15.02.2017Fachbeitrag

Update Schiedsgerichtsbarkeit

Neue ICC Schiedsordnung tritt am 1. März 2017 in Kraft

Zum 1. März 2017 tritt die überarbeitete Schiedsordnung (ICC SchO 2017) der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) in Kraft. Die bedeutsamste Neuerung ist die Einführung eines beschleunigten Verfahrens (Expedited Procedure Rules). Das beschleunigte Verfahren findet auf alle Streitigkeiten mit Schiedsklauseln zugunsten der ICC Anwendung, die nach dem 1. März 2017 geschlossen wurden und deren Streitwert den Betrag USD 2 Mio. nicht übersteigt. Anderes gilt nur bei expliziter Parteivereinbarung.

Die neuen Verfahrensregeln für beschleunigte Verfahren in Anhang VI. der ICC SchO 2017 weisen die nachfolgenden Besonderheiten auf:

  • Der Gerichtshof ernennt einen Einzelschiedsrichter, auch wenn die Parteien in der Schiedsvereinbarung ein Dreier-Schiedsgericht vereinbart haben (Art. 2 (1) Anhang VI.). Die Parteien haben ein gemeinsam auszuübendes Recht, einen Einzelschiedsrichter binnen einer durch das Sekretariat gesetzten Frist zu benennen. Andernfalls ernennt der Gerichtshof den Einzelschiedsrichter (Art. 2 (2) Anhang VI.).
  • Anders als sonst in ICC-Verfahren vorgesehen – wird kein Schiedsauftrag(Terms of Reference) erstellt (Art. 3 (1) Anhang VI.). Eine Verfahrensmanagement-Konferenz (Case Management Conference) ist im beschleunigten Verfahren binnen 15 Tagen ab Erhalt der Schiedsverfahrensakte durch das Schiedsgericht durchzuführen (Art. 3 (3) Anhang VI.). Neue Ansprüche können nur bis zur Konstituierung des Schiedsgerichts erhoben werden (Art. 3 (2) Anhang VI.). Diese Ausschlussfrist gilt auch für die Erhebung einer Widerklage und im Zweifel auch für die Aufrechnung.
  • Die Verfahrensführung liegt im weitgehenden Ermessen des Schiedsgerichts, um das beschleunigte Verfahren zu fördern. Insbesondere hat das Schiedsgericht die Möglichkeit, die Document Production auszuschließen und Schriftsätze in Umfang und Anzahl zu begrenzen. Entsprechend können auch schriftliche Zeugenaussagen und Expertenberichte begrenzt werden (Art. 3 (4) Anhang VI.).
  • Das Schiedsgericht kann zudem nach eigenem Ermessen ein rein schriftliches Verfahren anordnen. Eine mündliche Verhandlung findet dann nicht statt; Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen. Soweit eine mündliche Verhandlung stattfindet, kann diese insbesondere auch im Wege der Videokonferenz, per Telefon oder andere Kommunikationsmittel durchgeführt werden (Art. 3 (5) Anhang VI.).
  • Das Schiedsgericht hat den Schiedsspruch binnen sechs Monaten nach der Verfahrensmanagement-Konferenz zu erlassen. Der Gerichtshof kann die Frist in begründeten Fällen verlängern (Art. 4 (1) Anhang VI.). Eine Prüfung des Schiedsspruchs durch den Gerichtshof (Scrutiny) erfolgt auch im beschleunigten Verfahren (Art. 34).
  • Die Gebühren für das Verfahren sind im Vergleich zu einem normalen ICC Schiedsverfahren um circa 20 Prozent reduziert. Die administrativen Gebühren der ICC selbst folgen der üblichen Kostentabelle. Die Gebühren für das Schiedsgericht folgen einer eigenen Kostentabelle, die niedrigere Sätze als für normale Verfahren ausweist (Art. 4 (2) Anhang VI.).

II. Anwendbarkeit der neuen Regelungen für beschleunigte Verfahren

Die Regeln gelten für Schiedsvereinbarungen, die nach dem Inkrafttreten der neuen ICC SchO am 1. März 2017 geschlossen werden (Art. 30 (3) a)). Darüber hinaus können Parteien eine Anwendung auch bei alten Schiedsklauseln ausdrücklich vereinbaren (Art. 3 (2) b)).

Die Regeln kommen bei einem Streitwert bis USD 2 Mio. automatisch zur Anwendung, soweit die Parteien nicht ausdrücklich die Regeln für das beschleunigte Verfahren ausgeschlossen haben (Art. 30 (3) b)) oder der Gerichtshof diese (auf Antrag einer Partei) im konkreten Fall für unangemessen hält (Art. 30 (3) c)). Der Gerichtshof kann zudem auch während des Verfahrens die allgemeinen Verfahrensregeln anwenden, wenn dies erforderlich wird.

III. Weitere Neuerungen der ICC SchO 2017

Die weiteren Neuerungen der ICC SchO 2017 ändern das normale ICC Schiedsverfahren mit Streitwerten über USD 2 Mio. nicht grundlegend. Die Neuerungen dienen der Verfahrenseffizienz (z.B. Halbierung der Frist für die Erstellung des Schiedsauftrags) und einer erhöhten Transparenz (z.B. Entscheidungen über die Ernennung, Bestätigung, Ablehnung oder Ersetzung eines Schiedsrichters kann der Gerichtshof nun begründen). Das weitere Bemühen der ICC um Transparenz steht im Einklang mit erst kürzlich eingeführten Maßnahmen wie  die Online-Veröffentlichung von Schiedsgerichten und die Berücksichtigung der Verfahrensdauer und Effizienz bei der Bemessung von Schiedsrichterhonoraren.

IV. Fazit

Vereinbaren Parteien nach dem 1. März 2017 die ICC Schiedsregeln, müssen sie sich bewusst sein, dass die Regeln über das beschleunigte Verfahren bei einem Streitwert von bis zu USD 2 Mio. grundsätzlich automatisch Anwendung finden. Soweit dies nicht gewollt ist, sind die Regeln über das beschleunigte Verfahren explizit in der Schiedsvereinbarung abzubedingen.

Die neuen Regeln über das beschleunigte Verfahren ermöglichen zwar eine schnellere, effizientere und günstigere Beilegung von Streitigkeiten mit geringeren Streitwerten. Allerdings ist die Einstufung eines Streitwertes als „gering“ relativ, dies umso mehr bei Klagen auf Teilleistung. Zudem sagt der Streitwert wenig über die Komplexität eines Rechtsstreits aus, dem sich ein Einzelschiedsrichter zu stellen hat. Die Begrenzung des rechtlichen Gehörs durch die mögliche Einschränkung von Schriftsätzen, Beweismöglichkeiten und der Beweiserhebung, insbesondere auch den Ausschluss einer Document Production, muss im Einzelfall gegen die beschleunigte Rechtssicherheit abgewogen werden.

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