01.05.2014Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht Mai 2014

Russian-Roulette-Klauseln: Zur Verhinderung einer Selbstblockade der Gesellschafter

OLG Nürnberg, Urteil vom 20.12.2013 – 12 U 49/13

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in einer weiteren Entscheidung mit der europarechtlich zwingend gebotenen Verpflichtung von Gesellschaften zur Offenlegung des Jahresabschlusses und der Verhängung von Zwangsstrafen wegen Verstoßes gegen die Publizitätspflichten befasst. Das Gesetz versteht unter der Pflicht zur „Offenlegung“ die elektronische Einreichung des Jahresabschlusses und ggf. weiterer Unterlagen zum Bundesanzeiger und die Bekanntmachung im Bundesanzeiger (§ 325 Abs. 1, Abs. 2 HGB).

Zur Offenlegung verpflichtete Gesellschaften

Zur Offenlegung verpflichtet sind alle Kapitalgesellschaften (GmbH und AG) mit Sitz im Inland (§ 325 HGB) sowie inländische Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz in einem EU-Staat oder EWR-Staat (§ 325a HGB). Über §§ 264a, 335b HGB gelten die Publizitätspflichten sowie damit verbundene Buß- und Ordnungsgeldvorschriften auch für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (sog. KapCo-Gesellschaften). Andere Unternehmen können über gesetzliche Verweisungen und Sonderregelungen zur Offenlegung verpflichtet sein. Dagegen sind von der Offenlegungspflicht ausgenommen solche Kapital- und KapCo-Gesellschaften, die gem. § 264 Abs. 3 HGB bzw. § 264b HGB in einen befreienden Konzernabschluss einbezogen sind.

Umfang der offenzulegenden Unterlagen

Es gilt eine nach Unternehmensgröße abgestufte Publizitätspflicht. Offenzulegen sind nach der Grundregel in § 325 HGB der Jahresabschluss (mit Bestätigungs- oder Versagungsvermerk), der Lagebericht, der Bericht des Aufsichtsrates, die Erklärung gem. § 161 AktG und, soweit nicht aus dem Jahresabschluss ersichtlich, der Vorschlag für die Ergebnisverwendung und der Beschluss über die Ergebnisverwendung. Inländische Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz in einem anderen EU-Staat oder EWR-Staat haben die Unterlagen der Hauptniederlassung offenzulegen (§ 325a HGB).

Erleichterungen bei der Offenlegung

Für die GmbH ist die Offenlegung der Ergebnisverwendung unter bestimmten Voraussetzungen erleichtert, wenn sich anhand dieser Angaben die Gewinnanteile von natürlichen Personen, die Gesellschafter sind, feststellen lassen (§ 325 Abs. 1 S. 4 HGB). Darüber hinaus gibt es zahlreiche, größenabhängige Erleichterungen: Zum einen räumt das Gesetz bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses Erleichterungen ein. Zum anderen bestehen Erleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften: Kleinstkapitalgesellschaften brauchen nur die Bilanz zur dauerhaften Hinterlegung einzureichen (§ 326 Abs. 2 HGB), kleine Kapitalgesellschaften nur die Bilanz und den Anhang (ohne die Angaben zur GuV) und mittelgroße Kapitalgesellschaften dürfen Verkürzungen bei der Offenlegung von Bilanz und Anhang in Anspruch nehmen (§ 327 HGB).

Konzernrechnungslegung

Zur Konzernrechnungslegung verpflichtete Gesellschaften müssen den Konzernabschluss mit Bestätigungs- oder Versagungsvermerk und den Konzernlagebericht wie den Jahresabschluss einer großen Kapitalgesellschaft offen legen; Erleichterungen bestehen nur bei verbundener Berichterstattung über die Jahres- und Konzernrechnungslegung (§ 325 Abs. 3, 3a HGB).

Zeitpunkt der Offenlegung

Die Unterlagen sind unverzüglich nach ihrer Vorlage an die Gesellschafter, spätestens jedoch zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag einzureichen. Für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (Ausn.: § 327a HGB) sowie die Konzernrechnungslegung gilt eine kürzere Frist von vier Monaten. Zur Einhaltung der Frist sind Jahres-/Konzernabschluss und (Konzern-) Lagebericht notfalls vorweg offen zu legen mit dem Hinweis auf die noch fehlenden Unterlagen. Nachträgliche Änderungen des Jahres-/Konzernabschlusses sind ebenfalls einzureichen. Unverzüglich nach Einreichung beim Betreiber des Bundesanzeigers sind die Unterlagen bekannt machen zu lassen (§ 325 Abs. 2 HGB).

