21.09.2016Fachbeitrag

zuerst erschienen in Bilanz am 21.09.2016

Offenes WLAN – viele offene Fragen

Jüngste Gerichtsurteile haben nicht für Klarheit gesorgt: Wer sein WLAN frei zur Nutzung anbietet, kann Probleme bekommen. Worauf zu achten ist.

Philip Kempermann (38) ist Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Seine Schwerpunktgebiete sind das IT- sowie Datenschutzrecht. Er berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen.

Herr Kempermann, der Bundestag hat vor kurzem ein neues Telemediengesetz beschlossen: Unternehmer und Privatleute sollen ihr WLAN für Fremde zugänglich machen, ohne in Haftung genommen zu werden, wenn Gast-Nutzer beim Surfen Illegales tun. Störerhaftung nennt sich das in der Juristen-Sprache. Was halten Sie von dem Gesetz?

Die Idee, die der Gesetzgeber damit verfolgt hat, ist grundsätzlich gut. Denn viele Länder – nicht nur in Europa, sondern weltweit – sind, was das Thema freies WLAN angeht, viel weiter als Deutschland. Wir haben in diesem Bereich also einiges aufzuholen.

Aus juristischer Sicht ist die Änderung des Telemediengesetzes handwerklich aber leider schlecht umgesetzt worden. Der entscheidende Fehler ist, dass die Abgeordneten für die Änderung eines Paragraphen gestimmt haben, den die Gerichte in der Praxis gar nicht für Klagen im Zusammenhang mit der Störerhaftung heranziehen.

Anstatt des Paragrafen 7 des Telemediengesetzes, aus dem in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Zivilrechts die Gerichte die Störerhaftung herleiten, hat der Gesetzgeber den Paragrafen 8 geändert. Das heißt, dass die Möglichkeit, die Störerhaftung wie bislang herzuleiten und die „Störer“ auf Unterlassung zu verklagen weiterhin besteht. Oder anders gesagt: Knapp daneben ist auch vorbei!

In der Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber zwar auch auf den maßgeblichen Paragrafen 7 ein und versucht damit, diese Herleitungs-Möglichkeit zu verbauen. Gerichte ziehen die Begründung aber allenfalls zur Auslegung hinzu. Verbindlich ist allein der Gesetzestext. Ich fürchte, dass es daher erst vieler Gerichtsentscheidungen und wahrscheinlich einer weiteren Klarstellung durch den Gesetzgeber bedarf, bis das Thema Störerhaftung endgültig geregelt ist.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur WLAN-Haftung vom 15. September?

Der EuGH hat im Endeffekt mit dieser Entscheidung den Weg für den Gesetzgeber schon vorgegeben. Denn er muss sich erneut mit dem Thema Störerhaftung befassen, um die Vorgaben des EuGH umzusetzen. Der hat letztendlich bestätigt, dass ein Anbieter eines offenen WLANs nicht auf Schadensersatz haftet und auch keine Abmahnkosten gegen ihn geltend gemacht werden können, wenn über das offene WLAN gegen Gesetze verstoßen wird.

Die Luxemburger Richter haben in ihrem Urteil aber ausdrücklich offengelassen, dass die Gesetzgeber in der EU in ihren gesetzlichen Regelungen Unterlassungsansprüche vorsehen und dann auch Abmahngebühren anfallen können. Das heißt, dass der deutsche Gesetzgeber nun abschließend entscheiden muss, ob er Rechteinhabern diesen Weg eröffnen will oder nicht.

Welche Lücken gibt es noch?

Wie schon erwähnt, hat der Gesetzgeber mit dem neuen Telemediengesetz eine kleine Lücke gestopft, die weitaus größere jedoch offengelassen. Es ist rechtlich sogar so, dass Paragraf 7 – genauer Absatz zwei, Satz zwei – weiterhin so besteht wie bislang. Bis klar ist, wie die Gerichte die EuGH-Entscheidung interpretieren – ob sie jetzt also erst einmal etwaige Unterlassungsansprüche von Rechteinhabern ablehnen oder nicht – sollten Unternehmen, die offene WLANs anbieten wollen, mit Passwortschutz arbeiten.

