31.07.2020Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juli 2020

Neueinstellungen trotz Kurzarbeit?

Aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen mussten in den letzten Monaten zahlreiche Unternehmen Kurzarbeit anmelden. In dem Zusammenhang stellt sich für Arbeitgeber die Frage, inwiefern trotzdem eine Einstellung während der Kurzarbeit möglich ist und welche Auswirkungen dies auf das Kurzarbeitergeld hat.

EINSTELLUNGEN WÄHREND KURZARBEIT 

Zu unterscheiden ist zunächst zwischen einer Neueinstellung vor und einer Neueinstellung nach Einführung der Kurzarbeit. Maßgeblich ist dabei, nicht so sehr, wann der Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme stattfindet, sondern wann das Arbeitsverhältnis abgeschlossen wurde. 

Während die Neueinstellung vor Einführung von Kurzarbeit grundsätzlich unproblematisch ist (und die neu eingestellte Person dann auch Kurzarbeitergeld beziehen kann), wirft eine Neueinstellung nach Einführung der Kurzarbeit u.U. problematische Folgen für den Arbeitgeber auf. 

Die Einführung von Kurzarbeit setzt nach § 96 Abs. 1 SGB III einen „erheblichen Arbeitsausfall“ voraus. Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, vorübergehend und nicht vermeidbar ist und im jeweiligen Kalendermonat mindestens 10 Prozent der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sind. 

Eine Neueinstellung nach Einführung der Kurzarbeit birgt somit das Risiko, dass die Agentur für Arbeit einen „erheblichen Arbeitsausfall“ als nicht mehr gegeben ansieht und damit die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld insgesamt nicht mehr vorlägen. Dies hätte eine Aufhebung des Anspruchs nach § 48 Abs.1 S.1 SGB X sowie ggf. einen Schadensersatzanspruch der Agentur für Arbeit nach § 108 Abs. 3 SGB III in Höhe der bereits erhaltenen Bezüge zur Folge (Gagel/Bieback SGB III § 96 Rn.109). Ein Arbeitsausfall hätte ggf. beispielsweise vermieden werden können, sofern die Position der Neueinstellung auch von einem in Kurzarbeit befindlichen Arbeitnehmer hätte ausgeübt werden können (BSG 21.02.1991, 7 RAr 20/90). 

Daraus folgt allerdings nicht, dass eine Neueinstellung während der Kurzarbeit nicht möglich wäre. Es müssen hierfür jedoch sachliche Gründe vorliegen, die die Neueinstellung rechtfertigen und belegen können, dass ein erheblicher Arbeitsausfall (ansonsten) trotzdem vorliegt. Solche Gründe wären beispielsweise die Neubesetzung einer Stelle, für die spezielle Qualifikationen notwendig sind, über die keiner der kurzarbeitenden Mitarbeiter verfügt. 

Wann trotz Neueinstellungen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, bestimmt sich nach dem BSG nach einem objektiven Maßstab was „von einem sorgfältigen Unternehmer an Vorsorgemaßnahmen und ständigen Anpassungsmaßnahmen erwartet werden kann“ (BSG 15.12.2005, B 7 a AL 10/05 R)).

Das Risiko eines Wegfalls der Voraussetzungen von Kurzarbeit besteht selbst bei Neueinstellungen in Abteilungen, die nicht von Kurzarbeit betroffen sind, sofern diese Arbeit auch von einem kurzarbeitenden Mitarbeiter ausgeübt werden könnte. Sofern jedoch beispielsweise die Produktion des Betriebs von Kurzarbeit betroffen ist, nicht jedoch die HR-Abteilung, kann regelmäßig – mangels entsprechender Qualifikation der Produktionsmitarbeiter – nicht davon ausgegangen werden, dass diese in der HR-Abteilung hätten eingesetzt werden können. In diesem Fall ist eine Neueinstellung dann weiterhin möglich, auch wenn in anderen Abteilungen des Betriebs bereits Kurzarbeit eingeführt wurde. 

Eine Neueinstellung während der Kurzarbeit ist folglich nur möglich, sofern hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Ansonsten ist regelmäßig davon auszugehen, dass kein erheblicher Arbeitsausfalls mehr vorliegt, der für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld erforderlich ist. 

AUSWIRKUNGEN AUF DAS KURZARBEITERGELD

Werden trotz Kurzarbeit neue Mitarbeiter eingestellt, haben diese grundsätzlich keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, sofern deren Arbeitsvertrag nicht vor Einführung der Kurzarbeit abgeschlossen wurde. Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn der Arbeitsvertrag vor der Anmeldung der Kurzarbeit geschlossen wurde, der Arbeitsbeginn aber in die Kurzarbeit fällt. 

Nur wenn zwingende Gründe vorliegen, haben auch nach Kurzarbeitsbeginn neu eingestellte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (§ 98 Abs.1 Nr.1b SGB III). Was ein solcher „zwingender Grund“ ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Die Neueinstellung einer unentbehrlichen Fachkraft, die dringend benötigt wird, um den Fortbestand des Betriebes zu sichern, wäre beispielsweise ein solcher „zwingender Grund“. In dem Fall hätte auch der neu eingestellter Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. 

Die Erstattung von Kurzarbeitergeld für neu eingestellte Mitarbeiter während einer bereits eingeführten Kurzarbeit scheidet daher regelmäßig aus. Nur ausnahmsweise – bei Vorliegen eines zwingenden Grundes – kann ein solcher Anspruch gegeben sein. 

PRAXISHINWEIS 

Grundsätzlich ist zu beachten, dass Neueinstellungen nach eingeführter Kurzarbeit nur in dringenden Fällen erfolgen und primär etwaige Personallücken betriebsintern geschlossen werden sollten, indem ein anderer Arbeitnehmer (ggf. auch aus einer anderen Abteilung) dafür aus der Kurzarbeit „zurückgeholt“ wird. Anderenfalls besteht ein hohes Risiko, dass kein für die Kurzarbeit erforderlicher erheblicher Arbeitsausfall mehr im Betrieb vorliegt und ein Anspruch dementsprechend entfällt. Sofern die Gewährung von Kurzarbeit unberechtigt erfolgt ist (z. B. seit Neueinstellung eines Mitarbeiters), droht dem Arbeitgeber unter Umständen zudem auch ein Rückzahlungsanspruch der Agentur für Arbeit hinsichtlich des bereits erhaltenen Kurzarbeitergelds. 

Wenn eine Neueinstellung für den Arbeitgeber während der Kurzarbeit jedoch unumgänglich ist, sollte dieser die Gründe für eine geplante Neueinstellung lückenlos dokumentieren und sicherheitshalber vor Abschluss eines Arbeitsvertrags diesbezüglich zuvor Kontakt mit der zuständigen Agentur für Arbeit aufnehmen, um den Bezug bzw. etwaige Rückzahlungsverpflichtungen von Kurzarbeitergeld nicht zu riskieren. 

Hierbei ist zu beachten, dass in der Regel für neueingestellte Arbeitnehmer kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, sofern hierfür keine zwingenden Gründe vorliegen. 

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