13.07.2015Fachbeitrag

Newsletter IP, Media & Technology Juli 2015

Handel mit Gebrauchtsoftware: Rechtsprechung präzisiert Zulässigkeitsvoraussetzungen

Der Handel mit sog. Gebrauchtsoftware, also der Weiterverkauf nicht (mehr) benötigter Software-Lizenzen durch den Ersterwerber an einen Zweiterwerber zu regelmäßig stark reduzierten Preisen, ist ein Dauerbrenner in der IT-rechtlichen Diskussion der letzten Jahre. Bekanntlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem „UsedSoft“-Urteil vom 3. Juli 2012 den Handel mit Gebrauchtsoftware für grundsätzlich zulässig erklärt, unabhängig davon, ob die Programmkopie vom Ersterwerber auf einem physischen Datenträger oder lediglich digital (z. B. per Download) erworben wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) ist diesem EuGH-Urteil in seiner anschließenden „UsedSoft II“-Entscheidung vom 17. Juli 2013 gefolgt und hat die Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Handel mit Gebrauchtsoftware präzisiert. Zwischenzeitlich hatte die Rechtsprechung Gelegenheit, weitere Fragen des Handels mit Gebrauchtsoftware zu klären.

Urheberrechtlicher Kern der Auseinandersetzung

Hintergrund der Auseinandersetzung um den Handel mit Gebrauchtsoftware ist die Frage, ob Software als digitales Gut genauso zu behandeln ist wie beispielsweise Autos oder Bücher, die von ihren Ersterwerbern ohne Weiteres (gebraucht) weiterverkauft werden können. Bei Autos folgt diese Berechtigung aus dem Eigentum des Ersterwerbers an der physischen Sache Auto. Bei Büchern, die außerdem urheberrechtlich geschützt sind, bedarf es einer zusätzlichen urheberrechtlichen Legitimation. Diese findet sich im sog. urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, nach dem das Recht des Urhebers an der Verbreitung des geschützten Werks oder eines (physischen) Vervielfältigungsstückes – hier des Buchs – erlischt, sobald dieses erstmals rechtmäßig, d. h. mit seiner Zustimmung, in den Verkehr gebracht worden ist, hier das Buch also erstmals verkauft wurde. Damit soll die freie Zirkulierbarkeit einmal rechtmäßig in den Verkehr gebrachter urheberrechtlich geschützter Werke bzw. (physischer) Vervielfältigungsstücke gewährleistet werden. Bei Software hingegen, die ebenfalls regelmäßig dem Urheberrechtsschutz unterliegt, ist das Eingreifen des urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes nicht in jedem Fall klar. Während bei auf Datenträgern physisch verkörperter Software die Parallele zu Büchern offenkundig ist, ist das bei Software, die lediglich digital (z. B. per Download über das Internet) vertrieben wird, fraglich. Beim Handel mit Gebrauchtsoftware geht es somit im Kern um die Frage, ob sich der Zweiterwerber auch in den Fällen auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen kann, in denen die Programmkopie vom Ersterwerber nicht  auf einem Datenträger (z. B. einer DVD oder CD-ROM) erworben wurde, sondern lediglich digital (z. B. durch Herunterladen von der Website des Softwareherstellers).

