18.07.2014Fachbeitrag

Update Compliance 177

Wer eine Ermittlungsakte oder Anklageschrift öffentlich macht, macht sich strafbar!

Das Verbot, eine Anklageschrift im Wortlaut öffentlich mitzuteilen, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert wurde, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27.06.2014 entschieden (Az.: 2 BvR 429/12).

Hintergrund des Beschlusses ist die Verfassungsbeschwerde eines Angeklagten, der die Anklageschrift vor dem ersten Hauptverhandlungstag ins Internet gestellt hatte. Er wurde deswegen gem. § 353d Nr. 3 des Strafgesetzbuches bestraft. Gegen diese Vorschrift hat er sich mit seiner Verfassungsbeschwerde – im Ergebnis erfolglos – gewendet.

Gemäß § 353d Nr. 3 StGB wird bestraft, wer die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat unterstrichen, dass das strafbewehrte Verbot, die Anklageschrift (sowie andere Teile der Ermittlungsakte) vor öffentlicher Erörterung in verfassungsmäßiger Weise dazu diene zu verhindern, dass Beteiligte an Verfahren, die straf- oder disziplinarrechtlicher Aufklärung und Ahndung dienen, insbesondere Laienrichter und Zeugen, durch die vorzeitige Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke in ihrer Unbefangenheit beeinträchtigt werden. Zudem schütze das Verbot die Persönlichkeitsrechte der vom Verfahren Betroffenen und - hinsichtlich des Angeklagten - die Aufrechterhaltung der bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu seinen Gunsten bestehenden Unschuldsvermutung. Diese sollen nicht durch Vorabveröffentlichungen amtlicher Schriftstücke gefährdet werden.

Praxishinweis

Die Akteneinsichtsrechte nach der Strafprozessordnung sind insbesondere auch für Wirtschaftsunternehmen ein wichtiges Instrument, ein Strafverfahren mit Bezug zum Betrieb zu verfolgen und sich ggf. daran zu beteiligen. Die §§ 406e, 475 StPO sehen Akteneinsichtsrechte für den Verletzten einer Straftat bzw. für denjenigen, der sonstige berechtigte Interessen darlegen kann (z. B. weil er Arbeitgeber des Beschuldigten ist), vor. Die Akteneinsicht muss anwaltlich beantragt werden.

Wer Einsicht in die Ermittlungsakte und/oder in die Anklageschrift in Strafverfahren nimmt, darf die Akte nur zum Zwecke, zu dessen Verfolgung die Akte eingesehen werden durfte, verwenden. Schon die Zitierung aus der Ermittlungsakte – etwa aus der Anklageschrift oder aus Verfügungen der Staatsanwaltschaft – in einem anderen, z. B. parallel laufenden Schadenersatzprozess – kann eine Strafbarkeit nach § 353d StGB auslösen.

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