14.07.2020Fachbeitrag

Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht NZM 12/2020

Wider jede Attacke auf § 2 Nr. 15 b BetrKV

In den „Eckpunkten zur TKG-Novelle 2019" schlagen das Bundeswirtschafts- und das Bundesverkehrsministerium —auf Empfehlung der Monopolkommission — die Streichung von § 2 Nr. 15 b BetrKV vor, weil die Umlagefähigkeit der Kosten

„des Betriebs von Breitbandverteilanlagen und der laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandanschlüsse"

die Wahlfreiheit der Verbraucher hemme und einen Nachteil für den Wettbewerb darstelle (s. BMWI/BMVI, Eckpunkte vom 21.2.2019, 16). Zur Novelle ist es noch nicht gekommen, aber sie reift heran und die Wogen schlagen hoch auf der auch von Lobbyisten bespielten Berliner Bühne. Es deutet sich ein Schlag gegen die innovative Wohnungswirtschaft und ihre meist mittelständischen Partner aus der Netzbetreiberbranche an, der bewährte Strukturen vernichten würde. Dahinter steht die Telekom Deutschland GmbH und ihre börsennotierte Mutter, die im Einklang mit anderen marktstarken Unternehmen der Telekommunikation die (lästige) Konkurrenz aus der mittlerweile trippleplayfähigen Kabelnetzbranche — TV, Telefon, Internet — abschütteln will.

Die heutige Rechtslage gestaltet sich so: Laufende Kosten des Eigentümers sind auf den Mieter umlagefähig. Dazu gehören die Kosten des Betriebs einer Gemeinschafts-Antennenanlage
 
(§ 2 Nr. 15 a BetrKV) und des Betriebs der mit einem Breitbandnetz verbundenen privaten Verteilanlage, etwaige Urheberrechtsentgelte und monatliche Grundgebühren für Breitbandanschlüsse (Nr. 15 b BetrKV).

Dies ermöglicht es den kleinen, mittleren und großen Unternehmen der Wohnungswirtschaft, eigene Kabel- und Breitbandnetze zu errichten oder von Kooperationspartnern, insbesondere mittelständischen Netzbetreibern, errichten und/oder betreiben zu lassen.

Entstanden aus der vor 20 Jahren erwachsenen Idee, dass wilde Satellitenantennen-Wälder einzelner Mieter durch eine moderne Gemeinschaftsversorgung verhindert werden können, „zog das Mietrecht mit": Da der seit damals aufkommende zahlenmäßig große TV-Programm-Konsum vertragsgemäßer Gebrauch der Wohnung durch den Mieter ist, darf der Vermieter nur dann erfolgreich gegen individuelle Parabolantennen vorgehen, wenn er eine kompensatorische Gemeinschaftsversorgung vorsieht (vgl. Schmittmann, Rechtspraxis des ASTRA-Satelliten-Direktempfangs, 3. Aufl. 1998, S. 26 ff. mwN zur Rechtsprechung).
 
Nichts anderes gilt, wenn die Wohnungswirtschaft mit aufgerüsteten Netzen über Gemeinschaftsanlagen Internet Protocol Televison (IPTV), also die neuen Digital TV-Plattformen, anzubieten weiß (Hitpaß, NZM 2012, 401 [405] mwN zur Rechtsprechung).

Die Attacke auf die gewachsene Rechts- und Sachlage starteten die DTAG bzw. Telekom Deutschland schon 2012 bei der damaligen TKG-Novelle. Unter „6. Abbau von Marktverzerrungen gegenüber TV-Kabelnetzen (Nebenkostenprivileg)" hieß es in einer Stellungnahme, der Mieter zahle über die Nebenkosten den Kabelanschluss, gleichgültig ob er ihn nutze oder nicht. Bei Bestellung von IPTV bei anderen TK-Unternehmen (also z. B. Telekom Deutschland) zahle er doppelt. Er habe keine Wahlfreiheit, die Kosten seien intransparent. Das sei Marktverzerrung zugunsten der Kabelnetzbetreiber und zulasten der TK-Anbieter. Die Stellungnahme endete mit den Worten:

„Die Vorschrift des § 2 Nr. 15 BetrKV sollte gestrichen werden." (Zitat bei Hitpaß, NZM 2012, 401 [4101. Sp.]).

