05.07.2015Fachbeitrag

Newsletter Health Care 2/2015

Eingeschränkte Vergütung von Bereitschaftszeiten mit Mindestlohngesetz Vereinbar

ArbG Aachen, Urteil vom 21.4.2015 - 1 Ca 448/15h

Das Arbeitsgericht Aachen hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 21. April 2015 – das bislang nur als Pressemitteilung vorliegt – entschieden, dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütung für Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes hat. Die tarifvertraglichen Bestimmungen im Abschnitt B des Anhangs zu § 9 TVöD zu Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst und in den Leitstellen sind auch nach dem Mindestlohngesetz gesetzeskonform.

Die tarifliche Wochenarbeitszeit beträgt regelmäßig 39 Wochenstunden. Für Tätigkeiten im Rettungsdienst gilt die Besonderheit, dass Bereitschaftszeiten anfallen können, die nur zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit angerechnet werden. Dabei darf die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten insgesamt durchschnittlich 48 Wochenstunden nicht überschreiten. Bereitschaftszeiten sind tarifvertraglich definiert als Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit aufnehmen zu können und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen.

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin betreibt den Rettungsdienst in einem Landkreis. Der klagende Arbeitnehmer ist seit 2001 in diesem Unternehmen beschäftigt und der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, TVöD-V, findet Anwendung. Der Arbeitnehmer erhält eine tarifliche Grundvergütung in Höhe von 2.680,31 Euro pro Monat nebst Zulagen.

Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, dass die tariflichen Regelungen des TVöD zur Vergütung von Bereitschaftszeiten nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes unzulässig geworden seien und ihm für jede Stunde Bereitschaftszeit eine zusätzliche Vergütung von 8,50 Euro zu zahlen sei. Demgegenüber sei nach Meinung der Arbeitgeberin durch die tarifliche Monatsgrundvergütung auch die Bereitschaftszeit abgegolten.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Aachen wies die Klage des Arbeitnehmers ab. Nach Ansicht der 1. Kammer des Arbeitsgerichts liege kein Verstoß der tarifvertraglichen Vergütungsregelung gegen das Mindestlohngesetz vor. Selbst wenn entsprechend der Ansicht des Arbeitnehmers Bereitschaftszeiten wie Vollarbeitszeit zu vergüten wäre, so sei er nach der tarifvertraglichen Regelung maximal verpflichtet, 48 Stunden pro Woche und damit 208,7 Stunden pro Monat zu arbeiten. Die hierfür nach dem Mindestlohngesetz in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde zu zahlende Vergütung würde aber lediglich 1.773,95 Euro (208,7 Stunden x 8,50 Euro) betragen. Die Monatsgrundvergütung in Höhe von 2.680,31 Euro überschreite daher die Vergütung nach dem gesetzlichen Mindestlohn.

Fazit

Der seit dem 1. Januar 2015 geltende gesetzliche Mindestlohn wirft die Frage auf, ob auch Bereitschaftszeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit mit mindestens 8,50 Euro zu bewerten sind. Für die Rechtsverordnung nach § 11 AEntG im Pflegebereich hat das BAG bereits Ende 2014 entschieden, dass das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist (BAG, Urt. v. 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12). Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst seien nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit, sondern auch vergütungspflichtige Arbeit, da sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten muss, um im Bedarfsfalle unverzüglich die Arbeit aufzunehmen. Das Arbeitsgericht Aachen stellt nunmehr klar, dass die Regelung im TVöD, wonach Bereitschaftszeiten nur zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit angerechnet werden und die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten insgesamt durchschnittlich 48 Wochenstunden nicht überschreiten darf, mit den Vorgaben des Mindestlohngesetzes vereinbar ist. Denn selbst wenn Bereitschaftszeiten wie Vollarbeitszeit zu vergüten wären, läge die aktuelle Grundvergütung pro Arbeitsstunde nach dem TVöD noch über 8,50 Euro pro Stunde. Hervorzuheben ist, dass das Urteil Unternehmen betrifft, die dem TVöD unterliegen. Jedoch werden in Tarif- und Arbeitsverträgen für Arbeitsverhältnisse, in denen Bereitschaftsdienste anfallen können, häufig Bestimmungen darüber getroffen, ob und wie diese zu vergüten sind. Allgemein wird sich die Praxis wohl darauf einzustellen haben, dass nach dem MiLoG für sämtliche Zeiten des Bereitschaftsdiensts der Anspruch auf den Mindestlohn von zurzeit 8,50 Euro besteht.

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