15.03.2015Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht März 2015

Tarifpluralität – Frage nach Gewerkschaftsmitgliedschaft

BAG 18.11.2014 – 1 AZR 257/13

Auch wenn das Bundeskabinett im Dezember 2014 einen Gesetzesentwurf für ein Tarifeinheitsgesetz verabschiedet hat, gilt bis zu dessen Inkrafttreten die Regel der Tarifpluralität. Der Umfang eines damit verbundenen Fragerechts des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit ist Gegenstand einer neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.

Unter Tarifpluralität ist das Phänomen zu verstehen, dass in einem Betrieb mehrere Tarifverträge für unterschiedliche Arbeitsverhältnisse Geltung beanspruchen, ohne dass die Geltung für dasselbe Arbeitsverhältnis beansprucht wird; im letztgenannten Fall handelt es sich um die so genannte Tarifkonkurrenz.

Nach der Aufgabe seiner Rechtsprechung zur sogenannten Tarifeinheit (Geltung nur eines Tarifvertrags) bei Tarifpluralität durch eine Entscheidung aus dem Jahr 2010 (BAG 07.07.2010 – 4 AZR 549/08) sollte das Bundesarbeitsgericht nun eine Folgefrage klären.


Folgeproblem der Tarifpluralität

Es hatte darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitgeber in einem tarifpluralen Betrieb das Recht hat, sich nach der jeweiligen Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer zu erkundigen. Das Bundesarbeitsgericht konnte in seiner Entscheidung offen lassen, ob in einem tarifpluralen Betrieb dem Arbeitgeber grundsätzlich dieses Recht zusteht oder nicht. Diese Möglichkeit ergab sich daraus, dass die Gewerkschaft im vom Bundesarbeitsgericht jetzt entschiedenen Rechtsstreit den Antrag gestellt hatte, die Arbeitgeberin zu verurteilen, es zu unterlassen, die in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nach einer Mitgliedschaft in der betreffenden Gewerkschaft zu befragen, und dieser alle denkbaren Fragestellungen umfassende Antrag zu weit gefasst war und schon allein deshalb keinen Erfolg haben konnte.


Überschreitung der Grenze des Fragerechts

Dessen ungeachtet ließ das Bundesarbeitsgericht erkennen, dass der Arbeitgeber im konkreten Fall jedenfalls durch die Art und Weise der Befragung das Grundrecht der klagenden Gewerkschaft aus Art. 9 Abs. 3 GG (Grundrecht auf koalitionsmäßige Betätigung) verletzt hatte. Denn die Frage des Arbeitgebers diente nicht etwa der Ermittlung der Mitglieder der Gewerkschaft, mit der der Arbeitgeber bereits einen Tarifvertrag abgeschlossen hatte, den er auf die zu ermittelnden Mitglieder dieser Gewerkschaft anzuwenden gedachte. Sie diente vielmehr der Ermittlung der Mitglieder der (klagenden) Gewerkschaft, die ihre Mitglieder zu einer Urabstimmung über einen Streik aufgerufen hatte, weil sie sich mit dem Arbeitgeber nicht auf einen Tarifvertrag hatte verständigen können. Die Befragung des Arbeitgebers zielte darauf ab, herauszufinden, wer sich an einem bevorstehenden Streik beteiligen werde, um sich darauf einzustellen und auf diese Weise die Streikfolgen zu mindern. Die Befragung zielte also auf die Beeinflussung des bevorstehenden Arbeitskampfes ab. Dies war das die Unzulässigkeit der Frage auslösende Moment.

Eine generelle Unzulässigkeit der Nachfrage des Arbeitgebers, in einem tarifpluralen Betrieb nach der jeweiligen Gewerkschaftszugehörigkeit stellte das Bundesarbeitsgericht nicht fest. Bei einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers, dem keine überwiegenden Interessen des Arbeitnehmers gegenüberstehen, wird die Frage zulässig sein. Wie in der Urteilsbegründung der Vorinstanz richtigerweise ausgeführt worden war, überwiegt das Interesse des Arbeitgebers jedenfalls dann, wenn es um die zu klärende Frage geht, welche Arbeitsbedingungen auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Ohne Kenntnis der entsprechenden Löhne kann der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nicht ausrechnen, da sich deren Höhe nach dem geschuldeten und nicht nach dem gezahlten Lohn richtet (LAG Hessen 7.11.2012 – 12 Sa 654/11).

Wenn die Gewerkschaftszugehörigkeit ausnahmsweise deshalb nicht von Interesse ist, weil in den Arbeitsverträgen der ohnehin für die Arbeitnehmer günstigere Tarifvertrag in Bezug genommen worden ist, dürfte das Fragerecht hingegen nicht bestehen.

Fazit

Bei einem überwiegenden berechtigten Interesse an der Antwort ist der Arbeitgeber in einem tarifpluralen Betrieb befugt, nach der jeweiligen Gewerkschaftszugehörigkeit seiner Arbeitnehmer zu fragen.

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