19.07.2015Fachbeitrag

Newsletter IP, Media & Technolgy Juli 2015

Entscheidung des BGH zur Tagesschau-App

Mit Urteil vom 30. April 2015 hat der BGH in dem wettbewerbsrechtlichen Verfahren der Zeitungsverleger gegen die ARD und den NDR zur Zulässigkeit der Tagesschau-App die Entscheidung der Vorinstanz teilweise aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG Köln zur erneuten Prüfung zurückverwiesen (Az.: I ZR 13/14). In seinem Urteil stuft der BGH das rundfunkrechtliche Verbot nicht sendungsbezogener presseähnlicher Angebote als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG ein. Zudem entfalte die Freigabe von „tagesschau.de“ als Ergebnis des Drei-Stufen-Tests keine verbindliche Wirkung für das Verfahren.

Hintergrund des Rechtsstreits

Gegenstand der Auseinandersetzung ist die Zulässigkeit des telemedialen Angebotes der Tagesschau-App, einer mobilen Übertragungsform des Online-Angebots „tagesschau.de“, die seit Dezember 2010 von den Rundfunkanstalten angeboten wird. Für die Tagesschau ist innerhalb der ARD der NDR zuständig.

Mit ihrer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage wenden sich die Zeitungsverleger gegen die Zulässigkeit der Tagesschau- App in der Version vom 15. Juni 2011. Sie vertreten die Auffassung, die Tagesschau-App verstoße gegen das rundfunkrechtliche Verbot nicht sendungsbezogener presseähnlicher Angebote gemäß § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 3 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) und sei daher unzulässig. Bei dem Verbot nicht sendungsbezogener presseähnlicher Online-Angebote handelt es sich nach Auffassung der klagenden Zeitungsverleger um eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

Die Auffassungen der Instanzgerichte

Während das LG Köln das Angebot der Tagesschau-App in der Version vom 15. Juni 2011 erstinstanzlich als mit dem Rundfunkstaatsvertrag unvereinbar qualifizierte und ein Vertriebsverbot aussprach (Urteil v. 27.9.2012, Az.: 31 O 360/11 – ZUM-RD 2012, 613), wies das OLG Köln die Klage der Zeitungsverleger ab (Urteil v. 20.12.2013, Az.: 6 U 188/12 – ZUM 2014, 245). Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, die Tagesschau-App sei lediglich eine mobile Übertragungsform des Online-Angebots „tagesschau.de“ und mit diesem inhaltlich deckungsgleich. Das Online-Angebot „tagesschau.de“ sei im Rahmen des Drei-Stufen- Tests von der Niedersächsischen Staatskanzlei seinerzeit als nicht presseähnlich eingestuft und freigegeben worden.

Seit 2009 müssen im Rahmen des Drei-Stufen-Tests die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in sog. Telemedienkonzepten inhaltlich konkretisiert und durch den Rundfunkrat der Sendeanstalt sowie die zuständige Rechtsaufsicht freigegeben werden. Mit der Freigabe bestätigt die Rechtsaufsicht, dass das Online-Angebot vom gesetzlichen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten umfasst ist.

Das OLG Köln sah sich an die Legalisierungswirkung des freigegebenen Telemedienkonzepts gebunden. Aus diesem Grund musste es nicht abschließend klären, ob es sich bei dem rundfunkrechtlichen Verbot nicht sendungsbezogener presseähnlicher Angebote um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handelt. Das OLG tendierte jedoch dazu, § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 3 RStV als Marktzutrittsregelung einzustufen mit der Folge, dass ein Verstoß dagegen nicht zugleich über § 4 Nr. 11 UWG als Wettbewerbsverstoß zu werten wäre.

Freigabe des Telemedienkonzeptes entfaltet keine bindende Wirkung

Entgegen der Auffassung des OLG Köln hat der BGH nun auf die Revision der Zeitungsverleger entschieden, dass die Freigabe des Telemedienkonzepts zu „tagesschau.de“ durch die Niedersächsische Staatskanzlei keine bindende Wirkung für den Rechtsstreit entfalte. Zur Begründung heißt es in der Pressemitteilung, die Freigabe des Angebots „tagesschau.de“ beziehe sich lediglich auf ein Konzept; eine Billigung der konkreten Umsetzung im Einzelfall als nicht presseähnlich sei damit nicht erfolgt.

Verbot nicht sendungsbezogener presseähnlicher Angebote ist Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG

Ferner ist der BGH der Auffassung, bei dem Verbot nicht sendungsbezogener presseähnlicher Angebote gemäß § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 3 RStV handele es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Das Verbot habe zumindest auch den Zweck, die Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten auf dem Markt der Telemedienangebote zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen. Ein Verstoß gegen das Verbot nicht sendungsbezogener presseähnlicher Angebote könne daher wettbewerbsrechtliche Ansprüche begründen.

Das OLG Köln muss nunmehr prüfen, ob das Angebot der Tagesschau-App in der Version vom 15. Juni 2011 als presseähnlich einzustufen ist. Hierbei wird es nicht auf einzelne Beiträge ankommen, sondern darauf, ob alle nicht auf eine konkrete Sendung bezogenen Beiträge in ihrer Gesamtheit presseähnlich sind. Davon sei auszugehen, wenn der Textanteil deutlich überwiegt.

ARD mangels Rechtsfähigkeit nicht parteifähig

Hinsichtlich der ARD hat der BGH die Klage als unzulässig abgewiesen, da es sich bei der ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland) lediglich um einen Zusammenschluss von Rundfunkanstalten handle, der als solcher nicht rechtsfähig sei und daher nicht verklagt werden könne.

Etappensieg der Zeitungsverleger

Die Entscheidung des BGH stellt einen Etappensieg der Zeitungsverlage gegen die Online-Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dar. Seit Jahren versuchen die Zeitungsverlage die beitragsfinanzierten Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Online-Bereich einzudämmen.

Fazit

Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat hat ein rundfunkrechtliches Urteil gefällt. Das Urteil ist in seiner rein wettbewerbsrechtlichen Sichtweise überzeugend, weicht aber in zweierlei  Hinsicht von der überwiegenden Auffassung im Schrifttum ab. Diese qualifiziert die Freigabe eines Telemedienkonzeptes durch die Rechtsaufsicht als einen rechtsverbindlichen Akt. Zudem galten auftragskonkretisierende Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages bislang als reine Marktzutrittsregelungen, die nicht als Grundlage wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche dienen können. Falls das OLG Köln das konkrete Angebot der Tagesschau-App vom 15. Juni 2011 für die Beurteilung der übermäßigen Textlastigkeit anhand der zur Verfügung stehenden Screenshots als presseähnlich beurteilt, ist nicht auszuschließen, dass das Bundesverfassungsgericht hier ein weiteres Wörtchen mitreden wird. Dort hatten die öffentlich-rechtlichen Sender in der Vergangenheit einen guten Stand.

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