Ordnungsgeldverfahren

Der Betreiber des Bundesanzeigers prüft gem. § 329 HGB die fristgerechte, vollständige Offenlegung. Im Falle eines Verstoßes informiert er das zentral zuständige Bundesamt für Justiz (BfJ). Das BfJ verfolgt den Verstoß von Amts wegen und leitet ein Ordnungsgeldverfahren gem. § 335 HGB ein. Aus dem oben zitierten Urteil des EuGH, das zum österreichischen Recht ergangen ist, lässt sich ableiten, dass dieses Verfahren rechtlich unbedenklich ist und insbesondere den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes sowie die Verteidigungsrechte der Betroffenen wahrt.

Zunächst fordert das BfJ die Gesellschaft unter Androhung eines Ordnungsgeldes auf, innerhalb von sechs Wochen ab Zugang der Androhung den Offenlegungspflichten nachzukommen oder das Unterlassen mittels Einspruchs zu rechtfertigen. Wird das Unternehmen innerhalb dieser Nachfrist nicht tätig, setzt das BfJ das Ordnungsgeld fest. Die Höhe des Ordnungsgeldes beträgt mind. EUR 2.500, max. EUR 25.000. Haben die Beteiligten die gesetzliche Pflicht erst nach Ablauf der Nachfrist erfüllt, hat das BfJ das Ordnungsgeld herabzusetzen: Für Kleinstkapitalgesellschaften, die ihre Bilanz verspätet hinterlegt haben, auf EUR 500, für kleine Kapitalgesellschaften auf EUR 1.000 und wenn bereits ein höheres Ordnungsgeld als EUR 2.500 angedroht worden ist, auf EUR 2.500. Bei geringfügiger Überschreitung der Sechswochenfrist kann das BfJ das Ordnungsgeld weiter herabsetzen. Das BfJ setzt das Verfahren mit jeweils erneuter Ordnungsgeldandrohung und erneuter Ordnungsgeldfestsetzung so lange fort, bis die Pflicht erfüllt ist oder die Unterlassung gerechtfertigt wird.

Rechtsmittel und Vertretungszwang

Gegen die Verwerfung des Einspruchs und die Festsetzung des Ordnungsgeldes kann Beschwerde beim BfJ erhoben werden. Hilft das BfJ der Beschwerde nicht ab, legt es sie dem Landgericht Bonn vor. In Verfahren, die nach dem 1. Januar 2014 eingeleitet worden sind, ist gegen die Entscheidung des LG die Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht Köln möglich, sofern das LG sie zulässt. Dabei müssen sich die Beteiligten mit Ausnahme des BfJ durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Bußgeld und Schadensersatz

Der Verstoß gegen die Vorschriften über Form und Inhalt bei der Offenlegung bzw. Hinterlegung (§ 328 HGB) stellt außerdem eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 334 Abs. 1 Nr. 5 HGB). Die  Ordnungswidrigkeit kann mit einem Bußgeld bis zu EUR 50.000 geahndet werden. Den gesetzlichen Vertretern (Geschäftsführern, Vorstandsmitgliedern) droht bei pflichtwidrigem Unterlassen der Offenlegung außerdem ein Schadensersatzanspruch seitens der Gläubiger; die Gesellschafter haften ggf. als Mittäter oder Beteiligte.

Fazit

Die Erfüllung der Offenlegungspflichten ist sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht zwingend und wird in der Praxis von den zuständigen Behörden ernst genommen. Im Falle der unterlassenen oder unvollständigen Offenlegung drohen ein Ordnungsgeldverfahren und die Festsetzung von Ordnungs- oder Bußgeldern. Daneben können auch Schadensersatzansprüche persönlich gegenüber den zur Offenlegung verpflichteten Person en entstehen. Gesetzlich zur Offenlegung verpflichtete Gesellschaften müssen sich daher über die für sie geltenden Regelungen genau informieren und sollten diese einhalten.

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