sollten sie ein grundsätzliches Verständnis dafür entwickeln, was die Betriebsratswahl ist und wie diese im Groben abläuft. Das verhindert unnötige Streitigkeiten wegen Beeinträchtigungen durch die Wahl(vorbereitungen). Nicht zuletzt sollte der engste Führungskreis auf eine gemeinsame Linie eingeschworen werden, wie das Unternehmen/Management zur Wahl steht (betont distanziert/neutral oder lieber betont unterstützend/neutral). Schließlich empfiehlt es sich, die leitenden Angestellten darauf vorzubereiten, dass es bei Betriebsratswahlen (wegen nahender Schwellenwerte für die Größe des Gremiums bzw. der Anzahl von Freistellungen) immer wieder auch eine betriebliche Diskussion oder gar gerichtlichen Streit um ihren Status geben kann.

VoRSchRIfT – § 5 AbS. 3 beTRVg (AuSZug)

1. zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2. Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3. regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.

 

Auch alle anderen Führungskräfte sollten vor einer Wahl und deren Vorbereitung geschult werden. Sie sind keine leitenden Angestellten und nehmen daher wie die übrigen Beschäftigten auch an der Betriebsratswahl – als Wähler oder Kandidaten – teil. Zugleich repräsentieren sie für die Belegschaft die Arbeitgeberseite und damit den Arbeitgeberwillen. Das hat zur Folge, dass Führungskräfte streng zwischen ihrer Vorgesetztenrolle und der Rolle als Wähler/Kandidat trennen müssen. Sie müssen stets darauf bedacht sein, nicht den Eindruck zu erwecken, sie

  • sprächen für den Arbeitgeber,
  • nähmen „als Vertreter“ des Arbeitgebers an betriebspolitischem Diskurs und Wahl teil oder
  • würden ihre Vorgesetztenrolle im Zusammenhang mit der Wahl nutzen (Versprechen von Vorteilen, Androhen von Nachteilen für falsche betriebspolitische Gesinnung).

So leicht dies in der Theorie klingt, so schwierig wird es bisweilen in der Praxis. Natürlich darf ein Vorgesetzter nicht während von ihm (als Vorgesetztem) anberaumten (und als Arbeitszeit vergüteten) Teammeetings die Werbetrommel für sich oder andere rühren. Aber ist jede kritische Konfrontation gleich schon ein Ausspielen der Vorgesetztenposition? Während die Gerichte vielfach auch eine stark polarisierende oder konfrontative Wahlkampfführung für rechtmäßig halten und hier von jedem Beschäftigten im politischen Diskurs Nehmer- und Steherqualitätenfordern, so legen sie doch Führungskräftenoft eine größere Zurückhaltung im Wahlkampf auf als „normalen“ Arbeitnehmern. Darauf und auf das klassische Wahlkampfargument insbesondere der Gewerkschaftslisten, bei ihnen handele es sich um „U-Boote“ der Arbeitgeberseite, nur weil sie eine Vorgesetztenfunktion ausüben, sollten Führungskräfte vorbereitet sein.

Übersicht Schwellenwerte

Anzahl MitarbeiterMitglieder BetriebsratFreistellungen
0–500
5–2010
20–5030
51–10050
101–20070
201–40091
401–700111
501–900112
701–1.000132
901–1.500133
1.001–1.500153
1.501–2.000174
2.001–2.500195
2.501–3.000215
3.001–3.500 236
3.501–4.000256
4.001–4.500277
4.501–5.000297
5.001–6.000 318
6.001–7.000339
7.001–8.0003310
8.001–9.000 3311
7.001–9.0003511
Je angefangene 3.000+2
9.001–10.000 3712
Je angefangene 2.000+1

3 Kosten

Das Gesetz macht es sich ganz leicht: Die Kosten der Wahl trägt der Arbeitgeber, § 20 BetrVG. Klassische Kostenpunkte der Betriebsratswahl sind

