15.11.2013Fachbeitrag

Update Compliance Nr. 157

Justizministerkonferenz beschließt Unternehmensstrafe

Die Landesjustizminister haben am 14. November 2013 beschlossen, den Gesetzentwurf zur Einführung einer Unternehmensstrafe weiterzuverfolgen. Der vom nordrhein-westfälischen Justizminister vorgelegte Entwurf eines „Verbandsstrafgesetzbuchs“ sieht eine Kriminalstrafe für Unternehmen bei Verfehlungen von Leitungspersonen vor. Zudem droht der Ausschluss von öffentlichen Vergaben und Subventionen; bei beharrlicher Zuwiderhandlung sollen Unternehmen auch aufgelöst werden können.

Der Entwurf wird u. a. damit begründet, dass es in Deutschland keine Möglichkeit gebe, Unternehmen zu sanktionieren und dass daher Mitarbeiter nur als „Bauernopfer“ verurteilt würden. Dies steht im Widerspruch zur aktuellen Rechtslage: Mit der Verbandsgeldbuße und dem Verfall existieren bereits empfindliche Sanktionen gegen Unternehmen – auch wenn es sich dabei nicht um Strafen im engeren Sinne handelt. Sie stellen nicht lediglich „ein überschaubares Risiko“ dar, wie in Stellungnahmen aus dem Düsseldorfer Justizministerium zu lesen ist.

Rechtsdogmatische Kritik und Zweifel an der Erforderlichkeit eines „Verbandsstrafgesetzbuchs“

Die Gesetzesinitiative steht in vielerlei Hinsicht in der Kritik (dazu Finance-Magazin vom 17.10.2013). Vorgetragen werden zunächst dogmatische Bedenken: Eine Kriminalstrafe gegen Unternehmen widerspricht der Grundvorstellung des deutschen Strafrechtssystems, dass Bestrafung Schuld – also persönliche Vorwerfbarkeit – voraussetzt.

In Frage steht auch, ob die vorgeschlagene Einführung einer flexiblen Höchststrafe von 10% des Umsatzes überhaupt sinnvoll ist. Die nach derzeitigem Recht geltende Höchstgrenze einer Verbandsgeldbuße von 10 Mio. Euro zuzüglich der Abschöpfung des durch die Straftat erlangten Gewinns dürfte in den allermeisten Fällen deutlich ausreichen, um eine angemessene Sanktionierung zu finden. Dasselbe gilt für den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen oder Subventionen – derartige Regelungen existieren mit den Zuverlässigkeitsprüfungen im öffentlichen Wirtschaftsrecht bereits heute.

Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht besteht Anlass zu Kritik: Die vorgeschlagene Einführung eines selbständigen Hauptverfahrens mit dem Unternehmen als „Angeklagtem“ nach den Regeln der Strafprozessordnung würde dazu führen, dass in Bezug auf ein und denselben Sachverhalt zukünftig zwei Strafverfahren – eines gegen das Unternehmen und eines gegen die verantwortlichen Mitarbeiter – geführt werden müssten. Das ist ineffektiv, weil es zu einer Doppelbelastung nicht nur der Unternehmen und seiner Mitarbeiter, sondern auch der Justiz führt.

Zudem regelt der Entwurf nicht, wie sich die vorgeschlagenen Verbandssanktionen mit der derzeit – und auch fortan – geltenden Verbandsgeldbuße und dem Verfall vertragen sollen.

Compliance-Bemühungen sollen sich lohnen

Der Entwurf enthält aber auch positive Ansätze: Von Strafe soll abgesehen werden können, wenn das Unternehmen Compliance-Maßnahmen getroffen hat, um vergleichbare Verfehlungen in Zukunft zu vermeiden, oder wenn es durch freiwilliges Offenbaren wesentlich zur Aufklärung beigetragen hat.  Ähnliche Ansätze finden sich bereits im aktuellen Bußgeldrecht. Die Gesetzesbegründung zur 8.GWB-Novelle macht dies deutlich: Danach soll es sich für das Unternehmen als sanktionsmildernd auswirken, wenn die der Verbandsgeldbuße zugrundeliegende Mitarbeiterstraftat trotz eines ansonsten funktionierenden Compliance-Systems begangen wurde (dazu Finance-Magazin vom 28.08.2013).

Fazit

Es hätte dem Entwurf gut zu Gesicht gestanden, die Friktionen im derzeitigen Recht zu beseitigen, etwa die Frage, wie sich Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG und Verfall nach den §§ 73 ff. StGB zueinander verhalten, oder wie das „Erlangte“ beim Verfall zu bestimmen ist. Die Initiative aus dem nordrhein-westfälischen Justizministerium beschränkt sich hingegen darauf, neues Recht schaffen zu wollen, das weder inhaltlich noch verfahrensrechtlich in das bestehende Rechtssystem passt.

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