15.07.2015Fachbeitrag

Newsletter IP, Media & Technology Juli 2015

Zum aktuellen Stand des Sportwettenkonzessionsverfahrens in Deutschland

Das Sportwettenkonzessionsverfahren in Deutschland kann wohl nur als eine Geschichte des Scheiterns bezeichnet werden. Inzwischen läuft das Verfahren seit beinahe drei Jahren, ohne dass bislang auch nur eine einzige Konzession vergeben wurde. Dabei sieht das 2012 eingeführte Konzessionsmodell eine zeitliche Begrenzung auf sieben Jahre bis 2019 vor, in der diese Lösung erprobt werden sollte. Das Ende dieses Zeitfensters ist nicht absehbar, was jegliche noch erfolgende Konzessionsvergabe noch fragwürdiger erscheinen lässt. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden bemerkte hierzu jüngst trocken, „Experimentierphase“ solle nicht bedeuten, dass die zuständigen Behörden sieben Jahre Zeit hätten zu experimentieren, wie ein Konzessionsverfahren rechtlich zu gestalten sei.

Zur Vorgeschichte

Am 1. Juli 2012 trat der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) in seiner aktuellen Form in Kraft, welcher gegenüber der vorherigen Regelung zu einer gewissen Liberalisierung des Sportwettenmarktes führen sollte. Zum einen wurde das bis dahin bestehende vollständige Internetverbot durch § 4 Abs. 5 GlüStV außer Kraft gesetzt. Demnach kann das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten im Internet nunmehr unter gewissen Voraussetzungen erlaubt werden. Zum anderen wurde das Sportwettenmonopol aufgehoben und durch die bereits eingangs erwähnte „Experimentierklausel“ des § 10a GlüStV ersetzt, wonach das staatliche Sportwettenmonopol für einen Zeitraum von sieben Jahren nicht anzuwenden ist. Sportwetten dürfen in diesem Zeitraum mit einer Sportwettenkonzession auch von privaten Anbietern angeboten werden. Das Sportwettenkonzessionsverfahren wurde in §§ 4a bis 4e GlüStV geregelt. Die Höchstzahl der Konzessionen wurde auf 20 festgelegt. Gemäß § 9a Abs. 2 Nr. 3 GlüStV ist das Hessische Ministerium des Innern und für Sport für die Vergabe der Sportwettenkonzessionen zuständig. Internes, länderübergreifendes Entscheidungsgremium ist das Glücksspielkollegium.

Der Ablauf des Konzessionsverfahrens

Im August 2012 wurde das Sportwettenkonzessionsverfahren europaweit ausgeschrieben. Das Verfahren erfolgte in zwei Stufen. Auf der 1. Stufe mussten die in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt werden, während die Bewerber auf der 2. Stufe Gelegenheit erhielten, ihre jeweiligen Bewerbungen zu ergänzen. Zur Klärung des Anforderungskatalogs zur 2. Stufe mussten die Bewerber einen Katalog mit 600 Fragen ausfüllen, wodurch die Erfüllung der Mindestanforderungen überprüft werden sollte. Ursprünglich bewarben sich 73 Bewerber um eine Sportwettenkonzession, von denen lediglich 41 Bewerber die 2. Stufe des Verfahrens erreichten. Im Herbst 2013 teilte das Land Hessen mit, dass keiner der in der zweiten Stufe verbliebenen 41 Bewerber die Mindestanforderungen erfüllt habe, und entschied sich, eine „Nachbesserungsrunde“ durchzuführen. Im Anschluss an diese „Nachbesserungsrunde“ erhielten die nunmehr verbliebenen 35 Bewerber am 2. September 2014 eine Vorabmitteilung, in welcher ihnen die erzielten Punkte und der dadurch erlangte Rang mitgeteilt wurden. Die endgültige Konzessionserteilung an die ausgewählten 20 Bewerber sollte am 18. September 2014 erfolgen. Unter den auserwählten Bewerbern befanden sich überwiegend deutschsprachige und zum Teil auch vergleichsweise unbekannte Anbieter. Bekannte Anbieter wie Tipico, Bet365 oder Sportingbet durften sich hingegen nicht zu den auserwählten Anbietern zählen.

Der „Hängebeschluss“ des VG Wiesbaden

Seither tobt der juristische Kampf vor den Verwaltungsgerichten. Am 17. September 2014 erließ das VG Wiesbaden zunächst einen sog. „Hängebeschluss“ (Az.: 5 L 1428/14.WI). Damit gab das Gericht dem Land Hessen auf, das Konzessionsverfahren offen zu halten und zunächst keine Konzessionen zu erteilen. Dieser Beschluss war aufgrund des Eilantrages nach § 123 Abs. 1 VwGO eines Bewerbers ergangen, der einen ablehnenden Bescheid erhalten hatte. Aus Sicht des Gerichts blieb dem Bewerber nur die Möglichkeit, den Ablehnungsbescheid anzufechten und eine einstweilige Anordnung zu beantragen. Eine Kontrolle der Auswahlentscheidung könne derzeit nicht gewährleistet werden. Weder die Ablehnungsbescheide noch der diesen beigefügte Bewertungsbogen seien hinsichtlich ihrer Begründung aus sich heraus verständlich. Darüber hinausgehende Unterlagen habe das Land Hessen – mit Ausnahme von zwei Bänden Generalakten – nicht zur Verfügung gestellt.

