28.01.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Januar 2022

Das Urteil des BAG zum pfändbaren Arbeitseinkommen bei Entgeltumwandlung

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt keine Gläubigerbenachteiligung vor, wenn die Arbeitsvertragsparteien eine Entgeltumwandlungsvereinbarung nach Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abschließen. 

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers in eine wertgleiche Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung umgewandelt wird, entstehen insoweit keine pfändbaren Ansprüche auf Arbeitseinkommen (§ 850 Abs. 2 ZPO) mehr. 

Das gilt nach dem Bundesarbeitsgericht auch, wenn die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst nach Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses über das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers erfolgt. Zumindest dann, wenn dieser von seinem Recht aus § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG Gebrauch gemacht hat und der umgewandelte Entgeltbetrag den in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgesehenen Betrag nicht überschreitet. 

Sachverhalt

Die geschiedene Ehefrau des Klägers schuldet diesem eine Zahlung in Höhe von EUR 22.679,60. Aufgrund dieser Verpflichtung erwirkte der Kläger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses („PfÜB“) und stellte diesen Ende des Jahres 2015 der Beklagten, der Arbeitgeberin der Streitverkündeten, zu. Diese leistete daraufhin monatliche Zahlungen an den Kläger. Im Mai 2016 schlossen die Beklagte und Streitverkündete eine Entgeltumwandlungsvereinbarung, die eine betriebliche Altersversorgung im Wege der Direktversicherung zum Gegenstand hatte. Die von der Beklagten monatlich an die Direktversicherung abzuführende Leistung beträgt EUR 248. In Höhe dieses Betrags reduzierte die Beklagte das pfändbare Einkommen der Streitverkündeten und kürzte die fortlaufenden Leistungen an den Kläger. 

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Erhöhung des pfändbaren Einkommens um EUR 248 und Rückzahlung der bisher gekürzten Leistungen. Das Arbeitsgericht wies die Klage zurück, auf die Berufung des Klägers gab das Landesarbeitsgericht ihr teilweise statt. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht („BAG“) nunmehr die vollständige Abweisung der Klage. 

Entscheidung

Die Revision der Beklagten war erfolgreich. Das BAG wies die Klage vollständig ab. Die monatlichen Zahlungen der Beklagten zur betrieblichen Altersversorgung aufgrund der mit der Streitverkündeten abgeschlossenen Entgeltumwandlungsvereinbarung gehören nicht zum pfändbaren Arbeitseinkommen nach § 850 Abs. 2 ZPO. Es liegt insoweit kein pfändbares Einkommen mehr vor, wenn die Beklagte Teile der künftigen Entgeltansprüche der Streitverkündeten durch Entgeltumwandlung zum Aufbau der betrieblichen Altersversorgung verwendet. Auch die Streitverkündete hat in Höhe dieser Leistungen keinen Entgeltanspruch mehr gegen die Beklagte. Auch der Umstand, dass die Arbeitsvertragsparteien die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst nach Zustellung des PfÜB schlossen, gebiete keine andere Beurteilung. Wenn die monatlichen Leistungen der Beklagten zur betrieblichen Altersversorgung den in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgesehenen Betrag nicht überschreiten, liegt aufgrund der gesetzgeberischen Wertung gerade keine den Kläger benachteiligende Verfügung i. S. v. § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO vor. Auch die Nichtigkeit der Entgeltumwandlungsvereinbarung aufgrund von Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB schloss das BAG mangels diesbezüglichen Vortrags aus. Eine solche Sittenwidrigkeit könnte nach der Rechtsprechung beispielsweise dann vorliegen, wenn sich die Streitverkündete vorsätzlich der Zahlung von Kindesunterhalt entziehen will (BAG vom 17. Februar 1998 – 3 AZR 611/97). 

Praxishinweis

Das BAG ergänzt seine bisherige Rechtsprechung, wonach grundsätzlich kein pfändbares Arbeitseinkommen mehr vorliegt, wenn der Arbeitgeber nach § 1a Abs. 1 BetrAVG künftige Entgeltansprüche des Arbeitnehmers für dessen betriebliche Altersversorgung verwendet (BAG vom 17. Februar 1998 – 3 AZR 611/97). Dies ist auch dann der Fall, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst nach Zustellung eines PfÜB abgeschlossen haben. Diese Entscheidung bringt somit die notwendige Rechtsklarheit für Arbeitgeber, die sich im Spannungsfeld von möglichen Drittschuldnerklagen und der Erfüllung des Arbeitnehmeranspruchs auf betriebliche Altersversorgung nach § 1 a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG befanden. Zudem stärkt die Entscheidung des BAG die Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung zur Erfüllung ihrer sozialpolitischen Funktion und mithin der Schließung von Versorgungslücken. Insbesondere Arbeitnehmer, denen aufgrund der Pfändung von Gehaltsbestandteilen keine anderweitige Rücklagenbildung mehr möglich ist, sind vor den Folgen von Altersarmut zu schützen. Dies zumindest insoweit, als dass die Arbeitsvertragsparteien den in § 1 a BetrAVG genannten Betrag nicht überschreiten. Da das BAG eine mögliche Gläubigerbenachteiligung bei Überschreitung des in § 1 a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG Betrags offengelassen hat, sollten Arbeitgeber Entgeltumwandlungsvereinbarungen auf diese Höhe beschränken.

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