01.10.2014Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Oktober 2014

Gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ab 1. Januar 2015

Durch das Gesetz zu Stärkung der Tarifautonomie wird zum 1. Januar 2015 in der Bundesrepublik Deutschland ein flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro pro Zeitstunde eingeführt. Auch Arbeitgeber, die schon heute Löhne über dem Mindestlohn zahlen, müssen sich auf weitreichende Veränderungen einstellen.

Das Mindestlohngesetz (MiLoG) wirft eine Vielzahl komplexer Fragen auf, deren Darstellung den vorliegenden Rahmen übersteigen würde. Der vorliegende Beitrag beschränkt sich daher auf eine kursorische Darstellung einiger ausgewählter Problemkreise.

Vom Anwendungsbereich des MiLoG ist jeder Arbeitnehmer – auch der geringfügig Beschäftigte – erfasst. Praktikanten sind ebenfalls Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes (§ 22 MiLoG). Die für diesen Personenkreis in § 22 Abs. 1 MiLoG formulierten Ausnahmen werfen Fragen auf, die das Gesetz nicht beantwortet und die erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich bringen. So soll beispielsweise ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums nicht mit dem Mindestlohn zu vergüten sein. Ist der Mindestlohn bei einer Überschreitung der drei Monate ab dem 1. Tag oder erst ab dem 4. Monat zu zahlen?

Fälligkeit

Gemäß § 2 MiLoG ist der Mindestlohn zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens aber am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zur Zahlung fällig, vgl. § 2 MiLoG.

Anrechnung von Zulagen etc.

Insofern stellt sich die – vom Gesetz gleichsam unbeantwortete – Frage, welche Lohnbestandteile auf den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Zeitstunde angerechnet werden können. Überträgt man die bisher ergangene Rechtsprechung zum Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG), werden Zahlungen nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie nicht das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verändern, wenn durch sie die „Normalleistung“ vergütet wird. Jahressonderzahlungen werden demnach nur auf den Mindestlohn angerechnet, sofern sie monatlich und unwiderruflich gezahlt werden.

Vorsicht vor verdeckter Umgehung bei der Vertragsgestaltung

Vorsicht ist bei der Vertragsgestaltung geboten. So kann es durch die Vereinbarung einer festen monatlichen Vergütung oder unbezahlter Überstunden zu einer verdeckten Umgehung des vorgesehenen Mindeststundenlohns kommen. Eine Lösung dieses Problems könnte § 2 Abs. 2 MiLoG bieten, der eine Öffnungsklausel zu Gunsten von Arbeitszeitkonten enthält.

Dokumentationspflichten

Auf die Arbeitgeber kommen mit Inkrafttreten des MiLoG erhöhte Dokumentationspflichten zu. So ist für jeden geringfügig Beschäftigten, egal in welcher Branche er tätig ist, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen, § 17 Abs. 1 MiLoG. Diese Aufzeichnungen sind mindestens zwei Jahre ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. Die oben genannten Regelungen gelten ebenfalls für die in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereiche und Wirtschaftszweige (zum Beispiel Spedition, Transport, Logistik, Gebäudereinigung, Bauwirtschaft, Personenbeförderung) und für den Entleiher, der einen Leiharbeitnehmer in einer der oben genannten Branchen einsetzt.

Haftung gem. § 13 MiLoG

Eine in der Praxis bisher wenig beachtete Regelung ist § 13 MiLoG. Danach haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für die Verpflichtung dieses Unternehmers, der eingeschalteten Subunternehmer und Verleiher auf die Zahlung des Mindestlohns an die jeweiligen Arbeitnehmer. Wird also an Arbeitnehmer innerhalb der Auftragskette kein Mindestlohn gezahlt, können diese sich einen Auftraggeber innerhalb der Auftragskette aussuchen und von ihm den Mindestlohn verlangen. Der Inanspruchgenommene muss zahlen, ohne sich von dieser Haftung exkulpieren zu können.

§ 13 MiLoG als Auftraggeber- oder Generalunternehmerhaftung

Offen ist, ob es sich bei § 13 MiLoG um eine Auftraggeberhaftung oder in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu § 1a AEntG allein um eine Generalunternehmerhaftung handelt. In letzterem Fall würde nur derjenige haften, der sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit wiederum Subunternehmern bedient.

Abdingbarkeit, Verzicht, Verwirkung

Der Mindestlohnanspruch ist unabdingbar. Folglich finden arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen auf diesen Anspruch keine Anwendung. Ein Verzicht ist lediglich für bereits entstandene Ansprüche und dies nur durch gerichtlichen Vergleich möglich. Eine Verwirkung ist ausgeschlossen.

Ordnungswidrigkeit und Bußgeld

Auch unbeabsichtigte Verstöße gegen das MiLoG bergen erhebliche Haftungsrisiken. Denn zahlt der Arbeitgeber den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig, handelt er gem. § 21 MiLoG ordnungswidrig. Dies kann mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Gleiches gilt für den Arbeitgeber, der Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang durch einen anderen Unternehmer ausführen lässt, wenn dieser oder ein Subunternehmer den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt und der Auftraggeber dies wusste oder hätte wissen müssen. Auch die unterbliebene oder fehlerhafte Dokumentation ist bußgeldbewehrt.

Auswirkungen auf Vergabeverfahren

Die Verhängung eines Bußgeldes von wenigstens 2.500,00 Euro hat weitreichende Folgen, da betroffene Unternehmen gem. § 19 MiLoG für eine angemessene Zeit bis zur Wiederherstellung ihrer Zuverlässigkeit von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden sollen.

Strafbarkeit und (potentielle) persönliche Haftung

Nicht zuletzt ist die potentielle Strafbarkeit wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) zu beachten. Da sich die Höhe der abzuführenden Sozialabgaben nach dem geschuldeten Mindestlohn und nicht nach der tatsächlich gezahlten, niedrigeren Vergütung richtet, dürfte mit der Nichtzahlung des Mindestlohns auch die Nichtabführung von Sozialabgaben – mit der potentiellen persönlichen Haftung des Verantwortlichen – verbunden sein.

Fazit

Arbeitgeber sollten rechtzeitig vor Inkrafttreten des MiLoG prüfen, ob in allen Vertragskonstellationen die Zahlung des Mindestlohnes gewährleistet ist oder ob hinsichtlich der Arbeitsverträge bzw. der Zahlungsmodalitäten Anpassungsbedarf besteht. Dienst – und Werkverträge sollten ergänzt werden, um das Risiko einer Haftung gem. § 13 MiLoG zu minimieren, zum Beispiel durch die Aufnahme von Freistellungsvereinbarungen.

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