09.04.2015Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht April 2015

Stimmmehrheitserfordernisse in der Personengesellschaft

BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13

Der BGH hat in einem aktuellen Urteil seine Rechtsprechung zu Mehrheitsklauseln in Personengesellschaften für die Beschlussfassung weiter konkretisiert. Im Gegensatz zum vormals geltenden Bestimmtheitsgrundsatz müssen Ausnahmen von dem Einstimmigkeitsprinzip nicht mehr positiv im Gesellschaftsvertrag geregelt werden, sondern können sich auch im Wege der Auslegung ergeben. Im zu entscheidenden Fall durften kritische Beschlüsse, wie die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, durch einfache Mehrheitsentscheidungen gefasst werden.

Grundsätzlich gilt für Beschlüsse in Personengesellschaft das Einstimmigkeitsprinzip gemäß § 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB. Durch entsprechende Klauseln im Gesellschaftsvertrag kann das Einstimmigkeitsprinzip jedoch auch zugunsten einer z. B. einfachen oder qualifizierten Mehrheitsentscheidung geändert werden. Nach der früheren Rechtsprechung des BGH mussten diese Ausnahmen vom Einstimmigkeitsprinzip im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes genau im Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Dies gilt jetzt nicht mehr. Der schon in früheren Urteilen verwässerte Bestimmtheitsgrundsatz (Urt. v. 15.1.07 „Otto-Entscheidung“; Urt. v. 24.11.08) wurde nunmehr insgesamt verworfen.

Hintergrund

Kläger (Minderheitsgesellschafter) und Beklagter (Mehrheitsgesellschafter) in dem vom BGH zu entscheidenden Fall waren Kommanditisten einer GmbH & Co. KG. Laut Gesellschaftsvertrag wurden Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nichts anderes bestimmt war (§ 6 Abs. 5), wobei Änderungen des Gesellschaftsvertrages einstimmig zu beschließen waren (§ 6 Abs. 6). Weiterhin war geregelt, dass Gesellschaftsanteile nur mit der Einwilligung der Gesellschafterversammlung abgetreten werden konnten, ohne dass jedoch ein bestimmtes Mehrheitserfordernis festgeschrieben wurde. Im Weiteren enthielt der Gesellschaftsvertrag an anderen Stellen spezielle Mehrheitsklauseln (Entnahmen aus dem Rücklagenkonto, Rücklagenzuweisung, Abtretung des Darlehenskontos).

Nur mit den Stimmen des Beklagten fasste die Gesellschafterversammlung den Beschluss, die Kommanditanteile des Klägers und des Beklagten auf eine Stiftung zu übertragen. Der Kläger rügt den Beschluss als rechtswidrig, da es an der Einstimmigkeit der Stimmen gefehlt habe.

Auslegung des Gesellschaftsvertrags

Der BGH sah den mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss als wirksam an. Die ohne die Zustimmung des Minderheitsgesellschafters erfolgte Abtretung der Gesellschaftsanteile war rechtmäßig.

Grundlage des Beschlusses sei die Mehrheitsklausel (§ 6 Abs. 5) gewesen. Zwar erlaubte der Gesellschaftsvertrag die Übertragung der Anteile per Mehrheitsklausel nicht ausdrücklich, allerdings lasse sich diese Möglichkeit dem Gesellschaftsvertrag durch Auslegung entnehmen. Etwaige Auslegungsregeln, die eine restriktive Anwendung von allgemeinen Mehrheitsklauseln bei Grundlagengeschäften regelten, bestünden nicht. Der Gesellschaftsvertrag enthalte bei mehreren anderen Beschlussgegenständen jedoch die ausdrücklich vorgeschriebene Notwendigkeit von qualifizierten Mehrheiten. Im Umkehrschluss lasse sich daher dem Gesellschaftsvertrag entnehmen, dass für die Abtretung der Anteile eine einfache Mehrheit, wie die des Beklagten, genüge.

Auch das Einstimmigkeitserfordernis zur Änderung des Gesellschaftsvertrags  sei von dem Beklagten nicht verletzt, da die Regelungen über die Zulässigkeit von Anteilsabtretungen im Gesellschaftsvertrag nicht geändert wurden.

Ergebnis

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass es einer konkreten Regelung im Sinne des sog. Bestimmtheitsgrundsatzes nicht mehr bedarf. Auch ohne eine genaue Auflistung der zulässigen Mehrheitsentscheidungen kann ein wirksamer Beschluss gefasst werden, wenn sich dies aus der Gesamtschau der Regelungen im Gesellschaftsvertrag ergibt.

Fazit

Um Überraschungen vorzubeugen sind Gesellschaften gut beraten, ihre Gesellschaftsverträge besonders genau auf mögliche Ungenauigkeiten bzw. auslegungsfähige Mehrheitsklauseln hin zu untersuchen und eventuell Änderungen vorzunehmen. Denn nunmehr ist es in Abhängigkeit von der Auslegung des Gesellschaftsvertrags denkbar, selbst kritische Beschlüsse, wie die Abtretung von Gesellschaftsanteilen, mit einfachen Mehrheiten zu beschließen. Damit können Minderheitsgesellschafter leicht übergangen werden. Auch sollte klar sein, dass nach dem Verständnis des BGH die Auslegung des Gesellschaftsvertrages nicht auf die Abtretung von Gesellschaftsanteilen beschränkt ist, sondern grundsätzlich für jeden Beschluss denkbar ist.

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