14.04.2015Fachbeitrag

Update Compliance 10/2015

EuGH: Pflicht zur Ad-hoc-Mitteilung auch bei ungewissen Kursfolgen

Eine publizitätspflichtige Insiderinformation kann auch dann vorliegen, wenn sich noch nicht absehen lässt, ob sie den Kurs eines Finanzinstruments steigen oder fallen lässt. Ausreichend ist die Eignung, den Kurs überhaupt zu beeinflussen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jüngst entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall schloss eine französische Investmentgesellschaft mit vier Banken Verträge über „Total Return Swaps“. Deren Aktiva waren Aktien des Industriekonzerns Saint-Gobain, von denen die Banken 85 Millionen Stück erwarben. Die Investmentgesellschaft erhielt bei Abschluss der Verträge von den Banken finanzielle Hilfen in Höhe eines Gesamtbetrages, der dem Total Return Swap nahe kam. Durch dieses Geschäft war die Investmentgesellschaft wirtschaftlich an der Saint-Gobain, nicht aber an deren Kapital beteiligt. Drei Monate später erwarb die Investmentgesellschaft jedoch sukzessive 66 Millionen Aktien der Saint-Gobain.

Die französische Aufsichtsbehörde AMF warf der Investmentgesellschaft vor, von Anfang an eine Beteiligung am Kapital der Saint-Gobain geplant und zu diesem Zweck auch die Total Return Swaps abgeschlossen zu haben. Darüber habe sie früher informieren müssen. Der Vorstandsvorsitzende widersprach mit dem Einwand, bei Abschluss der Total Return Swaps sei gar nicht absehbar gewesen, ob diese Information den Aktienkurs steigen oder fallen lässt.

Der Sanktionsausschuss der französischen Aufsichtsbehörde AMF hat sowohl gegen die Investmentgesellschaft als auch gegen ihren Vorstandsvorsitzenden eine Geldbuße von jeweils 1,5 Mio. Euro verhängt. Die hiergegen erhobene Klage hat der Cour d’appel abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Vorstandsvorsitzende Kassationsbeschwerde bei dem Cour de cassation eingelegt, der die Sache ausgesetzt und dem EuGH vorgelegt hat.

Der EuGH hat entschieden, dass es nicht darauf ankomme, ob bei Abschluss der Total Return Swaps absehbar war, in welche Richtung sich der Kurs bei Bekanntwerden der Information bewegen würde.

Nach Ansicht des EuGH fehlt es einer Information nicht deshalb an Präzision, weil sich nicht absehen lässt, in welche Richtung die Kursbeeinflussung tendiert. Das folgt schon aus dem Wortlaut der Richtlinie. Nach Art. 1 der Richtlinie 2003/6/EG zum Marktmissbrauch ist eine Insiderinformation eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.

Maßgeblich stellt der EuGH auf den Zweck der Missbrauchsrichtlinie ab: Schutzgut sind die Integrität der Finanzmärkte und das Vertrauen der Anleger, das auch auf Informationsgleichheit beruht. Und eine exakte Einschätzung, in welche Richtung sich der Kurs entwickle, sei, so der EuGH, angesichts der Komplexität der Märkte ohnehin zu schwierig, als dass darauf verlässlich abgestellt werden könne. Das gäbe dem Besitzer der Insiderinformation zudem den Vorwand an die Hand, es habe hinsichtlich der Kursauswirkung Unsicherheiten gegeben.

Praxishinweis: Das Urteil stellt klar, dass grundsätzlich jede kursrelevante Information zu veröffentlichen ist – auch wenn nicht klar ist, in welche Richtung sich der Kurs bei Bekanntwerden der Information bewegt. Der EuGH begründet dies – wie bereits in vorangegangenen Entscheidungen – mit der Erforderlichkeit der Stärkung der Kapitalmarkttransparenz.

Die Entscheidung ist nicht nur maßgeblich für die Ad hoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG, sondern auch für die Auslegung der Insiderverbote des § 14 WpHG: Wer unter Verwendung einer Insiderinformation in den betroffenen Finanzinstrumenten Geschäfte tätigt, solche empfiehlt oder die Insiderinformation weitergibt, begeht mindestens eine empfindlich sanktionierte Ordnungswidrigkeit, teilweise sogar eine Straftat.

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