  • Wahlunterlagen (Stimmzettel, ggf. auch in Fremdsprachen),
  • Wahlurne(n),
  • Arbeitszeit (für Wähler, Kandidaten, Wahlvorstand, Personalabteilung (für Recherche von Informationen),
  • Porto (für Briefwahlen),
  • Reise-/Transportkosten (bei mehreren Betriebsstätten für Transport von Urnen und Fahrten von Wahlvorstand etc.),
  • Sachmittel des Wahlvorstands (Papier etc.),
  • Schulungskosten (Wahlvorstand, ggf. auch Listenführer),
  • Beraterkosten (Wahlvorstand, ggf. auch Listenführer),
  • Kosten für Wahlwerbung (Drucker, Papier etc.),
  • Kosten für Entfernung von Wahlwerbung (Reinigung etc.),
  • etwaige Gerichtsverfahren (Feststellungsverfahren nach § 18a BetrVG),
  • Raumkosten (Tagungen des Wahlvorstands, Wahlversammlungen, Wahl, Feststellung des Wahlergebnisses).

Die meisten der genannten Kostenfaktoren sind „Sowieso“-Kosten; sie fallen also in jedem Fall bei einer Betriebsratswahl an. Einen gewissen Einfluss hat das Unternehmen jedoch bspw. auf die Kosten, die für den Wahlkampf verwendet werden. Es muss nämlich keinen (gar umfangreichen und farbauffälligen) Wahlkampf dulden und ist nicht verpflichtet, Wahlgeschenke, Werbematerialien (Broschüren, Plakate, Aufkleber, Sticker etc.) oder gar „Wahlparties“ zu finanzieren.
Der Arbeitgeber muss vor und während einer Wahl vor allem eines: Er muss alle Wahlkandidaten/-listen gleich behandeln. Er darf also nicht der einen Liste Unterstützung zuteilwerden lassen und bei anderen knausern. Verbietet er daher – im Vorfeld der Wahl – jegliche Nutzung seiner Firmenmittel (Drucker, Papier, Tinte etc.), dann spart er damit naturgemäß Kosten. Zugleich sendet er aber ggf. auch das Signal in die Belegschaft, er stelle sich gegen die Betriebsratswahl. Gewährt das Unternehmen umgekehrt allen Kandidaten/Listen das Recht, seine Mittel (in begrenztem Umfang) zur Wahlwerbung zu nutzen, wird die Wahl notgedrungen teurer. Zugleich sendet es das Signal in die Belegschaft, es unterstütze die Wahl. Wenn sie nicht finanziert werden, werden viele Wahlvorstände im Zweifel auf eine Schulung und/oder die Einbeziehung eines Beraters verzichten. Zugleich steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass das Wahlverfahren fehleranfälliger wird und es – wegen erfolgreicher Wahlanfechtungen – zu einer (teuren) Neuwahl kommt oder aber der Wahlvorstand Entscheidungen trifft, die eher vom Ergebnis (Ausschluss unliebsamer Bewerberlisten) als von einer neutralen Wahlleitung her getragen sind.

4 Taktische Überlegungen

Schon die – kurzen – Ausführungen zu den Kosten der Betriebsratswahl belegen deutlich, dass der Arbeitgeber gut daran tut, seine Entscheidungen zur Wahl und deren Vorbereitung nicht jeweils „aus der Hüfte heraus“ zu treffen, sondern sich im Vorfeld dazu strategische Gedanken zu machen. Dazu gehört zunächst eine Bestandsanalyse:

  • Ist der Betriebsrat kurz vor dem Erreichen bestimmter Schwellenwerte (Zahl der Mitglieder und Freistellungen)?
  • Zeichnet sich eine „ruhige“ Wahl ab oder gibt es Anlass zur Annahme, dass der Wahlkampf härter als sonst geführt wird (Generationenwechsel, Auftreteneiner neuen Gruppierung im Betrieb, Beteiligung der Gewerkschaft mit eigener Liste, anstehende/abgeschlossene/laufende Umwälzungen im Betrieb [Entlassungen, Umstrukturierungen, neuer Erwerber usw.], Spaltung/Polarisierung des Betriebsratsgremiums usw.)?
  • Stehen Maßnahmen/Veränderungen an, von denen das Betriebsratsgremium noch nichts weiß/ahnt?
  • Hat der Betriebsrat den Status der leitenden Angestellten angezweifelt?
  • Wie ist das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat/Mehrheitsfraktion? Wäre dem Unternehmen die Bewahrung des Gremiums oder eine neue Zusammensetzung lieber?
  • Wie wird sich der Personalstamm wohl in den nächsten Jahren entwickeln?

