30.10.2020Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Oktober 2020

(Kein) Anspruch auf Homeoffice oder Einzelbüro

ArbG Augsburg, Urteil vom 7. Mai 2020, 3 Ga 9/20

Auch ein Attest hilft nicht: Arbeitnehmer können trotz Corona weder verlangen, ihre Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu erbringen, noch ein Einzelbüro für sich beanspruchen.

Ein vom Arbeitnehmer vorgelegtes ärztliches Attest, wonach dieser als sogenannter „Risikopatient“ eingestuft wurde, begründet keine (gesetzliche) Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ein Einzelbüro zur Verfügung zu stellen oder ihm die Arbeit aus dem Homeoffice zu gestatten. Arbeitgebern steht hinsichtlich des Wie beim Corona-Schutz und einer damit verbundenen ärztlichen Empfehlung ein Ermessensspielraum zu. 

SACHVERHALT 

Die Parteien streiten um die vom Arbeitnehmer geltend gemachte Forderung hinsichtlich der Gestattung seiner Tätigkeit aus dem Homeoffice bzw. seiner hilfsweise geltend gemachten Forderung auf die Zuteilung eines Einzelbüros am Sitz seines Arbeitgebers. 

Der 63-jährige Arbeitnehmer ist bei der Beklagten als Jurist beschäftigt und teilt sich sein Büro mit seiner Assistentin. Nachdem er seinem Arbeitgeber ein ärztliches Attest vorgelegt hatte, forderte er diesen auf, ihm künftig, solange für ihn eine Infektionsgefahr mit Sars-CoV-2 bestehe, die Erbringung seiner Tätigkeit aus dem Homeoffice zu gestatten oder hilfsweise, soweit dies aus organisatorischen Gründen nicht gehe, ihm ein Einzelbüro zur Verfügung zu stellen.

Der Arbeitgeber lehnte die Forderung des Arbeitnehmers ab. Aus seiner Sicht bestehe weder ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Homeoffice noch auf die Zuteilung eines Einzelbüros.  

ENTSCHEIDUNG 

Die Klage des Arbeitnehmers hatte keinen Erfolg. 

Das Arbeitsgericht Augsburg ist der Auffassung, dass es keinen (gesetzlichen) Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz an seinem Wohnsitz (Homeoffice) oder auf Zuteilung eines Einzelbüros am Sitz des Arbeitgebers gebe. Ein solcher Anspruch könne sich allenfalls aus einer vertraglichen Vereinbarung ergeben. Eine solche liege jedoch im hiesigen Fall nicht vor. 

Zwar sei der Arbeitgeber nach § 618 BGB verpflichtet, erforderliche Schutzmaßnahmen zugunsten des Arbeitnehmers zu ergreifen, es obliege jedoch allein dem Arbeitgeber, wie er seine Verpflichtungen aus § 618 BGB einhalte und sie ermessensgerecht durch entsprechende Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechtes umsetze, um den hausärztlichen Empfehlungen des Arbeitnehmers zu entsprechen. Sofern der Arbeitgeber entsprechende Schutzvorkehrungen treffe, könne er dieser Verpflichtung daher auch durch Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem Büro mit mehreren Personen nachkommen. 

PRAXISTIPP

Selbst nach Vorlage eines ärztlichen Attests können Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern – ohne das Bestehen einer vertraglichen Vereinbarung – nicht verlangen, ihre Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu erbringen. 

Arbeitgeber müssen jedoch insbesondere nach Vorlage eines ärztlichen Attests geeignete Schutzmaßnahmen treffen, die das Risiko einer Ansteckungsgefahr für sogenannte „Risikopatienten“ verhindern oder mindern können. Sofern Arbeitnehmer in einem Büro mit mehreren Personen arbeiten, kann dies z. B. durch das Aufstellen von (durchsichtigen) „Schutzschildern“, die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln sowie einer Lüftungsanordnung des Arbeitgebers (ständig gekippte Fenster) geschehen. 

Arbeitnehmer können von ihren Arbeitgebern folglich weder einen „absoluten Schutz“ noch eine bestimmte bzw. „die bestmöglichste“ Maßnahme verlangen. Diesem Grundsatz entsprechend haben in der Vergangenheit bereits unterschiedliche Gerichte, auch in anderen Fällen – wie z. B. hinsichtlich eines fehlenden Anspruch des Arbeitnehmers auf einen „rauchfreien Arbeitsplatz“ – entschieden (VG Freiburg 18. Mai 1978, VS. V 117/77; LAG Hessen 13. Juni 1994, 10 Sa 1019/93; BAG 10.05.2016, 9 AZR 347/1).

Der Arbeitgeber kann Homeoffice/mobiles Arbeiten hingegen – auch wenn dies vertraglich nicht vereinbart ist – unter Umständen einseitig anordnen; insofern gilt § 106 GewO (Weisungsrecht des Arbeitgebers). Er muss dann aber sicherstellen, dass der Arbeitnehmer über technisches Equipment und Connectivity verfügt und seine Wohnung auch tatsächlich zum Arbeiten verwenden darf.

Sofern Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum regelmäßig im Homeoffice beschäftigen wollen, ist der Abschlusses einer gesonderten Homeoffice-Vereinbarung, welche insbesondere die folgenden Punkte regelt, ratsam:

  • Konkretisierung des Arbeitsorts,
  • Arbeitszeit (Dauer und Lage, Zeiterfassung),
  • Einrichtung des häuslichen Arbeitsplatzes (Anforderungen: insb. Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, Nutzung privater bzw. geschäftlicher Arbeitsmittel, Einhaltung der daten- und geheimnisschutzrechtlichen Vorschriften),
  • Haftung (insb. Regelung hinsichtlich des Abschlusses erforderlicher Versicherungen),
  • Kontroll-, Zugriffs- und Zugangsrechte des Arbeitgebers, 
  • Beendigung des Homeoffice.
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