27.02.2020Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Februar 2020

Rückabwicklung eines (vermeintlich) freien Mitarbeiter-Rechtsverhältnisses

BAG vom 26. Juni 2019 – 5 AZR 178/18

Nach rückwirkender Feststellung des Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters kann der Arbeitgeber die gezahlten Honorare zurückfordern. Dabei kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass das Honorar eines freien Mitarbeiters höher als die Vergütung eines abhängig Beschäftigten ist. 

Sachverhalt

Der Beklagte war als IT-Mitarbeiter ohne festen Stundenumfang auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrages bei der Klägerin beschäftigt. Die Parteien vereinbarten für die „Wartungsaufgaben“ eine an Werktagen einzuhaltende Reaktionszeit von vier Stunden und als Vergütung „pro anfallende Stunde ein Honorar in Höhe von EUR 60,00 zzgl. MwSt von 16 Prozent“. Nach Kündigung des Vertragsverhältnisses stellte der Deutsche Rentenversicherung Bund auf Antrag des Beklagten fest, dass er während seiner gesamten Tätigkeit bei der Klägerin der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag. Die Klägerin wurde zur Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung herangezogen. Anschließend reichte sie Klage ein und forderte die Rückzahlung „zuviel“ geleisteter Honorare sowie die Erstattung von Arbeitgeberanteilen am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, da es sich nicht um ein freies Dienstverhältnis gehandelt habe, sondern um ein Arbeitsverhältnis. Daher könne der Beklagte auch nur die übliche Vergütung eines Arbeitnehmers beanspruchen. 

Entscheidung

Nach der Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitgeber aus § 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Der Arbeitnehmerbegriff ist dabei nicht deckungsgleich mit dem sozialversicherungsrechtlichen Begriff der abhängigen Beschäftigung im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens. Die Feststellung des Arbeitnehmerstatus könne jedoch, falls zwischen den Parteien noch streitig, auch mittelbar im Rahmen der Leistungsklage erfolgen.

Sofern aufgrund der festgestellten Arbeitnehmereigenschaft eine Arbeitsvergütung zu leisten ist, besteht der Rückforderungsanspruch nur in Höhe der Differenz von Honorarzahlungen abzüglich geschuldeter Arbeitsvergütung. Ohne das Vorliegen besonderer Anhaltspunkte sei nicht anzunehmen, dass das zwischen den Parteien für das vermeintlich freie Dienstverhältnis vereinbarte Stundenhonorar auch in dem tatsächlich bestehenden Arbeitsverhältnis maßgeblich sei. Andernfalls bliebe außer Acht, dass die für freie Mitarbeiter gezahlten Honorare auch die Risiken des fehlenden Arbeitnehmerschutzes abdecken. Falls kein anderer Anknüpfungspunkt für eine Berechnung vorliegt, sei für die Zugrundelegung der Vergütung für das Arbeitsverhältnis nach § 612 BGB die übliche Vergütung heranzuziehen. Dabei habe sich der Arbeitgeber auch die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung anrechnen zulassen. 

Praxishinweis

Eine Streitverkündung gegenüber dem vermeintlich freien Mitarbeiter kommt im Rahmen des sozialgerichtlichen Statusverfahrens aufgrund der unterschiedlichen Streitgegenstände (sozialversicherungsrechtlicher Begriff der abhängigen Beschäftigung vs. Arbeitnehmerbegriff im Sinne des § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht in Betracht. Stattdessen kann der Arbeitnehmerstatus im Rahmen der Leistungsklage auf Rückerstattung der Honorare festgestellt werden. Der Rückerstattungsanspruch ist begründet, wenn die geschuldete Vergütung für das Arbeitsverhältnis nebst Sozialversicherungsbeiträgen geringer ist, als das geleistete Honorar für die freie Mitarbeit. Sofern beim Arbeitgeber keine vergleichbaren festangestellten Mitarbeiter beschäftigt sind, kann die übliche Vergütung anhand von Stellenausschreibungen, vergleichbaren Tarifregelungen etc. erbracht werden. 

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