Aber es kam anders: Der Gesetzgeber ersetzte in § 2 Nr. 15 BetrKV das Wort „Breitbandkabelnetz" durch „Breitbandnetz" und stellte damit klar, dass der Primat des Mietrechts auch dann gilt, wenn aus TV-Kabelnetzen Triple-Play-Angebote werden oder die Wohnungswirtschaft solche modernen, hochgeschwindigkeitsfähigen Netze selbst verlegt/verlegen lässt. Im angeführten Eckpunktepapier zur TKG-Novelle 2019 — einen weiteren Angriff auf das Gefüge des deutschen Mietrechts bedeutend — heißt es, weil nach §§ 105, 43 b TKG Vertragsbindungen zwischen Verbrauchern und TK-Dienstleistern nicht länger als 24 Monate unkündbar sein dürften (in Umsetzung der Universaldienste-Richtlinie), kollidiere § 2 Nr. 15 BetrKV mit geltendem TK-Recht. Es müsse sichergestellt werden,

„dass Verbraucher nicht durch vertragliche Hindernisse vom Anbieterwechsel oder einer Vertragsbeendigung abgehalten werden" (BMWI/BMVI, Eckpunkte, 16 f.).

Das LG Essen kam demgegenüber bei Gelegenheit einer Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale gegen VIVA-WEST zu dem Ergebnis, dass die Vorschrift des § 43 b TKG (Begrenzung auf 24 Monate Vertragslaufzeit) die Wohnungswirtschaft keineswegs verpflichtet, sich des längerfristigen, weil am Mietvertrag hängenden Sammelinkassos zu enthalten, denn sie sei — mangels Qualifizierung als Anbieter von TK-Diensten — nicht Normadressat (LG Essen, Urt. v. 31.5.2019 — 45 0 72/18, Umdruck S. 10 ff., für BeckRS 2019, 43893 vorgesehen). Man darf hinzufügen: Ihr Vertragspartner Mieter ist auch ihr gegenüber kein Verbraucher.

Der Gesetzgeber hat 2012 sehenden Auges und richtigerweise § 2 Nr. 15 b BetrKV technologisch neutral ausgestaltet. Er wollte, dass der Ausbau digitaler breitbandiger Infrastrukturen vom Vermieter als Gemeinschaftsversorgung  angegangen wird und hat damit Reichweitenerfolge erzielt. Das ist Wettbewerb und Förderung der Innovationsziele des TKG, nicht deren Verhinderung.

Doch schon bei der TKG-Novelle 2016 (DigiNetzG) — in Umsetzung der Kostensenkungs-Richtlinie — war der Gesetzgeber auf Abwege geraten, es ging ihm nicht schnell genug: Das Zugangsrecht der TK-Diensteanbieter zur Inhouse-Netzinfrastruktur wurde so umformuliert, dass die Wohnungswirtschaft den „Schwarzen Peter" für die zu langsam empfundene Etablierung von hochgeschwindigkeitsfähigen Netzen zugespielt bekam. Seitdem setzt Berlin auf die Atomisierung von Hausinfrastrukturen ( „Einzelstich": die je eigene Verkabelung/Mieter; vgl. schon 2016 krit. Brock/ Schmittmann, MMR 2016, 584 [587]).

Überraschenderweise schadet das DigiNetzG den in der Wohnungswirtschaft gewachsenen Strukturen bislang aber weniger als gedacht. Umgekehrt scheiterte die Telekom Deutschland auch nach dem DigiNetzG 2016 mit ihrer Zielsetzung, auf Kosten Dritter und ohne Entgelt für den Zugang zu häuslichen Infrastrukturen auf Netzen der Wohnungswirtschaft bzw. ihrer Vertragspartner zu Einzelkunden mit 24-monatig kündbaren Einzelverträgen vorzudringen.
Sie hat erkannt, dass nicht das Zugangsentgelt das Hindernis ist, sondern die mangelnde Akzeptanz seitens der Mieterschaft. Kann es sein, dass die Mieter einfach zufrieden mit den Leistungen der Gemeinschaftsversorgung und damit schlicht wechselunwillig sind?
 
Gleichsam als ultimatives Mittel der Wahl bleibt in dieser Lage offenbar nur noch der Angriff auf das geltende Mietrecht: Denn darf der Vermieter die monatlichen Kosten seiner Gemeinschaftsanlage nicht mehr umlegen, verödet diese im Unverbindlichen. Und er kann bei einer anstehenden Neuvermietung nicht mehr ernsthaft mit der digitalen Ausrüstung seiner Wohnungen gegenüber Mietinteressenten werben, mit der er Miete und Betriebskosten rechtfertigt.
Der von der Telekom Deutschland betriebene Kampf gegen gemeinschaftliche Lösungen, der Versuch, bewährte Institutionen des gemeinschaftlichen Lebens im Mietverhältnis anzugreifen, mag dem Trend eines überzogenen Individualismus entsprechen, ist aber falsch:

§ 2 Nr. 15 b BetrKV muss bleiben!

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