Zur Stabilisierung der Realwirtschaft in Zeiten der COVID-19-Pandemie haben Bundestag und Bundesrat mit dem Gesetz zur Errichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds vom 27. März 2020 („WStFG“) den Wirtschaftsstabilisierungsfonds („WSF“) als Sondervermögen errichtet. Dazu hat die Legislative das Finanzmarktstabilierungsgesetz und das Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (jetzt umbenannt (in Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz) aus der Finanzkrise erweitert und in Teilen neu gefasst; darunter zahlreiche Änderungen des Gesellschaftsrechts für Stabilisierungsmaßnahmen durch den WSF.
Stabilisierungsmaßnahmen unter dem WSF sind bis Ende 2021 möglich und sollen nach Willen des Gesetzgebers ultima ratio sein.
Der WSF verfolgt zwei Ziele:
Instrumente des WSF sind
Für alle drei Instrumente kann das BMF Durchführungsverordnungen erlassen, welche die Instrumente näher regeln, einschließlich Gegenleistung, Obergrenzen, Absicherung des Förderzwecks wie auch spätere Rückabwicklung der Förderungen. Nachdem die EU-Kommission am 8. Mai 2020 den Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für Beihilfen um detaillierte Regelungen für Rekapitalisierungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten erweitert und nachrangige Schuldtitel, Hybridanleihen, Genussrechte, stille Beteiligungen, Wandelanleihen und Anteilsübernahmen als Instrumente zugelassen hat, ist mit einer zeitnahen Freigabe der zum gegenwärtigen Zeitpunkt (11. Mai 2020) noch in Abstimmung befindlichen Durchführungsverordnungen des WSF zu rechnen, so dass der WSF seine Tätigkeit bald aufnehmen kann. Zu beachten ist zudem, dass von der EU-Kommission freigegebene Regelungen ab dem Schwellenwert von EUR 250 Mio. zudem der individuellen Notifizierung bedürfen und hierfür ein Zeitraum von mindestens vier Wochen eingeplant werden sollte.
Förderfähig sind Unternehmen, die
und die
Unternehmen müssen zudem die folgenden Voraussetzungen erfüllen:
Aufgrund der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen macht die EU-Kommission zudem (weitere) strikte Vorgaben für die Gewährung von Rekapitalisierungsmaßnahmen. Voraussetzungen sind:
Weitere Bedingungen für eine Rekapitalisierung von Unternehmen durch die Mitgliedstaaten sind:
Der Antrag auf Übernahme einer Förderung unter dem WSF ist beim BMWi einzureichen. Die genannten Antragsvoraussetzungen sind ausführlich zu begründen und ggf. mit Nachweisen zu versehen, um eine positive Entscheidung zu ermöglichen. Insbesondere ist dazulegen, warum eine als ultima ratio gedachte Fördermaßnahme erforderlich ist. Das Unternehmen muss demnach nachweisen, dass andere dem Unternehmen normalerweise zur Verfügung stehenden Instrumente ausgeschlossen sind. Sinnvoll ist es, proaktiv das Gespräch mit dem BMWi zu suchen. Anträge werden nach Abstimmung der Durchführungsverordnungen mit der EU-Kommission hier abgerufen und eingereicht werden können.
Das BMF entscheidet im gegenseitigen Einvernehmen mit dem BMWi über den Antrag auf Mittel aus dem WSF. Entscheidungskriterien sind:
Eine Förderung aus dem WSF liegt im Ermessen der Bundesregierung; es gibt keinen Anspruch auf Förderung. Die Bundesregierung muss ein wichtiges Interesse an der Stabilisierung des Unternehmens haben.
Eine Entscheidung der Bundesregierung kann mit Bedingungen und Auflagen versehen werden, die auch Einschnitte in unternehmerische Freiheiten bedeuten können (z.B. Auflagen zur Verwendung der Finanzmittel, Verpflichtung zum Erhalt von Arbeitsplätzen über einen festzulegenden Zeitraum, Vorgaben für Ausschüttungen des Unternehmens oder zur Vergütung etc.).
Das Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz sieht ergänzend zur Errichtung des WSF zahlreiche Erleichterungen u.a. des AktG oder des WpÜG vor. Diese gelten teilweise für Unternehmen allgemein sowie teilweise nur im Kontext einer konkreten Stabilisierungsmaßnahme durch den WSF. Das Gesetz erfasst nicht nur Aktiengesellschaften, sondern ist entsprechend auf andere Rechtsformen anwendbar. Die Erleichterungen betreffen (nicht abschließend):
Der Teufel steckt im Detail. So hat der Gesetzgeber mit seiner Anforderung an eine „klare eigenständige Fortführungsperspektive“ einen unbestimmten Rechtsbegriff gewählt. Es ist nicht geklärt, wie sich dieser Begriff zum insolvenzrechtlichen Begriff der positiven Fortführungsprognose verhält. Die „klare eigenständige Fortführungsperspektive“ dürfte jedoch ein Minus zur positiven Fortführungsprognose sein; zumindest jedoch wird erforderlich sein, dass eine Stabilisierungsmaßnahme (bei ex ante-Betrachtung sowie unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen der COVID-19-Pandemie) erfolgreich sein kann. Der Antrag könnte daher auch während der Abstimmung mit dem BMWi entsprechend der Entwicklung zu aktualisieren sein. Hilfreich dürfte es zudem sein, verschiedene Szenarien zu Dauer und Ausmaß der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in den Antrag aufzunehmen und daran die Höhe der beantragten Maßnahme zu knüpfen.
Bei Maßnahmen des WSF treffen zahlreiche Rechtsgebiete aufeinander. Beihilferecht, Gesellschaft- und Kapitalmarktrecht, Finanzierungs- und Steuerrecht, deren Zusammenspiel durch die verabschiedeten Erleichterungen noch komplexer geworden ist. Zur rechtskonformen Umsetzung einer Maßnahme sind alle diese Rechtsgebiete im Blick zu behalten, um spätere rechtliche Implikationen (Unwirksamkeit von getroffenen Maßnahmen eines Unternehmens, Rückzahlung aufgrund von Verstoßes gegen das Beihilferecht, nachträgliche Besteuerung etc.) auszuschließen. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Abstimmung der Durchführungsverordnungen (als Maßnahmen nach dem WSF) die EU-Kommission notifiziert, so dass Einzelnotifizierungen grundsätzlich nicht mehr erforderlich sind. Dabei ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass einzelne Maßnahmen mit großem Umfang dennoch individuell bei der EU-Kommission notifiziert werden, um Rechtssicherheit zu erlangen. Dieser Umstand ist bei der Zeitplanung zu berücksichtigen.
Auf unserer Themenseite finden Sie weitere, täglich aktualisierte Hinweise zur Corona-Krise.