08.06.2015Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Juni 2015

Zum Rechtsanspruch auf förmliche Rücknahme einer Abmahnung/Ermahnung

LAG Niedersachsen, Urteil vom 20.11.2014 – 5 Sa 980/14

Wird einem Arbeitnehmer eine Abmahnung bzw. Ermahnung erteilt, stellt sich die Frage der Rechtsschutzmöglichkeiten. Neben einer Gegendarstellung kann der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die Entfernung einer unberechtigten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Ob und inwieweit (daneben) auch ein Anspruch auf Rücknahme einer unberechtigten Abmahnung bzw. Ermahnung besteht, ist bisher nicht abschließend geklärt und war Gegenstand eines Urteils des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen.

Die Parteien streiten darüber, ob die klagende Arbeitnehmerin gegenüber ihrem Arbeitgeber einen Anspruch auf Rücknahme einer Abmahnung und einer Ermahnung hat, die jeweils per E-Mail ausgesprochen und nicht zur Personalakte genommen worden sind. Die Klägerin erhielt eine E-Mail, in der ihr ein Vorstandsmitglied des Beklagten vorwarf, einen angeforderten Bericht noch nicht fertiggestellt zu haben und hierzu auf mögliche Konsequenzen hinwies. In einer weiteren E-Mail äußerte der Vertreter u. a. sein Befremden über die Terminabsagen der Klägerin und erklärte, er warte weiterhin auf die Nennung spanischer Ansprechpartner. Daneben gab er Informationen zu einer neuen Arbeitsaufgabe und einem neuen Dienstsitz. Beide E-Mails wurden in Kopie (cc) an Arbeitskollegen bzw. Vorgesetzte der Klägerin versandt. Die Klägerin hat die erhobenen Vorwürfe bestritten. Sie begehrt die Rücknahme der als Abmahnung und Ermahnung bewerteten E-Mails. Der Beklagte hat zu Protokoll erklärt, dass die in den E-Mails evtl. erhobenen Rügen und behaupteten Pflichtverletzungen zukünftig nicht für etwaige personelle Maßnahmen gegenüber der Klägerin verwandt würden. Er halte an der sachlichen Richtigkeit der getätigten Vorwürfe jedoch weiter fest.

Entscheidung des LAG Niedersachsen

Das LAG Niedersachsen hat entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rücknahme der in den E-Mails enthaltenen Erklärungen habe. Ein Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf Abgabe einer förmlichen Rücknahmeerklärung, wenn zuvor der Arbeitgeber erklärt habe, er werde die zu Unrecht ergangene Abmahnung nicht für etwaige personelle Konsequenzen gegenüber dem Arbeitnehmer verwenden. Dies gelte auch, wenn er erklärt, er halte an der sachlichen Richtigkeit der dort erhobenen Vorwürfe fest.

Das LAG nimmt an, die von der Klägerin geforderten Erklärungen gingen zu weit und seien nicht erforderlich, um den Rechtsschutzinteressen eines Arbeitnehmers effektiv Rechnung zu tragen. Im Streitfall sei dem Schutzbedürfnis der Klägerin vielmehr ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Beklagte verbindlich erklärt habe, er werde keinerlei Konsequenzen aus den beiden E-Mail-Schreiben herleiten. Die Weiterleitung der E-Mails an Arbeitskollegen bzw. Vorgesetzte liefere ebenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis für die Rücknahme der E-Mails im Ganzen. Zwar könne ein Anspruch auf Widerruf einzelner in den E-Mails enthaltender missbilligenswerter und ehrverletzender Äußerungen gegeben sein, einen solchen Anspruch habe die Klägerin im Streitfall jedoch nicht geltend gemacht.

Revision zum BAG

Das LAG hat die Revision zum BAG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen, da noch nicht geklärt sei, welchen Inhalt ein isolierter Antrag auf „Rücknahme einer Ermahnung/Abmahnung“ nach dem vom BAG entwickelten System des Rechtsschutzes eines Arbeitnehmers gegen missbillige Äußerungen seitens des Arbeitgebers habe bzw. haben könne. Die Revision ist unter dem Az. 2 AZR 64/15 anhängig.
Das BAG hat sich bisher nur zu einer neben der Entfernung aus der Personalakte verlangten Rücknahme einer Abmahnung geäußert und hierzu angenommen, dass „Rücknahme und Entfernung“ zumeist als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung zu verstehen seien, jedoch bei entsprechender Klagebegründung auch anzunehmen sein kann, dass mit der Rücknahme auch der Widerruf der darin enthaltenen Äußerungen begehrt wird (BAG 19.7.2012 – 2 AZR 782/11).

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie das BAG über die zugelassene Revision entscheiden wird. Es überzeugt, dass das LAG dem Arbeitnehmer in der vorliegenden Konstellation keinen Rechtsanspruch auf förmliche Rücknahme der Abmahnung bzw. Ermahnung gewährt hat. Gleichwohl sollte der Arbeitgeber es vermeiden, Abmahnungen und Ermahnungen über E-Mails zu erteilen, die an Arbeitskollegen weitergeleitet werden.

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