Auf Basis dieser Bestandsanalyse sollte der Arbeitgeberfrühzeitig Entscheidungen treffen. Ganz besonders dann, wenn einschneidende Maßnahmen erwogen werden, wenn also eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG ihre Schatten vor sich wirft, kann er (u. U.) taktieren. Soll man die Maßnahme während der Wahlvorbereitungen und während eines Wahlkampfes verkünden? Das Ergebnis ist dann nicht selten eine übergroße Anzahl von Arbeitnehmern, die sich – durch die Kandidatur für die Betriebsratswahl – kündigungsschutzrechtliche Vorteile nach § 15 Abs 3 KSchG versprechen; es droht eine kollektive Kandidatenschwemme. Zudem wird gerade in solchen Szenarien besonders verbissen und hart um die Sitze im künftigen Betriebsratsgremium gerungen. Nicht zuletzt droht dem Unternehmen dann, die Verhandlungen über die Betriebsänderung mit frisch (und erstmals) gewählten Betriebsratsmitgliedern verhandeln zu müssen, die noch keine interne Machtbalance gefunden haben und daher unberechenbar sind sowie mangels Kenntnissen und Erfahrung unsicher in ihrer Rolle und ihren Möglichkeiten sind und auch daher ein unberechenbarer, zögerlicher und unzuverlässiger Verhandlungspartner sind. Demgegenüber kann die Verhandlung mit einem „gesetzten“ und erfahrenen Gremium – nach einer Wahl – viele Vorteile für die Verhandlung und Durchführung der Betriebsänderung versprechen. Naturgemäß gelten die vorgenannten Überlegungen auch, wenn nicht der gesamte Betrieb, aber eine einzelne Abteilung von einer Maßnahme betroffen ist.

5 Personalplanung

Umgekehrt führt eine Verringerung des Personalbestands nach der Wahl nicht (unmittelbar) zu einer Verkleinerung des Gremiums; allenfalls eine Verringerung der Zahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder erfolgt sofort mit Verkleinerung der Belegschaftszahl. Wenn man schon vor der Wahl weiß, dass der Betrieb sich (kurz) nach der Wahl erheblich verkleinern wird, sollte dies bedacht werden. Hier gibt es die Möglichkeiten,

  • zu schweigen,
  • die Verringerung schon vor der Wahl anzukündigen, damit diese bei der Wahl zu berücksichtigen ist, oder
  • die Verringerung jedenfalls in der ersten Hälfte der Amtszeit durchzuführen, um eine etwaige vorzeitige Neuwahl nach § 13 BetrVG zu erzwingen.

Im ersten Fall verhindert man Verwerfungen im Wahlkampf; man nimmt aber (jedenfalls für die Dauer von zwei Jahren) ein zu großes, d. h. zu mitgliederstarkes Gremium hin. Im zweitgenannten Fall hat man – naturgemäß – mit eben jenen Themen zu kämpfen. In der letztgenannten Variante hat man zwar Ruhe vor der Wahl, aber schon kurz nach der Wahl und mit der Umsetzung des Personalabbaus wird eine neuerliche Wahl wahrscheinlich. Diese ist dann nicht selten noch vom Personalabbau gezeichnet – der Betriebsrat wird sich erheblichen Vorwürfen (nicht hart genug verhandelt zu haben etc.) ausgesetzt sehen. Die Furcht davor mag sich auch schon während der Verhandlungen über die Belegschaftsverkleinerung niederschlagen.