Grundsätzliche Zulässigkeit des Handels mit Gebrauchtsoftware

In dem zu dieser Frage geführten Grundsatzrechtsstreit zwischen dem Softwarehersteller Oracle und dem Gebrauchtsoftware- Händler UsedSoft hatte der BGH in seinem Vorlagebeschluss zum EuGH vom 3. Februar 2011 (sog. „UsedSoft I“-Entscheidung) noch der bis dahin herrschenden, von den Softwareherstellern vertretenen Auffassung zugeneigt, dass aufgrund des Fehlens eines physischen Vervielfältigungsstücks der Software kein Anknüpfungspunkt für den Tatbestand der Erschöpfung gemäß § 69c Nr. 3 Satz 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) bzw. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG (sog. Softwarerichtlinie) bestehe. Hiervon abweichend und etwas überraschend hat der EuGH in seinem „UsedSoft“-Urteil vom 3. Juli 2012 entschieden, dass der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz nach Art. 4 Abs. 2 der Softwarerichtlinie grundsätzlich auch dann anwendbar sei, wenn der Ersterwerber die Programmkopie mit Zustimmung des Softwareherstellers aus dem Internet heruntergeladen habe. Voraussetzung für Art. 4 Abs. 2 der Softwarerichtlinie sei lediglich ein „Erstverkauf“ der Programmkopie, wofür es genüge, dass der Softwarehersteller dem Ersterwerber gegen Entgelt ein zeitlich unbeschränktes Nutzungsrecht einräume und eine Programmkopie der Software zur Verfügung stelle. Zwischen dem Verkauf eines physischen Datenträgers und dem entgeltlichen Download einer Programmkopie bestehe wirtschaftlich kein Unterschied. Der Zweiterwerber der Software(-lizenz) sei daher als rechtmäßiger Erwerber einer Programmkopie gemäß Art. 5 Abs. 1 der Softwarerichtlinie (= § 69d Abs. 1 UrhG) zur bestimmungsgemäßen Benutzung der Software einschließlich hierzu notwendiger Vervielfältigungen berechtigt.

Präzisierung durch „UsedSoft II“-Entscheidung des BGH

Der BGH ist diesem EuGH-Urteil in seiner anschließenden „Used-Soft II“-Entscheidung vom 17. Juli 2013 unter Verweis auf dessen Verbindlichkeit gefolgt, hat allerdings die Uulässigkeitsvoraussetzungen für den Weiterverkauf nur digital erworbener Software präzisiert. Erschöpfung gemäß § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG trete nur ein, wenn erstens der Urheberrechtsinhaber beim Erstverkauf die Möglichkeit gehabt habe, ein wirtschaftlich angemessenes Entgelt für die Programmkopie zu verlangen, wobei es unerheblich sei, ob er ein solches auch erzielt habe. Zweitens müsse dem Ersterwerber ein zeitlich unbefristetes Nutzungsrecht eingeräumt worden sein. Bei nur mietweise zur Verfügung gestellter Software ist ein Weiterverkauf also nicht zulässig, was auch für Application Service Providing (ASP), Software as a Service (SaaS) oder ähnliche Mietmodelle gilt. Drittens müssten Verbesserungen und Aktualisierungen der weiterverkauften Software von einem wirksamen, zwischen dem Ersterwerber und dem Urheberrechtsinhaber geschlossenen Wartungsvertrag abgedeckt sein. Schließlich müssten viertens der Ersterwerber und ggf. der Gebrauchtsoftware-Händler ihre Programmkopien unbrauchbar machen. All diese Voraussetzungen für den Eintritt der Erschöpfung seien vom Zweiterwerber bzw. dem Gebrauchtsoftware- Händler darzulegen und zu beweisen. Was das Erfordernis der „Weitergabe“ einer Programmkopie an den Zweiterwerber angeht, lässt es der BGH ausreichen, wenn sich dieser die Programmkopie nochmals von der Website des Softwareherstellers herunterladen kann. Erhält der Zweiterwerber unter Erfüllung dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen eine „erschöpfte“ Programmkopie, ist er laut BGH auf Basis des gesetzlichen Nutzungsrechts gemäß § 69d Abs. 1 UrhG zur bestimmungsgemäßen Nutzung im Umfang des zwischen dem Urheberrechtsinhaber und dem Ersterwerber geschlossenen Lizenzvertrags berechtigt. Somit wirken sich Nutzungsbeschränkungen im ursprünglichen  Lizenzvertrag (wie z. B. Beschränkungen auf eine bestimmte Anzahl von Concurrent- oder Named-Usern) auf die Nutzungsberechtigung des Zweiterwerbers aus. Daher verlangt der BGH, dass dem Zweiterwerber der ursprüngliche Lizenzvertrag (in Kopie) zur Verfügung gestellt wird.

