SanInsFoG & StaRUG
Zum 01.01.2021 ist das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG, BGBl I vom 29.12.2020, S. 3256 ff.) in Kraft getreten. Das SanInsFoG umfasst insbesondere das StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen).
EU-Restrukturierungsrichtlinie umgesetzt
Dieses bringt in Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie vom 20.06.2019 (ABl. L 172 vom 26.06.2019) einen gesetzlichen präventiven Restrukturierungsrahmen, der eine bilanzielle Sanierung von Unternehmen unter selektiver Einbindung der Gläubiger nach dem Mehrheitsprinzip ohne Insolvenz ermöglicht. Dies ist ein Novum im deutschen Recht. Daneben enthält das SanInsFoG tiefgreifende Änderungen des deutschen Insolvenzrechts. Insbesondere die Zugangshürden für die Eigenverwaltung zur Bewältigung von Insolvenzen in Eigenregie ohne Insolvenzverwalter wurden in Umsetzung der Evaluation des 2012 in Kraft getretenen ESUG erhöht.
ESUG Evaluation umgesetzt
Wesentliche Änderungen betreffen auch die Insolvenzgründe und Insolvenzantragspflichten, wobei für von der COVID-19 Pandemie betroffene Unternehmen zeitlich befristete Ausnahmen und Erleichterungen gelten.
Das Gesetzgebungsverfahren erfolgte im Eiltempo. Nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs des BMJV am 18.09.2020 wurde bereits am 14.10.2020 der erheblich überarbeitete Regierungsentwurf vorgelegt (vgl. Update Restrukturierung Nr. 6/2020 zum RegE sowie Update Restrukturierung Nr. 3/2020 zum RefE). Nach einer Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am 25.11.2020 sowie einer Stellungnahme des Bundesrates am 27.11.2020 wurde das Gesetz in zweiter und dritter Lesung am 17.12.2020 vom Bundestag beschlossen und am 29.12.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die nur sehr geringe Zeit für eine Diskussion des Gesetzentwurfs wurde unter Hinweis auf die Komplexität der Materie und die erst im Sommer 2021 ablaufende Frist zur Umsetzung der dem StaRUG zugrundeliegendem EU-Restrukturierungsrichtlinie kritisiert.
Letztlich war der Wille von Regierung und Gesetzgeber ausschlaggebend, SanInsFoG und StaRUG bereits zum Jahreswechsel in Kraft treten zu lassen, um in Zeiten der COVID19 Pandemie vor dem Hintergrund der zum 01.01.2021 auch für Überschuldung wiedereinsetzenden Insolvenzantragspflicht ein außerinsolvenzliches Sanierungsverfahren für übermäßig verschuldete Unternehmen anzubieten.
Auf vielfache Kritik hin wurde dabei das sowohl im RefE, wie auch mit schuldnerfreundlichen Änderungen im RegE enthaltene Instrument zur Beendigung von Verträgen aus dem StaRUG entfernt.
Auch die Regelungen zur gesetzlichen Verlagerung der Pflichten von Geschäftsführern und Vorständen nebst entsprechender Überwachungspflicht des Aufsichtsrats ab Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit hin zu einer Wahrung der Interessen der Gläubiger („Shift of Duties“, Vorrang gegenüber den Gesellschafterinteressen) wurde gestrichen. Im Übrigen ist das StaRUG im Wesentlichen in der Form in Kraft getreten, die schon im RegE und RefE vorgesehen war.
Hier nun nochmals die wesentlichen Elemente des außerinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens nach StaRUG:
Restrukturierungsplan
Selektive Gläubigergruppen und Stundung, Kürzung, Erlass von Verbindlichkeiten
Mehrheitserfordernis: 75% der zu gestaltenden Forderungen
Gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung/ „Cross Class Cram-Down“
Planbestätigung durch das Restrukturierungsgericht
Drohende Zahlungsunfähigkeit als Zugangsvoraussetzung
Schuldnerkontrolle
Moratorium
Restrukturierungsbeauftragte
Überleitung ins Insolvenzverfahren bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
Fast Track Verfahren (nahezu) ohne Gerichtsbefassung möglich
Sanierungsmoderation
Erstmals steht ein „teilkonsensuales“ außerinsolvenzliches Sanierungsverfahren im deutschen Recht zur Verfügung, das der Initiative und Kontrolle des Schuldners überlassen ist, wenn auch unter gerichtlicher Aufsicht. Eine Lücke zwischen der ohne Konsens aller Beteiligten nicht möglichen „freien“ außergerichtlichen Sanierung einerseits und dem Insolvenzverfahren andererseits wird geschlossen. Die Hürden sind im Hinblick auf das Erfordernis einer Zustimmung der Gläubiger mit einer Mehrheit von 75% des betroffenen Forderungsvolumens hoch. Die gute Planung und sorgfältige Vorbereitung sowie das Angebot wirtschaftlich fairer Lösungen gegenüber den Gläubigern, orientiert an den Fortführungswerten, und schließlich eine gute Kommunikation mit den Beteiligten werden für ein Gelingen von StaRUG-Verfahren unerlässlich sein.