Unabhängig von diesen großen Themen ist vor der Wahl die Personalplanung mit kühlem Kopf vorzunehmen. Hier stellen sich viele Fragen:

  • Welchen Personalstand gibt man gegenüber dem Betriebsrat (und den wahrscheinlichen Mitgliedern des Wahlvorstands) an? Drückt man die Zahl der (wahrscheinlichen) Beschäftigten unter wichtige Schwellenwerte, um das Gremium zu verringern? Damit fordert man kritische Nachfragen bei den leitenden Angestellten heraus ...
  • Wann laufen befristete Verträge/Probezeiten aus? Werden auf diese Weise Mitarbeiter unnötig zur Kandidatur incentiviert?
  • Wie viele Leiharbeitnehmer plant man ein? Auch diese zählen (und wählen) mit!
  • Werden verstärkt weibliche Arbeitnehmer angestellt? Das kann – wegen der Garantie der Mindestrepräsentanz des Minderheitsgeschlechts im Betriebsratsgremium – die Erfolgsaussichten einzelnerBewerber/innen und Kandidatenlisten maßgeblich beeinflussen.

6 Taktische Überlegungen in Bezug auf die Wahl an sich

Angesichts der Bedeutung des Gremiums und seiner Zusammensetzung für den Betrieb sowie die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ist es für Letzteren gerade geboten, sich auch Gedanken über die Wahl, den Wahlkampf und mögliche Wahlausgänge zu machen. Dabei bemühen sich Unternehmen zu Recht – anders als von manchen Arbeitnehmervertretern immer wieder gemutmaßt – nur selten um „eigene Wunschkandidaten“ bei der Wahl. Das ist Ihnen angesichts der Sanktionen auch nicht zu raten.
Ganz unabhängig davon sind solche Bestrebungen auch aus einem anderen Grunde nicht ratsam: Arbeitgeber, die „genehme“ Betriebsratsmitglieder in das Gremium pushen wollen, tun sich selten einen Gefallen. Immer wieder suchen sie nach „Ja-Sagern“ in der Hoffnung, so Konflikte mit dem Betriebsrat zu vermeiden. Das erweist sich immer wieder als böser Irrtum. „Ja-Sager“ sind denkbar ungeeignete Betriebsratsmitglieder. Abgesehen davon, dass sie oft keine Stimmen „ziehen“, können sie auch das Amt nicht ausfüllen. Ihnen fehlt das Standing und Auftreten, um gegenüber Arbeitgeber, Belegschaft und anderen Betriebsratsmitgliedern einen eigenen Standpunkt vertreten zu können. Sie verlieren im Zuge der Amtsperiode regelmäßig an Bedeutung im Gremium und stimmen auch dort nur mit – zumeist mit den ideologischeren Vertretern im Gremium.
Wenn Unternehmen über die Betriebsratswahl nachdenken, sind für sie oft andere Themen wichtiger:

  • Kostenschonung,
  • ordnungsgemäße Wahl (ohne Wahlanfechtung),
  • Vermeidung von Spaltungen der Belegschaft,
  • Vermeidung, selbst Opfer des Wahlkampfs zu werden (Betriebsrat zeigt in der Phase vor der Wahl seine „Muskeln“ und verhindert wichtige Projekte, um Stimmen zu fangen) und
  • Aufrechterhaltung/Schaffen eines guten Verhältnisses mit dem Betriebsratsgremium.

Oft sind Arbeitgeber daher durchaus daran interessiert, den Status quo eher aufrechtzuerhalten als ihn durch waghalsige Manöver zu gefährden. Wenn dem so ist, kann und sollte man sich vorbereiten. Teil der taktischen Überlegungen ist es auch, wichtige Themen so rechtzeitig vor der Wahl mit dem Betriebsrat anzugehen, dass diese noch vor dem Wahlkampf und damit vor einer drohenden Politisierung bzw. der drohenden Verzögerung mangels Zeit der Betriebsratsmitglieder für Sachthemen in Zeiten des Wahlkampfs verhandelt werden können. Auch insoweit unterscheidet sich die Betriebs- nicht sehr von der Bundespolitik. Mit Einläuten des Wahlkampfs werden nur noch die drängendsten Sachthemen bearbeitet. Und dabei kann die Einschätzung, was drängend ist, zwischen Unternehmen und Arbeitnehmervertretern deutlich divergieren ...

