28.10.2016Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht Oktober 2016

Erleichterter Zugriff geschädigter Unternehmen auf D&O-Versicherungen

In zwei Entscheidungen hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich mit dem Zugriff geschädigter Unternehmen auf D&O-Versicherungen ihrer Leitungsorgane auseinandergesetzt. Der BGH entschied, dass sich Unternehmen den Deckungsanspruch des versicherten Leitungsorgans gegen den Versicherer abtreten lassen können. Dadurch können Unternehmen Haftungs- und Deckungsansprüche unmittelbar in einem Prozess gegen den D&O-Versicherer geltend machen, was zu einem erleichterten Zugriff der Unternehmen auf die D&O-Versicherung führt.

Der Begriff D&O-Versicherung steht für Directors and Officers-Versicherung. Diese Vermögensschadenshaftpflichtversicherung schließen Unternehmen für den Fall fahrlässigen Fehlverhaltens ihrer Organe und leitenden Angestellten ab. Vorsätzliche Pflichtverletzungen werden nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Die Unternehmen sind Versicherungsnehmer, die Rechte aus der Versicherung stehen aber den Organen als versicherte Personen zu. Inanspruchnahmen wegen Versäumnissen der Organe erfolgen in erster Linie durch die geschädigten Unternehmen selbst. In der bisherigen Praxis führte dies dazu, dass das geschädigte Unternehmen das Leitungsorgan wegen der Pflichtverletzung verklagen musste – selbst wenn das Unternehmen mit diesem weiterhin zusammenarbeiten wollte. Das Leitungsorgan musste dann gegen diesen festgestellte Ansprüche über den D&O-Versicherer abwickeln.

Geschädigte Unternehmen sind Dritte im Sinne des § 108 Abs. 2 VVG

In seinen Entscheidungen vom 13. April 2016 hat der BGH diesen „Umweg“ nunmehr aus dem Weg geräumt. Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob bei Innenhaftungsfällen, d. h., wenn das Unternehmen als Versicherungsnehmer einer D&O-Versicherung unmittelbar einen Anspruch gegen eine versicherte Person erhebt, die Abtretung des versicherungsvertraglichen Freistellungsanspruchs auch an das Unternehmen möglich ist. Der BGH entschied, dass auch der D&O-Versicherungsnehmer, also das geschädigte Unternehmen selbst bzw. ein in den Versicherungsschutz einbezogenes Tochterunternehmen, den Bestimmungen aus den Versicherungsverträgen und aus § 108 Abs. 2 VVG unterfällt. Seit der VVG-Reform ist es auf Grundlage der Regelung des § 108 Abs. 2 VVG möglich, den Freistellungsanspruch der versicherten Person an einen Dritten abzutreten. In seinen Entscheidungen stellte der BGH klar, dass der D&O-Versicherungsnehmer Dritter im Sinne dieser Regelung sei. Diese Frage war zuvor umstritten. Die Abtretbarkeit des Anspruchs wurde teilweise mit dem Argument verneint, dass dadurch eine Missbrauchsgefahr hervorgerufen würde. Das geschädigte Unternehmen und das versicherte Leitungsorgan könnten kollusiv zum Nachteil der Versicherung zusammenwirken, um Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Versicherung zu schaffen.

Unmittelbarer Zahlungsanspruch der Unternehmen

Der BGH hielt dem entgegen, dass der Begriff des Dritten gemäß § 108 Abs. 2 VVG sämtliche Geschädigte erfasse, also auch den geschädigten Versicherungsnehmer. Durch die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Geschädigten wandele sich dieser Anspruch in einen Zahlungsanspruch gegen die Versicherung. Eine außergerichtliche schriftliche Inanspruchnahme reiche aus, um den Versicherungsfall auszulösen. Hingegen sei nicht erforderlich, wie in der Vorinstanz vom OLG Düsseldorf entschieden, dass eine wirksame Inanspruchnahme des versicherten Leitungsorgans nur gegeben sei, wenn eine persönliche Haftung der versicherten Person erfolgen solle.

Ernsthaftigkeit der Inanspruchnahme des Leitungsorgans keine Voraussetzung

Ferner führte der BGH aus, es stehe den geschädigten Unternehmen frei, ob sie das Leitungsorgan persönlich in Anspruch nehmen. Der Versicherungsfall werde daher auch ausgelöst, wenn das geschädigte Unternehmen den Versicherungsanspruch nur zum Zweck verfolge, auf den Deckungsanspruch aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung zuzugreifen. Die Ernsthaftigkeit der Inanspruchnahme der versicherten Person sei keine Voraussetzung.

Fazit: Die Urteile des BGH haben hohe praktische Bedeutung für D&O-Versicherungen, Unternehmen und deren Leitungsorgane. Sie führen in der Praxis zu einer deutlichen Erleichterung für Unternehmen, nach einem Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter die für diesen Fall abgeschlossene D&O-Versicherung in Anspruch zu nehmen. War diese Inanspruchnahme vor den BGH-Urteilen nur über den Umweg einer Klage gegen das Führungsorgan des Unternehmens möglich, kann das Unternehmen nun unmittelbar gegen die Versicherung aus abgetretenem Recht vorgehen und den Haftpflicht- und Deckungsprozess in einem Verfahren bündeln. Eine vorgerichtliche schriftliche Geltendmachung des Anspruchs bei dem Leitungsorgan ist ausreichend. Beruft sich der Versicherer darauf, die Inanspruchnahme des Leitungsorgans durch das Unternehmen sei nicht ernsthaft, muss der Versicherer dies darlegen und beweisen. Dies dürfte den Versicherern in der Regel nicht gelingen. Insgesamt sind die Entscheidungen des BGH zu begrüßen, da sie das Verhältnis von Versicherer, Unternehmen als Versicherungsnehmer und den versicherten Leitungsorganen klargestellt und eine bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt haben.

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