Der Anwendungsbereich ist zudem eingeschränkt. Da Eingriffe in Rechte von Arbeitnehmern und insbesondere in betriebliche Altersversorgung gemäß StaRUG nicht möglich sind, bleibt für die leistungswirtschaftliche Sanierung mit Verkleinerung der Belegschaft und Senkung der Personalkosten sowie für eine Entlastung von möglicherweise erdrückenden Pensionsverbindlichkeiten weiterhin regelmäßig ohne Konsens der Beteiligten nur das Insolvenzverfahren.
Entsprechendes gilt dann, wenn zur Sanierung beispielsweise eines Unternehmens mit zahlreichen zu schließenden Filialen oder langlaufenden und stark verlustträchtigen Projekten ein Eingriff in Vertragsverhältnisse zur Sanierung nötig ist, da diese Möglichkeit im letzten Moment aus dem Gesetz gestrichen wurde.
Für reine Finanzrestrukturierungen bringt das StaRUG aber sehr wohl einen ganz erheblichen Fortschritt, sodass es in der Praxis insbesondere zur Restrukturierung von Schuldscheinen und multiplen Kreditverbindlichkeiten ohne Konsortialverhältnis genutzt werden dürfte.
Im Bereich des Insolvenzrechts sind seit dem 01.01.2020 insbesondere folgende teils temporäre gesetzliche Regelungen zu beachten:
Zahlungsunfähigkeit ist zwingender Antragsgrund
Überschuldung ist zwingender Antragsgrund
Ausnahmen im Zusammenhang mit „November-“ und „Dezemberhilfen“ vom 01.01. bis 31.01.2021
Erhöhte Zugangshürden für Eigenverwaltungen
Temporäre Geltung des alten Rechts ohne erhöhte Zugangshürden bei pandemiebedingter Insolvenz
Das Sanierungs- und Insolvenzrecht ist in Bezug auf die außerinsolvenzliche Sanierung erweitert und insgesamt komplizierter geworden. Während des Jahres 2021 gelten in Abhängigkeit von der „Rückführbarkeit“ der Insolvenzreife auf die COVID-19 Pandemie unterschiedliche Regelungen in Bezug auf Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren.
Die Dokumentation wichtiger Entscheidungen sowie die ständige, 24 Monate vorausschauende Planung der Liquiditätssituation und die genaue Beobachtung der wirtschaftlichen und vor allem finanziellen Situation des Unternehmens ist mehr denn je für alle Organpersonen und Manager unerlässlich. Bereits bei ersten Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung sollten unbedingt sanierungserfahrene Berater hinzugezogen werden.
Bei einer in den nächsten 24 Monaten eintretenden drohenden Zahlungsunfähigkeit ist unverzüglich die Option einer außerinsolvenzlichen Sanierung unter Nutzung des StaRUG zu prüfen.
Hierfür kann bei sorgfältiger, weit vorausschauender Liquiditätsplanung und entsprechend früher Feststellung einer drohenden und mit deutlichem zeitlichen Abstand hinsichtlich ihres akuten Eintritts erwarteten Zahlungsunfähigkeit ein erhebliches Zeitfenster bestehen. Das Risiko, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit entdeckt wird und bereits dies zum Wegfall der Fortführungsprognose und zur direkten Antragspflicht wegen Überschuldung führt, ist aufgrund der verkürzten Prognosedauer von nunmehr nur noch 12 Monaten deutlich gemindert.
Im Jahr 2021 hilft zudem die temporäre gesetzliche Verkürzung der Prognosedauer auf nur 4 Monate in auf die COVID-19 Pandemie zurückzuführenden Überschuldungsfällen. Schließlich dürfte die Möglichkeit einer erfolgreichen Sanierung ohne Insolvenz unter Nutzung der Möglichkeiten des StaRUG bei der Frage nach der insolvenzrechtlichen Fortführungsprogose zu berücksichtigen sein, soweit diese Möglichkeiten erkannt werden, genutzt werden sollen und entsprechende Erfolgsaussichten bestehen, was unbedingt dokumentiert werden sollte.