Übersicht – Taktische Vorbereitungen der BR-Wahl

  • Durch Schulungen und die Gewährung externen Rechtsrats für den Wahlvorstand unterstützt der Arbeitgeber eine „ordnungsgemäße und (weitgehend) fehlerfreieWahl“.
  • Durch Schulung von Vorgesetzten verhindert er, dass diese unabgestimmt und ungeschickt (oder gar strafbar) versuchen, auf den Wahlkampf Einfluss zu nehmen.
  • Wenn das Unternehmen die Möglichkeiten des Wahlkampfs einschränkt, unterstützt es tendenziell eher den Status quo; die Öffnung von Wahlkampfmitteln hingegen ermöglicht die Bildung einer „Opposition“.
  • Durch die Verhandlungsführung und das Auftreten während der Amtszeit kann man u. U . die Stimmung in der Belegschaft beeinflussen – zum Vor- oder Nachteil der amtierenden Betriebsräte.
  • Schließlich kann der Arbeitgeber von sich aus die wichtigsten Wahlutensilien bereits selbst – über den eigenen Einkauf – besorgen und auf diese Weise ggf. erhebliche Kosteneinsparungen erzielen.
  • Auch die Analyse der eigenen Belegschaft (Wie viele Arbeitnehmer sind der deutschen Sprache nicht/nicht hinreichend mächtig und müssen in ihrer Muttersprache bzw. einer Fremdsprache über die Wahl und das Wahlprozedere informiert werden?) kann dabei helfen, den späteren Wahlablauf reibungsloser zu gestalten.

 

7 Drohende Sanktionen für Beeinflussungsversuche

Bei allem, was der Arbeitgeber tut, muss er sich der Konsequenzen seines Tuns bewusst sein: Er – und jeder einzelne Beschäftigte (auch Führungskräfte!) – kann sich nach §§ 20, 119 BetrVG strafbar oder bußgeldpflichtig machen.
Jede Einmischung in den demokratischen Willensbildungsprozess ist unter Strafe gestellt. Während bei Auseinandersetzungen unter Mitarbeitern oft noch davon gesprochen wird, solche gehörten zu einem demokratischen Prozess und müssten „ertragen“ werden, sieht dies bei (scheinbarem) Handeln des Unternehmens ganz anders aus. Hier haben Arbeitsgerichte, Gewerkschaften, Staatsanwaltschaften und vor allem die Presse eine ganz andere Sensibilisierung.
Jede Äußerung einer Führungskraft wird auf die Goldwaage gelegt und kann leicht als (Versuch der) Wahlbeeinflussung verstanden werden. Manche Gerichte gehen dabei sogar so weit, dass sie dem Arbeitgeber vorwerfen, mit der Durchführung einer allgemeinen Informationsveranstaltung zu Wahl und Wahlverfahren könne ja nur die Absicht einer Wahlbeeinflussung verbunden sein; sonst mache er dies ja nicht. Das damit vermittelte Weltbild mancher Richter lässt dabei bisweilen tief blicken. Sei es, wie es sei – Vorsicht ist geboten. Keinesfalls sollte man irgendeine Vermischung zwischen Vorgesetztenfunktion und der Funktion des „normalen“, wahlberechtigten Arbeitnehmers riskieren.

8 Desavouieren von Kandidaten

Neben der gesetzlichen Sanktion droht eine weitere: Sobald Arbeitgeber/Vorgesetzte den Eindruck erwecken, sie würden einen Kandidaten/eine Kandidatenliste bevorzugen/besonders bekämpfen, droht die Sanktion an der Wahlurne, eine „Protest- oder Solidarisierungswahl“. In vielen Betrieben – und ein Stück weit ja insgesamt in der Gesellschaft – wird nach wie vor von sich diametral entgegenstehenden Polen – Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft – ausgegangen. Jeder Arbeitnehmervertreter, dem eine zu arbeitgeberfreundliche Haltung und/oder die Unterstützung durch die Arbeitgeberseite unterstellt wird, macht sich angreifbar. Ein solcher Kandidat wird desavouiert. Ihm gehen Authentizität, Glaubwürdigkeit und damit die Unterstützung von Teilen der Belegschaft verloren. Ein Lob vom Unternehmen ist für viele Beschäftigte ein Lob von falscher Seite. Es schadet mehr, als dass es nützt.
Mitarbeiter könnten zudem den Eindruck gewinnen (bzw. ein solcher könnte von konkurrierenden Kandidaten vermittelt werden), der Arbeitgeber wolle die Wahl beeinflussen und dann bewusst das „Gegenteil“ wählen. Als Arbeitgeber ist daher auch aus wahltaktischer Sicht oft Zurückhaltung geboten.