Denn der EuGH hat in seinem Urteil ausdrücklich festgestellt, dass ein Passwort notwendig ist, um Rechteinhaber zu schützen. Ein solches Passwort darf nach den Vorgaben des EuGH aber nur herausgegeben werden, wenn der Anbieter des offenen WLANs sich die Identität des Nutzers nachweisen lässt. Das schränkt natürlich die Verfügbarkeit des Internetzugangs stark ein.

Wie ist Deutschland bei der Störerhaftung im internationalen Vergleich aufgestellt?

Auffallend ist, dass unsere Nachbarländer bei der Nutzung von offenem WLAN bis dato deutlich liberaler agiert haben. Nach der EuGH-Entscheidung gehe ich aber davon aus, dass sich das ändert. Denn auch wenn es auf Grundlage eines deutschen Verfahrens ergangen ist, gilt das Urteil in der ganzen Europäischen Union gleichermaßen. Man kann durchaus sagen: Der EuGH hat mit seiner Entscheidung das Verfahren offenes WLAN geschlossen!

Welche Rolle spielt freies WLAN in Zukunft in der Wirtschaft?

Offenes WLAN spielt schon heute eine immer größere Rolle – natürlich auch in der Wirtschaft. Wir erleben das schon jetzt bei den öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich einige Fahrgäste bereits jetzt sagen: Wo es offenes WLAN gibt, da fahre ich lieber mit! Der Internetzugang wird also zum Wettbewerbsvorteil!

Verkehrsminister Dobrindt hat ja bereits die „digitale Mobilitätsrevolution“ auf der Schiene angekündigt. So sollen Bahnreisende in allen ICE-Zügen bis Ende 2016 kostenfreien WLAN-Zugang erhalten – die Bahn investiert dafür aktuell 100 Millionen Euro. Viele private Betreiber – vor allem im sogenannten Schienenpersonennahverkehr – sind auf dem Gebiet aber bereits deutlich weiter.

Die steigende Bedeutung von offenem WLAN zeigt sich auch darin, dass beim Rhein-Ruhr-Express bei der Ausschreibung der Fahrzeuge ein maßgebliches Kriterium war, dass in den Bahnen offenes WLAN verfügbar ist.

Im internationalen Vergleich sieht man, dass es auch in Taxis, Bussen oder sonstigen Transportmitteln und in öffentlichen Gebäuden viel mehr Hotspots gibt als hierzulande. Aber die Aufholjagd beginnt. Gerade erst haben die Verkehrsbetriebe in Köln angekündigt, dass an der ersten Haltestelle das offene WLAN in Betrieb genommen wurde und weitere stark frequentierten Haltestellen folgen sollen.

Auch in Hamburg oder Berlin gibt es in immer mehr Haltestellen, aber auch in Fahrzeugen offenes WLAN. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Anbieter nach dem EuGH-Urteil genau prüfen werden, ob und – wenn ja – wie sie bei ihrem Angebot eine Registrierungsmaske vorschalten, um die Identität ihrer Nutzer zu klären.

Wenn Unternehmen freies WLAN anbieten wollen – worauf müssen sie achten, um keine Probleme zu bekommen?

Fakt ist: Voraussichtlich wird man auch in Zukunft auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können. Das gilt jedenfalls dann, wenn man als Anbieter keinen Passwortschutz verwendet.

Unternehmen müssen also leider weiterhin sorgfältig überlegen, ob und wenn ja wie sie einen freien Internetzugang anbieten. So müssen sie nach der EuGH-Entscheidung zwingend ein Passwort vorschalten, um sich keinen Haftungsrisiken auszusetzen. Außerdem gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Anbieter bestimmte Nutzungsarten einschränken oder blockieren, um die Risiken für sich zu reduzieren oder auszuschließen.

Oder der WLAN-Anbieter sichert sich mit einer vorgedruckten Haftungsübernahme ab. Das wäre etwa in einem Hotel in Kombination mit der Gäste-Registrierung über die Zimmernummer eine Option: Wenn Gäste den WLAN-Zugangscode haben wollen, müssen sie unterschreiben, dass sie den Zugang nicht missbrauchen. Mit offenem WLAN, bei dem alle auf der Datenautobahn unterwegs sein können, hat das dann aber natürlich nur noch bedingt zu tun.

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