01.02.2014Fachbeitrag

Newsletter Banking & Finance Februar 2014

Update Bürgschaft: Ausgewählte Entscheidungen des BGH aus 2013

BGH Urteil vom 04.06.2013 - XI ZR 505/11

BGH Urteil vom 19.02.2013 - XI ZR 82/11

Bürgschaften sind in der Praxis weiterhin das am meisten verbreitete Personalkreditsicherungsmittel. Im Folgenden wird auf zwei im vergangenen Jahr ergangene, insbesondere für die Kreditwirtschaft relevante Entscheidungen des BGH eingegangen. Der BGH hatte sich zuletzt erneut mit dem „Dauerbrenner“ der sog. krassen finanziellen Überforderung eines Bürgen mit der Folge der Nichtigkeit der Bürgschaft zu beschäftigen. Darüber hinaus erfolgte kürzlich eine klarstellende Stellungnahme zu den Auswirkungen der Aufgabe von Sicherheiten, die neben der Bürgschaft für die Hauptforderung gestellt waren, auf die- Bürgschaftsforderung selbst.

A. BGH zur Sicherheitenfreigabe 

I. Problemstellung

Gemäß § 776 BGB wird ein Bürge frei, wenn der Gläubiger Sicherheiten aufgibt, die ebenfalls für die Hauptforderung bestellt waren und aus denen der Bürge ansonsten hätte Befriedigung suchen können.

Erlöschen der Bürgschaft durch Sicherheitenfreigabe

BGH Urteil vom 04.06.2013 - XI ZR 505/11

Das Verständnis der Vorschrift ist umstritten. Der BGH präzisiert in der Entscheidung ihre Voraussetzungen und den Anwendungsbereich in erheblichem Maße, insbesondere die dogmatische Bedeutung des Terminus „frei werden“.

II. Inhalt der Entscheidung

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war die Hauptforderung ursprünglich sowohl durch eine Bürgschaft als auch durch eine (werthaltige) Grundschuld gesichert. Nach Valutierung der Hauptforderung und Bestellung der Sicherheiten wurde ein Teilbetrag der Grundschuld an einen Dritten abgetreten. Nachdem die Hauptforderung gekündigt wurde, erfolgte die Inanspruchnahme des Bürgen auf Zahlung der gesamten Restforderung. Dieser verteidigte sich damit, dass ihm durch die Abtretung der Grundschuld Befriedigungsmöglichkeiten genommen worden seien. Würde die Grundschuld noch bestehen, würde diese mit Zahlung auf ihn übergehen (§§ 774, 412, 401 BGB). Dies sei nun nicht mehr möglich, weshalb er gemäß § 776 BGB in Höhe der abgetretenen Grundschuld befreit wurde.

Der BGH stellt fest, dass die Abtretung der Grundschuld eine Aufgabe der Sicherheit darstelle und damit die Bürgschaft in dieser Höhe erlischt. Auch die im Prozessverlauf erfolgte Rückabtretung der Grundschuld sei ohne rechtliche Relevanz für die Bürgschaftsforderung, führe insbesondere nicht zu deren Wiederaufleben. Auf Grund des Schriftformerfordernisses der Bürgschaft führe auch die mündliche Einwilligung des Bürgen in die Abtretung nicht zum Wiederaufleben der Bürgschaftsforderung.

III. Folgerung für die Praxis

Mit der Entscheidung nimmt der BGH erstmals zu einigen in der Literatur umstrittenen Problemen des § 776 BGB Stellung und präzisiert dessen Voraussetzungen. Er stellt klar, dass „frei werden“ Erlöschen der Bürgschaft bedeutet. Der Bürge kann also nach Sicherheitenfreigabe nicht mehr auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Auch das Rückerlangen der Sicherheit ist insofern irrelevant.

In der Praxis sollte daher vor der Freigabe von (werthaltigen) Sicherheiten auch bürgschaftsgesicherter Forderungen die schriftliche Einwilligung des Bürgen zu dieser Freigabe und seine ausdrückliche Bestätigung der weiter bestehenden vollen Haftung aus der Bürgschaft eingeholt werden, wenn seine Inanspruchnahme möglich bleiben soll. Eine entsprechende Klausel im (formularmäßigen) Bürgschaftsvertrag wäre AGBrechtswidrig und damit unwirksam.

B. BGH zur Sittenwidrigkeit I. Problemstellung

Trotz einer Vielzahl von Entscheidungen, in denen die Rechtsprechung die Voraussetzungen der Nichtigkeit von Bürgschaften in engen persönlichen Beziehungen zwischen Bürge und Hauptschuldner präzisiert hat, sind noch immer einige praktisch sehr relevante Rechtsfragen nicht höchstrichterlich geklärt.

Höchstbetragsbürgschaften: Maßstab der krassen finanziellen Überforderung

BGH Urteil vom 19.02.2013 - XI ZR 82/11

In dieser Entscheidung hatte sich der BGH erstmals zu der Frage zu äußern, welcher Maßstab bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Höchstbetragsbürgen heranzuziehen ist: Die vertragliche Zinslast aus der Bürgschaftssumme oder der (höheren) Hauptschuld.

Hintergrund der Frage ist die ständige Rechtsprechung des BGH, nach der bei sogenannten Ehegattenbürgschaften die Nichtigkeit der Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung des Bürgen (widerleglich) vermutet wird, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der gesicherten Forderung aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und Vermögens zahlen können wird.

II. Inhalt der Entscheidung

In der genannten Entscheidung stellte der BGH fest, dass bei Höchstbetragsbürgschaften der Maßstab der krassen Überforderung des Bürgen die vertragliche Zinslast aus der Bürgschaftssumme und nicht die Zinslast aus der gesamten noch bestehenden Hauptforderung ist. Dies entspreche dem Interesse der Parteien, insbesondere der berechtigten Erwartung des Bürgen, der davon ausgehe, dass sich seine Haftung nicht nur für die Hauptforderung sondern auch für die Nebenforderungen nach der Bürgschaftssumme richte.

III. Folgerungen für die Praxis

Die vorgenannte Entscheidung erleichtert Gläubigern die Hereinnahme von Bürgschaften durch Personen, die in einem emotionalen Näheverhältnis zum Hauptschuldner stehen. Unter Berücksichtigung des aktuellen und prognostizierten Einkommens kann eine Höchstbetragsbürgschaft hereingenommen werden, ohne den Sittenwidrigkeitseinwand fürchten zu müssen. Darüber hinaus ändert sich nunmehr die Bewertung von „Altfällen“ mit dieser klarstellenden Entscheidung.

Fazit

Mit den vorgestellten Entscheidungen liegen Stellungnahmen des BGH zu zwei in der Praxis höchst relevanten Fragen vor. Insbesondere die konkreten Auswirkungen der Freigabe von anderen Sicherheiten auf die Bürgschaft sind nunmehr geklärt. Die Bürgschaft erlischt. Damit ist vor einer entsprechenden Entscheidung zu prüfen, ob die Inanspruchnahme des Bürgen weiterhin gewollt und erfolgversprechend ist. Ist dies der Fall, muss der Bürge seine schriftliche Einwilligung zur Freigabe erteilen. Für Höchstbetragsbürgschaften stellt der BGH nun erstmals fest, dass die aus dem Höchstbetrag zu zahlenden Zinsen für die Beurteilung der Nichtigkeitsfolge entscheidend sind. Für eine erhebliche Anzahl sog. „Ehegattenbürgschaften“ dürfte es nach der Entscheidung schwerer fallen, diese als unwirksam zu qualifizieren.

 

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