06.09.2017Fachbeitrag

Update Compliance 20/2017

Großbritannien führt Unternehmensstrafe für Steuerhinterziehung ein

Am 30. September 2017 treten in Großbritannien zwei neue Straftatbestände in Kraft, die die Sanktionierung in- und ausländischer Gesellschaften für Steuervergehen erlauben. Die beiden neuen „ Corporate Offences of Failure to Prevent Facilitation of Tax Evasion (CCO)” ermöglichen die Sanktionierung britischer wie auch ausländischer Unternehmen mit Geldbußen in unbestimmter Höhe. Voraussetzung ist, dass eine mit dem Unternehmen verbundene Person (sog. assoziierte Person) eine Steuerstraftat ermöglicht oder fördert.

Hintergrund

Die beiden neuen Straftatbestände sind Teil des am 27. April 2017 verabschiedeten Criminal Finance Act 2017. Bislang war es in Großbritannien nur unter engen Voraussetzungen möglich, Unternehmen zu sanktionieren, wenn ihre Mitarbeiter Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben. Die neuen Straftatbestände erlauben es den britischen Behörden, auch dann Strafen gegen Unternehmen zu verhängen, wenn eine konkrete Beihilfehandlung nicht nachgewiesen werden kann.

Corporate Offences of Failure to Prevent Facilitation of Tax Evasion (CCO)

Einer der beiden Straftatbestände richtet sich an sämtliche Unternehmen, unabhängig von ihrem Gesellschaftssitz, die britische Steuern hinterzogen haben, sog. Inlandsvariante. Der andere Tatbestand, die sog. Auslandsvariante, wiederum ist nur einschlägig, wenn ein Unternehmen mit Bezug zu Großbritannien ausländische Steuern hinterzieht.

Beide Straftatbestände, die sowohl auf Kapital- als auch Personengesellschaften Anwendung finden, haben zwei Tatbestandsvoraussetzungen gemeinsam:

  • Es liegt eine Steuerhinterziehung vor (nicht ausreichend ist eine legale Steuervermeidung), und
  • eine mit dem Unternehmen assoziierte Person („associated person“) muss die Straftat in strafrechtlich relevanter Weise ermöglicht oder gefördert haben. Der Kreis der assoziierten Personen ist weit gefasst und bezieht neben Mitarbeitern, Unternehmensvertretern und sonstigen Dritten, die für oder im Auftrag des Unternehmens tätig werden, auch juristische Personen wie beispielsweise Tochter- oder sonstige Konzerngesellschaften mit ein.

Zudem setzt die sog. Auslandsvariante voraus, dass das zu sanktionierende Unternehmen einen Bezug zu Großbritannien aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen nach britischem Recht gegründet wurde oder dort ansässig ist, es eine Betriebsstätte in Großbritannien ausübt oder dort Geschäftsaktivitäten entfaltet oder wenn der Tatbeitrag zu der Hinterziehung ausländischer Steuern in Großbritannien erbracht wurde. Darüber hinaus muss die Steuerhinterziehung sowohl nach britischem Recht als auch nach dem Recht des Drittstaates strafbar sein.

Geltung auch für deutsche Unternehmen

Die beiden in Kürze in Kraft tretenden britischen Straftatbestände sind weder sachlich noch territorial auf Großbritannien beschränkt. Sie treffen alle –  etwa auch deutsche – Unternehmen, sofern diese Geschäftsbeziehungen in Großbritannien oder zu britischen Unternehmen pflegen. Das bringt deutsche Unternehmen in die Gefahr, sich sowohl  nach deutschem als auch nach britischem Recht sanktionierbar zu machen. (Zwar gilt innerhalb des Schengen-Raums das Doppelbestrafungsverbot, Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens. Dieses kennt aber – u. a. bei grenzüberschreitenden Delikten – gewisse Ausnahmen, sodass eine parallele Sanktionierung in beiden Staaten durchaus in Betracht kommt.)

Tax-Compliance-Management-System als Präventionsmaßnahme

Sowohl vor der Verbandsgeldbuße nach deutschem Recht (§ 30 OWiG) als auch vor der britischen Geldstrafe können sich Unternehmen durch Tax-Compliance-Maßnahmen schützen.

Liegt ein Verstoß vor, können sich Unternehmen durch den Nachweis, ausreichende Präventionsmaßnahmen ergriffen zu haben, exkulpieren. Nach dem Vorbild des UK Bribery Act entfällt die Strafbarkeit eines Unternehmens für die Steuerhinterziehung, die eine assoziierte Person ermöglichte oder förderte allerdings nur, wenn das Unternehmen bereits zum Tatzeitpunkt Maßnahmen ergriffen hatte, die geeignet sind, ein Fehlverhalten der assoziierten Personen zu verhindern. Welche Präventionsmaßnahmen grundsätzlich geeignet sind, ein Unternehmen zu exkulpieren, ergibt sich aus einem Leitfaden der britische Finanzverwaltung. Diese hat sechs Prinzipen aufgestellt, die von den Unternehmen zu erfüllen sind:

  • Unternehmen müssen Risikofaktoren identifizieren; entsprechendes gilt für Anreize der assoziierten Personen, Steuerhinterziehung zu fördern oder zu ermöglichen. Als besonders risikobehaftet werden bereits die Bereiche Finanzdienstleistungen, Steuerberatung und Rechtsabteilung genannt.
  • Die geforderten Präventionsmaßnahmen müssen in einem angemessen Verhältnis zu den identifizierten Risiken stehen und stets fortentwickelt werden.
  • Die Unternehmensleitung muss im Rahmen einer Nulltoleranzpolitik die präventiven Maßnahmen vorleben.
  • Die im Geschäftsverkehr erforderliche Sorgfalt bestimmt sich nach den identifizierten Risiken.
  • Es bedarf einer effektiven Unternehmenskommunikation, auch in Form von Schulungen der assoziierten Personen. Darüber hinaus wird gefordert, dass Whistleblowern die erforderlichen Kanäle zur Verfügung gestellt werden.
  • Stetige Überwachung und Weiterentwicklung des bereits implementierten Systems.

Praxishinweis

Für das deutsche Recht hat der Bundesgerichtshof jüngst klargestellt, dass bestehenden, aber auch noch im Zuge eines Verfahrens optimierten Compliance-Management-Systemen eine bußgeldmindernde Wirkung zukommt (Update Compliance 18/2017). Ein effektives Compliance Management System umfasst auch die Vermeidung von steuerlichen Verfehlungen im In- und Ausland. In Zeiten leerer kommunaler Kassen wird Steuerhinterziehung anders als in der Vergangenheit nicht mehr als Kavaliersdelikt gesehen, sondern streng verfolgt. In Deutschland herrscht spätestens seit dem sog. Straftaxenurteil des Bundesgerichtshofs ein schärferer Wind, Großbritannien senkt mit der vorliegenden Gesetzesänderung die Hürden für eine Sanktionierung von Unternehmen.

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