05.07.2017Fachbeitrag

Health Care, Pharma & Life Sciences 3/2017

Diskriminierungsfreies reines Zulassungsverfahren kann Vergabeverfahren unnötig machen

Grundsätzlich sind Rabattverträge bezüglich Medikamenten seitens der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen eines formellen Vergabeverfahrens abzuschließen. Die Vergabekammer Bund hat dazu nun aber festgestellt, dass ein reines Verfahren zur Zulassung von Anbietern zur Teilnahme an einem Rahmenvertrag ein Vergabeverfahren entbehrlich machen kann, sofern es diskriminierungsfrei abläuft.

In einem Beschluss vom 14. Februar 2017 (Az. VK 2-4/17) hat die Vergabekammer Bund zunächst entschieden, dass Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V durch gesetzliche Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber Rahmenvereinbarungen darstellen, die grundsätzlich nach den für öffentliche Aufträge geltenden Regeln zu vergeben sind. Weiterhin wurde festgestellt, das gegebenenfalls reine Zulassungsverfahren einer Beschaffungsmaßnahme in Ausnahmefällen den Charakter eines öffentlichen Auftrags nehmen können. Eine Vergaberechtsrelevanz fehlt dabei, wenn alle geeigneten Marktteilnehmer dem Vertrag jederzeit und zu gleichen Bedingungen beitreten können.

In dem vorliegenden Verfahren, das die Vergabekammer Bund zu entscheiden hatte, hat eine gesetzliche Krankenkasse zunächst den bezweckten Abschluss eines nicht-exklusiven Rabattvertrags nach § 130a Abs. 8 SGB V zu diversen Arzneimitteln in einem Open-House-Verfahren veröffentlicht. Sie wollte im Zuge dessen mit jedem Unternehmen, das die Teilnahmekriterien erfüllt und die Vertragskonditionen annimmt, einen Rabattvertrag schließen. Laut veröffentlichter Liste sollte unter anderem ein bestimmter Wirkstoff als Mittel geliefert werden, das zur Behandlung einer bestimmten Krankheit, aber nicht zur Behandlung einer bestimmten anderen Krankheit zugelassen ist. Das Mittel, das auch für die zweite, nicht zur Behandlung gewollte, Krankheit indiziert ist, war bis vor kurzer Zeit noch patentrechtlich geschützt gewesen. Ein an dem Vergabeverfahren interessiertes Pharmaunternehmen vertreibt den verfahrensgegenständlichen Wirkstoff als Mittel, das für beide Indikationen zugelassen ist. Dementsprechend erhielt das Pharmaunternehmen von der ausschreibenden Krankenkasse nicht die angeforderten Vergabeunterlagen. Das angerufene Sozialgericht verbot der Krankenkasse daraufhin in einem Hängebeschluss, das Vergabeverfahren weiterzuführen. Die Krankenkasse teilte daher den Bietinteressenten mit, bis zur gerichtlichen Klärung keine Open-House-Verträge zu dem bestimmten Wirkstoff abschließen zu wollen. Das Landessozialgericht hob den Beschluss auf, ohne in der Sache zu entscheiden. Der Rechtsstreit blieb weiterhin vor dem Sozialgericht anhängig.

Die von dem Pharmaunternehmen angerufene Vergabekammer Bund hat der Krankenkasse untersagt, nicht-exklusive Rabattverträge über den bestimmten Wirkstoff aufgrund ihres  eingeleiteten Vergabeverfahrens abzuschließen. 

Für Rabattverträge grundsätzlich Vergabeverfahren durchzuführen

Grundsätzlich haben gesetzliche Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber laut der Vergabekammer Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V gemäß § 103 Abs. 5 GWB als Rahmenvereinbarungen im Einklang mit der gängigen Rechtsprechung nach den für öffentliche Aufträge geltenden Regeln auszuschreiben.

Reines Zulassungsverfahren kann Vergabeverfahren entbehrlich machen

Ein Vergabeverfahren nach den §§ 97 ff. GWB kann aber entfallen bei reinen Zulassungsverfahren, die einer Beschaffung ihren Charakter als öffentlicher Auftrag nehmen. Dazu darf der Auftraggeber nach herrschender Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, IBRRS 2014, 2624; EuGH, IBR 2016, 469) nicht zwischen mehreren Angeboten auszuwählen haben. Das wäre gegeben, wenn alle geeigneten Marktteilnehmer die Möglichkeit hätten, dem Vertrag jederzeit und zu gleichen Bedingungen beizutreten.

Zulassungsverfahren muss diskriminierungsfrei erfolgen

An einem solchen diskriminierungsfreien Zugang fehlte es vorliegend aber, da die ausschreibende Krankenkasse dem Pharmaunternehmen die Teilnahme an dem Vergabeverfahren dahingehend untersagt hat, weil das von dem interessierten Pharmaunternehmen vertriebene Arzneimittel sowohl für die patentfreie Indikation als auch für die bisher patentgeschützte Indikation, also die Indikationen für die beiden betreffenden Krankheiten, zugelassen ist. Das Pharmaunternehmen hätte sich mit seinem Mittel aber tatsächlich an dem Verfahren für den bestimmten Wirkstoff beteiligen können, für den die ausschreibende Krankenkasse keine Zulassung für die eine Indikation gefordert hat.

Der Nachprüfungsantrag war auch nicht dadurch unzulässig, dass die Krankenkasse ihre Beschaffungsmaßnahme eingestellt hätte. In der Information an die Bieter, man werde bis zur gerichtlichen Klärung keine Rabattverträge über den betreffenden Wirkstoff abschließen, hat die Krankenkasse nämlich nicht die Beschaffungsabsicht aufgegeben. Da für die Zeit nach Abschluss des Nachprüfungsverfahren eine Fortsetzung des Vergabeverfahrens laut Darstellung der Vergabekammer zu erwarten war, war der Nachprüfungsantrag daher bei noch laufendem Vergabeverfahren zulässig.

Fazit

Die Vergabekammer hat insbesondere die Bedingungen dargestellt, unter denen ein Beschaffungsvorhaben nicht vergaberechtsrelevant ist. Ein Vergabeverfahren ist nur dann nicht auszuführen, wenn dessen Zweck, eine wirtschaftliche Beschaffungsentscheidung im Rahmen eines marktgerechten Wettbewerbs, nicht zu verfolgen ist, da keine Auswahl zwischen mehreren Angeboten zu treffen ist, sondern grundsätzlich alle geeigneten Interessenten dem abzuschließenden Vertrag beitreten können. Das damit verbundene Zulassungsverfahren ist dabei aber unbedingt diskriminierungsfrei durchzuführen.

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