BGH: Auch die Aufteilung von Volumenlizenzen ist grundsätzlich zulässig

Durch ein weiteres Urteil des BGH vom 11. Dezember 2014 ist nunmehr auch geklärt, dass Software-Volumenlizenzen aufgeteilt und einzeln an Zweiterwerber weiterverkauft werden dürfen, wenn es dadurch insgesamt nicht zu einer Erhöhung der Anzahl der Lizenzen kommt. Damit hat der BGH ein entsprechendes Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2012 bestätigt. Diesem lag eine Klage des Softwareherstellers Adobe gegen den Gebrauchtsoftware-Händler UsedSoft zugrunde, der von einer Bildungseinrichtung 40 (Einzelplatz-) Lizenzen einer Adobe- Software angekauft und diese einzeln weiterverkauft hatte. Die Bildungseinrichtung hatte die 40 (Einzelplatz-) Lizenzen zuvor im Rahmen eines Volumenlizenzvertrags erworben. Trotz einheit- licher Seriennummer und Rabattierung des Software-Erwerbs unter dem Volumenlizenzvertrag hatte das OLG Frankfurt am Main die Aufteilung der 40 Lizenzen in Einzellizenzen sowie deren separaten Weiterverkauf als zulässig angesehen. Auch bei einem rabattierten Volumenlizenzvertrag habe der Softwarehersteller die Möglichkeit, ein wirtschaftlich angemessenes Entgelt zu erzielen. Ferner war für das OLG Frankfurt am Main maßgeblich, dass durch die Aufteilung der Volumenlizenzen die Anzahl der Lizenzen insgesamt nicht erhöht wurde. Ungeachtet der einheitlichen Seriennummer bestanden im streitgegenständlichen Sachverhalt von vorneherein unstreitig 40 einzeln installierbare Lizenzen. Insofern widerspricht die Entscheidung auch nicht dem „UsedSoft“-Urteil des EuGH, das den Weiterverkauf gebrauchter Software im Fall der Aufspaltung einheitlicher Volumenlizenzen ausgeschlossen hatte. Denn im dortigen Verfahren war eine Client-Server-Software-Volumenlizenz streitgegenständlich, deren Aufspaltung eine mindestens zweimalige Installation der Server-Komponente und damit eine Erhöhung der Lizenz-Anzahl nach sich gezogen hätte.

LG Hamburg: Vertrieb von Gebrauchtsoftware ohne Originalverpackung markenrechtlich Zulässig

Bemerkenswert im Zusammenhang mit dem Handel von Gebrauchtsoftware ist auch ein Urteil des LG Hamburg vom 21. Januar 2015. In der zugrundeliegenden Klage hatte sich ein Softwarehersteller dagegen gewandt, dass ein Wiederverkäufer seine Marken-Software (CD-ROM) ohne die zugehörige Originalverpackung weitervertreibt. Das LG Hamburg entschied, dass die Entfernung der Originalverpackung den Softwarehersteller nicht dazu berechtige, sich nach § 24 Abs. 2 Markengesetz (MarkenG) auf einen Ausschluss der Erschöpfung seiner Markenrechte wegen unzulässiger Veränderung des von ihm in Verkehr gebrachten Produkts zu berufen. Bei Software sei anders als z. B. bei Arzneimitteln oder Kosmetika die Originalverpackung nicht wesentlich für das Produkt.

Fazit

Die Rechtsprechung hat die Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Handel mit Gebrauchtsoftware weiter präzisiert. Für Erwerber gebrauchter Software gilt es, diesen komplexen Voraussetzungen gerecht zu werden. Softwarehersteller hingegen werden bestrebt sein, ihre Vertriebsmodelle den neuen Gegebenheiten anzupassen.

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