28.11.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht November 2019

Zustimmungspflichtige Einstellung bei betriebsübergreifenden Weisungsstrukturen

Die Übertragung von fachlichen Weisungsbefugnissen an eine betriebsfremde Führungskraft innerhalb einer Matrixstruktur unterliegt der Zustimmung des Betriebsrats, in welchem die weisungsabhängigen Mitarbeiter beschäftigt werden. Ob die Führungskraft vor Ort oder aus der Zentrale die Leitungsfunktion ausübt, ist dabei unerheblich.

In der heutigen betrieblichen Praxis werden Mitarbeiter regelmäßig in Weisungsstrukturen eingebunden, die über Betriebs- und/oder Unternehmensgrenzen hinweggehen (sog. Matrixstrukturen). Der Vertragsarbeitgeber überträgt dabei das fachliche Weisungsrecht an einen Mitarbeiter, der in einem anderen Betrieb oder sogar Konzerngesellschaft beschäftigt ist, während das disziplinarische Weisungsrecht bei ihm verbleibt. Mit den mitbestimmungsrechtlichen Folgen solcher Strukturen hatte sich jüngst das BAG zu beschäftigen: 

Sachverhalt

Die in der Zentrale der Arbeitgeberin eingesetzte Führungskraft wurde mit Zustimmung des dortigen Betriebsrats zum Leiter des Bereichs „Standard Fulfillment“ befördert. Der Bereich Standard Fullfillment untergliedert sich in Abteilungen mit ihren jeweiligen Abteilungsleitern. Die Mitarbeiter und der Abteilungsleiter der Abteilung TKP hatten ihren Dienstsitz in der Betriebsstätte in R. Der neue Bereichsleiter nahm seine Vorgesetztenposition aus der Zentrale wahr. Die Arbeitgeberin beantragte vorsorglich die Zustimmung zur „Versetzung“ beim für die Betriebsstätte R. zuständigen Betriebsrat „West“ („Betriebsrat West“). Der Betriebsrat West verweigerte die Zustimmung unter Hinweis auf § 93 BetrVG und § 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung über die innerbetriebliche Stellenausschreibung (GBV). Nach der GBV sei ein Arbeitsplatz auszuschreiben, sofern nicht der örtliche Betriebsrat auf die Ausschreibung verzichte. 

Entscheidung

Die Arbeitgeberin beantragte die arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzung mit der Begründung, dass allein die Übertragung einer Vorgesetztenfunktion keine zustimmungspflichtige Einstellung begründe. Der Betriebsrat West war der Ansicht, dass seine Zustimmung zur personellen Maßnahme erforderlich, aber nicht zu ersetzen sei. Es lag ein beachtlicher Grund zur Verweigerung der Zustimmung vor, da ohne Verzicht des Betriebsrats von der Ausschreibung der Stelle abgesehen wurde.   

Das BAG stellte fest, dass es sich um eine zustimmungspflichtige Einstellung in den Betrieb in R. gehandelt habe. Eine Einstellung liege dann vor, wenn eine Person in den Betrieb eingegliedert wird, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Mitarbeitern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Die erforderliche Eingliederung in die Betriebsorganisation erfordere nicht, dass der Mitarbeiter seine Arbeiten auf dem Betriebsgelände oder innerhalb der Betriebsräume verrichtet. Unerheblich sei zudem, wie häufig die Tätigkeiten erfolgen oder wieviel Zeit sie in Anspruch nehmen würden (vgl. BAG vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 59/14). 

Somit ist unschädlich, dass der Bereichsleiter seine Tätigkeit von der Zentrale aus wahrnahm. Als unmittelbarer Vorgesetzter des Abteilungsleiters und mittelbarer Vorgesetzter der weiteren in der Betriebsstätte R. beschäftigten Mitarbeiter, sei er in die Erfüllung der dort zu erledigenden operativen Aufgaben ausreichend eingebunden. Durch die Wahrnehmung dieser Führungsaufgaben habe er auch den arbeitstechnischen Zweck des Einsatzbetriebes erfüllt. Als aufnehmender Betrieb war also der Betriebsrat West zuständig. Die Zustimmung des Einsetzungsbetriebes war dennoch zu ersetzen. Ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 93 BetrVG setzt die Besetzung vorhandener Arbeitsplätze voraus. Genau hieran fehlte es. Die Arbeitgeberin habe trotz der Einstellung im Einsatzbetrieb in R. keinen „Arbeitsplatz“ besetzt, sondern lediglich Führungsaufgaben übertragen, was dort nicht zu einem freien Arbeitsplatz geführt habe.

Praxishinweis

Das BAG setzt seine bisherige Rechtsprechung fort, wonach die Anwesenheit im Betrieb für die Annahme einer Eingliederung nicht erforderlich ist (so bereits BAG vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 59/14). Ein anderes Verständnis wäre auch mit der betrieblichen Gegenwart kaum in Einklang zu bringen. Mithin ist bei Matrixstrukturen in Anwendung der allgemeinen Grundsätze des BetrVG eine praxisnahe Lösung zu suchen. Um Zweifelsfälle rechtssicher zu gestalten, empfiehlt sich eine vorsorgliche Beteiligung des Betriebsrats am Sitz der Führungskraft sowie am Sitz der berichtenden Mitarbeiter. 

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