21.07.2015Fachbeitrag

Newsletter IP, Media & Technology Juli 2015

LG Köln: Zum Schadensersatz bei Umlizenzierung einer Open Source-Software

LG Köln, Urteil vom 17.7.2014 (Az. 14 O 463/13)

Leitsätze der Redaktion

  1. Wer eine Software, die unter der GNU General Public License lizenziert ist, weiterentwickelt und die Weiterentwicklung unter der GNU Lesser General Public License weiter lizenziert, verstößt gegen die Ursprungslizenz. Nach Ziff. 9 GPLv2 / Ziff. 14 GPLv3 darf bei einer Umlizenzierung nur eine andere Lizenzversion desselben Typs gewählt werden, nicht ein anderer Lizenztyp.
  2. Der aus einer solchen unzulässigen Nutzung resultierende Schadensersatzanspruch kann die Herausgabe des Verletzergewinns zum Gegenstand haben, zu dem auch indirekte Finanzierungsquellen aus Kunden-, Service- und Supportleistungen gehören können.

Anmerkung

Das LG Köln hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Open Source-Software weiterentwickelt und unter eine andere Lizenz gestellt wurde. Streitgegenständlich war die Software nopCommerce, eine beliebte Allround-Lösung für Webshops, die unter der GNU General Public License Version 3.0 („GPLv3“) steht und daher kostenfrei genutzt und weiterentwickelt werden kann, solange die Voraussetzungen der Lizenz erfüllt werden. Der Beklagte stellte seine Weiterentwicklung auch der Öffentlichkeit zur Verfügung, allerdings unter einer anderen Lizenz, nämlich der GNU Lesser General Public License Version 3.0 („LGPLv3“). Damit liegt ein Verstoß gegen die GPLv3 vor, welcher auch zu Schadensersatzansprüchen führt.

Der „Copyleft-Effekt“ und die Weiterentwicklung von Open Source-Software

Kernelement sämtlicher Open Source-Lizenzen der GPL-Familie ist der sogenannte Copyleft-Effekt. Dieser zwingt einerseits im Rahmen der Distribution zur Offenlegung des Quellcodes der jeweiligen Software. Andererseits verpflichten die Lizenzen dazu, jede Weiterentwicklung, die als ein Programm basierend auf („based on“) der Ursprungssoftware gilt, vollständig der Ursprungslizenz – und nicht einer beliebigen anderen Open Source-Lizenz – zu unterstellen. Wann genau ein Code basierend auf einer Ursprungssoftware ist, kann im Einzelfall sehr schwer zu beurteilen sein. Klärende Rechtsprechung gibt es hierzu bislang – weltweit – leider nicht. Auch das LG Köln hatte in dem vorliegenden Fall keine Gelegenheit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, denn der Beklagte hatte nicht versucht, die ursprüngliche Software nur als ein separates und unabhängiges Element mit einer neuen eigenständigen Software zu kombinieren. Damit lag eindeutig eine Weiterentwicklung vor.

„Or any later version“ bezieht sich nur auf den jeweiligen Lizenztyp

Gelegentlich werden Open Source-Lizenzen einer Revision unterzogen und in neuen Versionen herausgegeben. So wurde 2007 nach langen Debatten die jeweils dritte Version der von 1991 stammenden GPLv2 und LGPLv2 verabschiedet. Nach strenger Auslegung des Copyleft-Effekts wäre es nicht möglich, die nächste Entwicklung von GPL/LGPL-Software der nächsten Lizenzversion zu unterstellen. Die Verpflichtung, alle neuen Entwicklungen exakt unter den Lizenztext der Ursprungssoftware zu stellen, verhindert den Wechsel von Lizenzen. Dieses Problem wurde allerdings in den Lizenztexten von 1991 bereits berücksichtigt. Ziff. 9 GPLv2 und Ziff. 14 GPLv3 gestatten den Wechsel auf eine höhere Lizenzstufe, wenn der Urheber der Ursprungssoftware an dem Lizenztext den sogenannten „or any later version“-Vermerk angebracht hat. Der Beklagte wollte diese Regelung auch auf den Wechsel von einer GPL-Version zur LGPLv3 anwenden. Das LG Köln stellte nun klar, dass nur die Wahl einer späteren Lizenz innerhalb des gleichen Lizenztyps möglich ist. Dafür spricht vor allem die unterschiedliche Konzeption hinter den Lizenztypen: Der Copyleft-Effekt der LGPL
ist bei weitem geringer ausgeprägt und enthält im Vergleich zur GPL mehr Ausnahmen. Mit diesem Argument hat das LG Köln zu Recht angenommen, dass ein Wechsel von einer GPLVersion auf eine LGPL-Lizenz eine unzulässige Nutzung gemäß § 69c UrhG darstellt.

