08.12.2020PressemeldungenTicker

Update zu Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen

In unserem Update Banking&Finance vom 3. März 2020 hatten wir im Zusammenhang mit den Musterfeststellungsklagen vor dem OLG Dresden bereits über die Problematik unwirksamer Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen berichtet. Schon im Februar hatte die BaFin gefordert, dass betroffene Institute ihre Kunden von sich aus auf die Unwirksamkeit verwendeter Zinsanpassungsklauseln hinweisen und angemessene Lösungen finden sollen. In einem bislang beispiellosen Aufruf fordert die BaFin in einer Pressemitteilung vom 2. Dezember 2020 nunmehr Verbraucher dazu auf, ihre Prämiensparverträge zu prüfen und sich bei Bedarf an Verbraucherzentralen oder Rechtsanwälte zu wenden.

Hintergrund

Der BGH hat in der Vergangenheit strenge Anforderung für die Vereinbarung einseitiger Zinsanpassungsklauseln aufgestellt (BGH, Urt. v. 17.02.2004 - XI ZR 140/03; BGH, Urt. v. 13.04.2010 - XI ZR 197/09; BGH, Urt. v. 14.03.2017 - XI ZR 508/15). Das in Zinsanpassungsklauseln liegende einseitige Leistungsänderungsrecht eines Finanzinstituts kann in Verbraucherverträgen nur dann wirksam vereinbart werden, wenn es unter Berücksichtigung der Interessen des Finanzinstituts für die Verbraucher zumutbar ist. Falsch bzw. zumindest verkürzt ist insofern die in der Pressemitteilung der BaFin hervorgehobene Aussage, dass einseitige Zinsanpassungsklauseln in Sparverträgen laut BGH seit 2004 generell unwirksam seien. Zu dem nun erfolgten Verbraucheraufruf sah sich die BaFin offenbar veranlasst, weil ein Runder Tisch mit Verbänden der Kreditwirtschaft und Verbraucherschutzorganisationen Ende November keine „kundengerechten“ Lösungen gebracht habe.

Urteile des OLG Dresden

Hinweise, wie die im Falle der Unwirksamkeit einer Zinsanpassungsklausel bestehende Regelungslücke zu schließen ist, erkennt die BaFin im Urteil des OLG Dresden in der Musterfeststellungsklage gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig vom 22.04.2020 (5 MK 1/19). Gegenstand der Musterfeststellungsklage sind die von der Sparkasse angebotenen Sparverträge „S-Prämiensparen flexibel“. Die BaFin verweist darauf, dass das OLG den von der klagenden Verbraucherzentrale zugrunde gelegten Referenzzinsatz der Deutschen Bundesbank WX4260 für das streitgegenständliche Prämiensparprodukt grundsätzlich für sachgerecht gehalten hat. Gleichwohl hat das OLG den entsprechend Musterfeststellungsantrag aber als unbegründet abgewiesen, da wegen der fehlenden Generalisierbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung auf die konkreten Umstände bei Vertragsschluss abgestellt werden müsse.

Das Urteil hat berechtigte Kritik erfahren. So hat das OLG insbesondere zu der Frage des angemessenen Referenzzinssatzes ausführliche bankbetriebswirtschaftliche Erwägungen angestellt, ohne hierzu jedoch sachverständige Expertise einzuholen. Eine entsprechende sachverständige Beratung ist nach Ansicht des BGH aber geboten (BGH, Urt. v. 21.12.2010 − XI ZR 52/08, Rz. 26). In seinen beiden weiteren Urteilen vom 17.06.2020 (5 MK 1/20) und vom 09.09.2020 (5 MK 2/19) hat sich das OLG Dresden im Übrigen einem obiter dictum zur Frage des angemessenen Referenzzinssatzes enthalten. Keines der Urteile ist bislang rechtskräftig. Die Revision ist jeweils beim BGH anhängig.

Droht eine Klagewelle?

Sollte auch der BGH die Auffassung teilen, dass hinsichtlich des zugrunde zu legenden Referenzzinssatzes auf die konkreten Umstände des Vertragsschlusses abzustellen ist, wären betroffene Sparer darauf verwiesen, ihre Ansprüche individuell geltend zu machen. Nicht zuletzt aufgrund der Warnung der BaFin vor einer möglichen Verjährung der Ansprüche, fordern Verbraucherschützer und -anwälte betroffene Sparer auf tätig zu werden. Auf die betroffenen Sparkassen könnte trotz oder gerade wegen der bislang noch nicht höchstrichterlich geklärten Rechtslage daher eine Welle von Individualklagen zurollen.

Fazit

Angesichts der ungeklärten Rechtslage ist es nachvollziehbar, dass die Verbände der Kreditwirtschaft die von der BaFin geforderten „kundengerechten“ Lösungen im Hinblick auf die immense wirtschaftliche Tragweite der Thematik derzeit nicht anbieten können. Betroffene Institute werden sich bis zu einer Entscheidung des BGH daher neben den bereits anhängigen Musterfeststellungsklagen auf zunehmende Individualklagen einstellen müssen. Mit unserer Kompetenz im Bankvertrags- und Prozessrecht und bei der Abwehr von Massenklagen stehen wir für einen Austausch hierzu gerne zur Verfügung.

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