Vorschriften

§ 20 BetrVG – Wahlschutz und Wahlkosten (Auszug)
(2) Niemand darf die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen.
§ 119 BetrVG – Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder (Auszug)
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. eine Wahl des Betriebsrats (...) behindert oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst, (...)

 

9 Eckpunkte der Wahl

Schließlich sollen noch einige wichtige Eckpunkte der Wahl – als Kurzübersicht – geschildert werden. Man unterscheidet zwischen

  • normalen Wahlverfahren (in Betrieben mit mehr als 100 Wahlberechtigten) und
  • vereinfachtem Wahlverfahren (in Betrieben mit bis zu 50 Wahlberechtigten).

In Betrieben mit 51–100 Wahlberechtigten können Arbeitgeber und Wahlvorstand das vereinfachte Verfahren vereinbaren; will einer von beiden nicht, ist das normale Verfahren anzuwenden. Das normale Wahlverfahren lässt sich in fünf Hauptabschnitte unterteilen, nämlich
1. Bestellung des Wahlvorstands,
2. Aufstellung der Wählerliste,
3. Bekanntmachung des Wahlausschreibens,
4. Einreichung, Überprüfung und Bekanntmachung der Vorschlagslisten,
5. Durchführung des eigentlichen Wahlvorgangs sowie die Auszählung der Stimmen und Bekanntmachung des Wahlergebnisses.

Dem Wahlvorstand kommt eine zentrale Bedeutung im Wahlverfahren zu – er

  • stellt die Wählerliste auf, entscheidet also, wer wählen oder gewählt werden darf,
  • prüft und entscheidet über die Gültigkeit von eingereichtenKandidaturen/Listenvorschlägen,
  • steuert das gesamte Wahlverfahren (veröffentlicht das Wahlausschreiben und steuert die Terminplanung).

Umso überraschender ist auf den ersten Blick, dass Mitglieder des Wahlvorstands auch selbst kandidieren dürfen. Bei einer Bundes-/Landtagswahl wäre das (zu Recht!) unvorstellbar. In Betrieben kann dieser „Anstand“ aber schlicht aus Mangel an Personen nicht gewahrt werden; dann wären Wahlen erst in deutlich größeren Betrieben als mit fünf Arbeitnehmern möglich. Wird nur eine Kandidatenliste zur Wahl zugelassen, findet die Personenwahl (Mehrheitswahl) statt; gibt es mehrere Listen, wird nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Dabei findet das d’Hondtsche Verfahren Anwendung – mit einer Modifikation: Der Wahlvorstand hat festzustellen, welchen Anteil beide Geschlechter in der Belegschaft haben. Dem Minderheitsgeschlecht wird hier – unter gesetzlichem Verstoß gegen die Grundsätze der Wahlgleichheit – ein Mindestanteil der Sitze im Gremium garantiert. Er ist unabhängig von der Anzahl der erzielten Stimmen – sofern es nur genug Kandidaten/Kandidatinnen des Minderheitsgeschlechts gibt.

Demgegenüber ist das vereinfachte Verfahren deutlich schlanker und schneller:

  • Nachdem der Wahlvorstand (vom amtierenden Betriebsrat) gewählt wurde,
  • erlässt dieser Wahlausschreiben und Wählerlisteund lädt zu einer Wahlversammlung ein,
  • innerhalb derer dann über die (in der Zwischenzeit eingereichten) Wahlvorschläge abgestimmt wird.

10 Fazit

Jedem Unternehmen mit Betriebsrat ist dazu zu raten, sich bereits jetzt auf die Betriebsratswahlen im Frühjahr 2018 vorzubereiten, um unnötige Kosten und (ggf. strafrechtliche) Risiken zu vermeiden. Dazu sind die Schulung der Führungskräfte, eine umfangreiche Ist-Analyse, eine Abwägung der kommenden Projekte und Maßnahmen sowie die Planung von Ressourcen für die Wahl selbst und den Wahlkampf dringend zu empfehlen. Im Frühjahr 2018 wird es dafür zu spät sein.

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