Zum Schadensersatz: Bislang nur LG Bochum zur Lizenzanalogie

Bislang wurde in Deutschland nur in einem Urteil dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung einer Open Source-Lizenz zugesprochen: Vor dem LG Bochum (Az.: I-8 O 293/09) machte der Kläger in einem ähnlich gelagerten Fall aufgrund der Verletzung der LGPL einen Schadensersatzanspruch geltend, den er nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnete. Das LG Bochum sprach den Schadensersatzanspruch zu. Dabei können dem Konzept der Lizenzanalogie im Bereich von Open Source-Lizenzen auch gewichtige Argumente entgegengehalten werden. Denn das Konzept der Lizenzanalogie beruht auf der Frage, für welchen Preis eine vergleichbare Lizenz für eine ähnliche Software hätte erworben werden können. Da Open Source-Software per Definition kostenlos zur Verfügung gestellt wird, kann auch argumentiert werden, dass die Berechnung des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ins Leere läuft. Das LG Bochum beschäftigte sich nur sehr kurz mit diesem Einwand und wischte ihn mit rein praktischen Erwägungen fort: Die Urheber von Open Source Software seien ansonsten „praktisch rechtlos gestellt“. Dogmatisch präziser wäre es gewesen, zunächst festzustellen, dass die LGPLv2 eben nicht kostenlos sämtliche Handlungen gestattet. Eine vergleichbare Lizenz wäre daher nicht kostenlos gewesen. Aber auch hier muss wieder einen Schritt weiter gedacht werden: Wenn es vergleichbare Software gibt, die unter einer Open Source-Lizenz steht, welche keinen Copyleft-Effekt auslöst (wie etwa die MIT- oder die BDS-Lizenz), dann wäre eine analoge Lizenz wieder kostenlos. Denn Open Source-Lizenzen ohne Copyleft-Effekt gestatten die Umarbeitung und Umlizenzierung der Umarbeitung. Der Teufel der Lizenzanalogie steckt bei Open Source also im Detail.

LG Köln und die Herausgabe des Verletzergewinns

Diese Probleme wollte der Kläger vor dem LG Köln offenbar umgehen und entschied daher, dass sein Schadensersatzanspruch nach der Verletzergewinnmethode berechnet werden solle. Dies ist möglich, da dem Geschädigten bei Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich eine Wahlmöglichkeit zur Berechnung des Schadensersatzes zusteht.

Weite Erstreckung des Verletzergewinns auf Gewinne aus Support durch das LG Köln

Das LG Köln begnügt sich dabei nicht zu fragen, ob ein wirtschaftlicher Gewinn mit der Software an sich erzielt wurde. Vielmehr bezieht das Gericht explizit auch sämtliche Erlöse aus zusätzlichen Kunden-, Support- und Serviceleistungen für die Software in den relevanten Gewinn mit ein. Dies ist für Teile der Branche gefährlich, da viele Unternehmen ganz erhebliche Summen mit dem Support rund um Open Source-Lösungen verdienen. Größere Linux-Distributoren setzen mit dem Support des offenen Betriebssystems jährlich zweistellige Millionenbeträge um. Dabei wirkt besonders bedrohlich, dass das LG Köln Aspekte, welche zur Ausweitung des Schadensersatzes dienen können, deutlich betont. So macht das LG Köln deutlich: „Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte“.