Bestätigung des „Hängebeschlusses“ durch den VGH Hessen

Mit einem Beschluss vom 7. Oktober 2014 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des Landes Hessen zurückgewiesen und die Entscheidung des VG Wiesbaden bestätigt (Az.: 8 B 1686/14). Ohne Vorlage der vollständigen Verfahrensakten, die zu diesem Zeitpunkt vom Land   Hessen verweigert wurde, sei nicht einmal eine summarische Überprüfung der Auswahlentscheidung möglich. Schließlich müssten nicht nur die Kriterien, von denen sich die Behörde bei ihrer Entscheidung hat leiten lassen, transparent und nachvollziehbar sein, sondern auch der konkrete Auswahlvorgang selbst müsse diesen Erfordernissen genügen. Diese Überprüfung sei anhand der zur Verfügung stehenden Akten nicht durchführbar. In einem Parallelverfahren entschied das OLG Hamburg ähnlich.

Weitere Entscheidungen des VG Wiesbaden

Im April (Beschluss vom 16.4.2014, Az.: 5 L 1448/14.WI) und Mai (Beschluss vom 5.5.2015, Az.: 5 L 1453/14.WI) diesen Jahres folgten zwei weitere Beschlüsse des VG Wiesbaden, die jeweils bedeutsame Aussagen zum Konzessionsverfahren zum Inhalt haben. Im Mai gab das Gericht dem Eilantrag eines am Auswahlverfahren beteiligten abgelehnten Bewerbers vollständig statt und verpflichtete das Land Hessen, bis zu einer Entscheidung im Klageverfahren die Erteilung von Konzessionen zurückzustellen. Unabhängig von den jeweiligen Einzelfällen enthält die Gerichtsentscheidung maßgebliche Ausführungen zu den Fehlern bei der Konzeption und Durchführung des Konzessionsverfahrens. Das Gericht kritisiert insbesondere, dass nicht alle Kriterien für die Erlangung einer Sportwettenkonzession im Voraus bekannt gewesen seien. Weder aus der Ausschreibung noch aus dem Gesetzestext des Glücksspielstaatsvertrags hätten die Bewerber entnehmen können, was letztlich für eine erfolgreiche Bewerbung von ihnen gefordert werde. Dieser Missstand sei mit dem Transparenzgebot nicht zu vereinbaren. Zudem sei auch der Prüfungsablauf als solcher als intransparent zu bezeichnen. Selbst auf Nachfrage konnte nicht offengelegt werden, welche Personen mit welcher Qualifikation jeweils zur Prüfung eingesetzt wurden und wie eine durchgängige Beurteilung des für alle Bewerber gleichen Kriterienkatalogs durch jeweils dieselben Prüfer gewährleistet werden sollte. Das VG Frankfurt hat sich in der Zwischenzeit dieser Beurteilung in einem Parallelverfahren angeschlossen. Andere Verwaltungsgerichte, so etwa das OVG Berlin-Brandenburg und vorher das VG Berlin, hatten hinsichtlich der grundsätzlichen Mängel des Verfahrens milder und „staatstreuer“ entschieden.

Stellungnahme der Europäischen Kommission

In einer Stellungnahme äußerte sich auch die Europäische Kommission in einem Vorlageverfahren des AG Sonthofen (Rs. C-336/14 – „Ince“) derweil mit ähnlichen Argumenten kritisch zum deutschen Sportwettenkonzessionsverfahren. Die Kommission ist ebenfalls der Ansicht, die konkrete Durchführung des Sportwettenkonzessionsverfahrens verletze das Transparenzgebot, da nicht alle Minimalanforderungen vorweg publiziert wurden. Dies sei jedoch erforderlich, damit Interessenten eine begründete Entscheidung über die Teilnahme am Verfahren treffen können. Zudem kritisiert sie die „unangemessene Dauer“ des Konzessionsverfahrens sowie die Mitwirkung derjenigen Rechtsanwaltskanzlei, die die Landeslotteriegesellschaften schon seit Jahren vertritt. Die mündliche Verhandlung vor dem  EuGH, in der die Kommission ihre Kritik nochmals bekräftigte, erfolgte am 10. Juni 2015.

Fazit

Das Sportwettenkonzessionsverfahren ist in seiner aktuellen Form gescheitert. Es gilt daher den Blick in die Zukunft zu richten und sich zu fragen, welche denkbaren Auswege es aus dieser Situation gibt. Eine naheliegende Lösung könnte es zunächst sein, das Sportwettenkonzessionsverfahren unter Beachtung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV sowie der Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren gemäß § 4b GlüStV, Art. 3 Abs. 1 GG zu wiederholen. Diese Lösung begegnet jedoch vor allem angesichts der geringen Restlaufzeit der Konzessionen bis zum 30. Juni 2019 erheblichen Bedenken, da bereits jetzt etwa ein Drittel der gesamten Konzessionsdauer verstrichen ist. Alternativ könnte überlegt werden, allen Bewerbern eine (vorläufige) Konzession zu erteilen, die im Verfahren die Mindestanforderungen erfüllt haben. Diesem Vorgehen gegenüber bestehen wiederum Bedenken, da eine beachtliche Anzahl von Sportwettenanbietern angesichts der Verfahrensausgestaltung erst gar nicht am Verfahren teilgenommen hat. Letztlich müssten diese aus Gleichheitsgesichtspunkten auch nachträglich noch berücksichtigt werden. Dementsprechend besteht die einzig langfristig tragfähige Alternative zur Schaffung von Rechtssicherheit für Unternehmen wie Wettkunden in einer gesetzlichen Neuregelung, die sich im Regelungsgehalt an den kurzzeitigen schleswig-holsteinischen „Sonderweg“ anschließt und vor allem die zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen aufgibt.

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