12.04.2015Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht April 2015

Zur Zulässigkeit eines ausländischen Hauptversammlungsorts

BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 330/13

Mit seinem Urteil vom 21. Oktober 2014 hat der BGH die bislang umstrittene Rechtsfrage der Zulässigkeit eines vom Satzungs- oder Börsensitz abweichenden ausländischen Hauptversammlungsortes nunmehr höchstrichterlich entschieden und erklärt die Bestimmung eines ausländischen Hauptversammlungsortes in der Satzung eines Unternehmens für grundsätzlich zulässig. Allerdings wird diese neue Gestaltungsfreiheit an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die im Folgenden näher dargestellt werden sollen.

Die Beklagte ist eine börsennotierte Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea, kurz: „SE“) mit Sitz in Berlin. § 4 der Satzung bestimmte, dass die Hauptversammlung entweder am Sitz der Gesellschaft oder am Sitz einer deutschen Wertpapierbörse stattfindet. Die Hauptversammlung beschloss eine Neufassung des § 4.1.1 der Satzung dahingehend, dass die Hauptversammlung entweder am Sitz der Gesellschaft, dem Sitz einer Wertpapierbörse in der EU oder einer Großstadt in der EU mit mehr als 500.000 Einwohnern stattfindet. Der BGH hatte nunmehr über die Wirksamkeit dieses Satzungsänderungsbeschlusses zu entscheiden.

Kriterien für die Formulierung einer zulässigen Satzungsbestimmung

Nach Ansicht des Senats könne die Satzung einen Hauptversammlungsort im Ausland bestimmen. Der BGH schränkt diesen Grundsatz allerdings dahingehend ein, dass die konkrete Ausgestaltung der Satzungsbestimmung dem einberufungsberechtigten Versammlungsleiter kein uneingeschränktes Ermessen hinsichtlich des zu bestimmenden Ortes der Hauptversammlung einräumen darf. Die jeweilige Satzungsbestimmung muss vielmehr gewährleisten, – und das Ermessen des Versammlungsleiters entsprechend einschränken – dass die vom Satzungssitz oder – bei börsennotierten Gesellschaften – von einem deutschen Börsensitz abweichende Bestimmung eines Versammlungsorts in der Satzung eine sachgerechte, am Teilnahmeinteresse der Aktionäre ausgerichtete Vorgabe enthält.

Bestimmbarkeit

Die streitgegenständliche Satzungsbestimmung, die dem Einberufungsberechtigten die Auswahl unter einer großen Zahl geographisch weit auseinanderliegender Orte überlässt, wurde dieser Anforderung nicht gerecht. Der BGH sah das Teilnehmerinteresse des einzelnen Aktionärs gefährdet, da dieser unter Umständen eine weite Anreise bis an die Ränder der Europäischen Union auf sich nehmen müsse, obwohl er sich an einer Gesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland beteiligt habe und am Versammlungsort kein Bezug zur geschäftlichen Tätigkeit der Gesellschaft bestehe.

Anwendbarkeit auf Satzungen von SE und AG

Der BGH begründete seine Entscheidung nicht mit dem supranationalen Charakter der SE, sondern vielmehr mit der Auslegung des – im vorliegenden Fall subsidiär anwendbaren – AktG. Die Entscheidung dürfte daher in gleicher Weise für die Satzungsgestaltung deutscher AGs gelten. Insbesondere ist auch hier das Bestimmbarkeitserfordernis des BGH zu beachten. Dies gilt umso mehr, als dass nicht wenige Satzungen nationaler AGs Klauseln enthalten, die ebenfalls eine hohe Anzahl potentieller Versammlungsorte in Deutschland ermöglichen.

Die Formulierung einer zulässigen Satzungsbestimmung dürfte auch zukünftig nicht immer ganz einfach sein. Der BGH schafft jedoch ein Stück weit Rechtssicherheit, indem er sich für die grundsätzliche Zulässigkeit ausländischer Hauptversammlungsorte ausspricht. In der Praxis wird es bei der Gestaltung entsprechender Satzungsklauseln maßgeblich darauf ankommen, die Vorgaben des BGH bzw. die darin zum Ausdruck kommende Wertung auf den konkreten Einzelfall anzuwenden.

Gleichwertigkeit der Beurkundung eines ausländischen Notars

Abschließend sei erwähnt, dass der BGH mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zu Beurkundungen durch ausländische Notare bestätigt, wonach die Beurkundung durch einen ausländischen Notar zulässig ist, wenn sie der deutschen Beurkundung gleichwertig ist (was etwa für Beurkundung durch Schweizer Notare in einigen deutschsprachigen Kantonen angenommen wird). Unter diesen Voraussetzungen steht jedenfalls das grundsätzliche aktienrechtliche Beurkundungserfordernis (§ 130 Abs. 1 Satz 1 AktG) der Durchführung einer Hauptversammlung
im Ausland nicht entgegen.

Fazit

Mit der grundsätzlichen Anerkennung der Zulässigkeit von Hauptversammlungen im Ausland unter Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung zur Gleichwertigkeit von Beurkundungen durch ausländische Notare stellt der BGH zusätzliche Rechtssicherheit bei der Satzungsgestaltung Deutscher und Europäischer Aktiengesellschaften her. Hierbei ist der BGH um einen Ausgleich der Interessen des einzelnen (Minderheits-)Aktionärs an einer regelmäßigen Hauptversammlungsteilnahme einerseits und den Interessen der Gesellschaft (und ggf. eines Mehrheitsaktionärs) an einer flexiblen und grenzüberschreitenden Satzungsgestaltung andererseits bemüht.

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