Anteil der Rechtsverletzung entscheidend

Damit dürfte zwar ein weiterer Grundstein für Schadensersatz bei Verletzung von Open Source-Software gelegt, aber bei weitem noch nicht das letzte Wort gesprochen worden sein. Nach der einschlägigen BGH-Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Werbeerlösen im Rahmen der Schadensberechnung müsste eigentlich sehr viel genauer gefragt werden, in welchem Umfang der Verletzergewinn auf der konkreten Rechtsverletzung beruht. Hierzu ist es vor dem LG Köln noch nicht gekommen, weil zunächst nur ein Auskunftsanspruch bezüglich der Gewinne aus dem Support gewährt wurde. Erst auf dieser Basis wird dann anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden sein, zu welchem Anteil der Support-Gewinn gerade auf der Verletzung beruht. Das Urteil des LG Köln kann daher noch nicht als „Schlussstein“ in der Debatte um Schadensersatz bei Verletzungen von Open Source-Lizenzen gesehen werden.

Bemessung des Schadensersatzes bei Großprojekten

Im Falle von Open Source-Großprojekten, an denen nicht selten viele tausend Entwickler teilnehmen, muss bei der Bezifferung des Schadensersatzes zudem noch berücksichtigt werden, welchen Umfang der Beitrag des Entwicklers hat, der den Anspruch stellt. Noch schwieriger wird es, wenn tatsächlich im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklung eine Miturheberschaft nach § 8 UrhG entsteht, denn dann kann die Zahlung des Schadensersatzes nur an alle Miturheber verlangt werden. Dies kann bei Großprojekten zu erheblichen praktischen Problemen führen, wenn schlichtweg nicht mehr rekonstruierbar ist, wer wann welchen Beitrag geleistet hat. Hierzu ist allerdings einschränkend einzuräumen, dass nach deutschem Urheberrechtsverständnis nur in wenigen Fällen eine Miturheberschaft bei Open Source- Entwicklern vorliegt, da zumeist keine zielgerichtete  gemeinschaftliche Entwicklung vorliegt.

Kein Schadensersatz im Parallelfall zur Creative Commons-Lizenz

Das OLG Köln urteilte im Übrigen in einem ähnlichen Fall in die genau entgegengesetzte Richtung: Zu entscheiden hatte das OLG unter anderem, ob aufgrund der Verletzung einer Creative Commons-Lizenz ein Schadensersatzanspruch gewährt werden kann (OLG Köln, 31.10.2014 – 6 U 60/14). Die Creative Commons- Lizenzen ermöglichen – ebenso wie die Open Source-Lizenzen – eine kostenfreie Nutzung, solange bestimmte Lizenzbedingungen erfüllt werden. Trotz Verletzung der Lizenzbedingungen sprach das OLG Köln jedoch keinen Schadensersatzanspruch zu, und das obwohl das Recht auf Namensnennung verletzt wurde. Als Grund nannte das OLG Köln schlicht, dass „der ‚objektive Wert‘ einer nicht-kommerziellen Nutzung eines unter der Creative Commons-Lizenz angebotenen geschützten Inhalts nur mit Null angesetzt werden“ könne. Auf die Herausgabe eines etwaigen Verletzergewinns wurde in dem Urteil nicht eingegangen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser offene Widerspruch in der Rechtsprechung bald durch weitere Urteile ausgeräumt wird.

Fazit

Vor allem die weite Rechtsprechung des LG Köln zum Schadensersatz sollten Unternehmen, die Open Source-Software oder Open Source-Komponenten in ihrer    proprietären Software verwenden, zum Anlass nehmen, die Open Source-Compliance zu überprüfen. Gerade Geschäftsmodelle, welche ihren Hauptumsatz aus Supportleistungen rund um Open Source-Software generieren, können von der Berechnung des Schadensersatzes anhand des Verletzergewinns erheblich betroffen sein. Angesichts der zunehmenden Rechtsstreitigkeiten in diesem Gebiet einerseits und anderseits der bisher zum Teil nur geringen Sensibilität für die Gefahren, die mit dem falschen Umgang mit Open Source-Software verbunden sind, ist es sehr ratsam, sich verstärkt mit der Implementierung eines angemessenen Open Source-Lizenzmanagements zu befassen.

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