27.09.2021Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 57

BGH: AGB müssen zur Muster-Widerrufsbelehrung passen

Ein Unternehmer kann sich nicht auf die gesetzliche Schutzwirkung der Muster-Widerrufsbelehrung (nach Anlage 1 EGBGB) berufen, wenn er außerhalb der Widerrufsbelehrung eine weitere, nicht zulässige AGB-Klausel verwendet und der Verbraucher durch diese irregeführt oder an der rechtzeitigen Ausübung des Widerspruchsrechts gehindert wird. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem jüngsten Urteil zum Widerrufsrecht (BGH, Urteil v. 20.05.2021, Az.: III ZR 126/19):

DER FALL

Die Klägerin, Nutzerin einer Online-Partnervermittlung, schloss zum Preis von 269,40 Euro eine zwölfmonatige Premium-Mitgliedschaft ab. Sie wurde ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt und forderte, nachdem sie über eine Wertersatzpflicht im Falle des Widerrufs unterrichtet worden war, die Beklagte dazu auf, sofort mit der Ausführung der Leistungen zu beginnen.

Die Beklagte unterrichtete die Nutzerin über die Muster-Widerrufsbelehrung unter Nummer 11.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sie verwendete außerhalb des Musterformulars in ihren AGB eine für sich selbst günstige Klausel zur Berechnung des Wertersatzes im Rahmen des Widerrufs.
Vier Tage nach dem Abschluss der Mitgliedschaft widerrief die Klägerin den Vertrag. Die Beklagte bestätigte den Widerruf und verlangte 202,05 Euro für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen.

DAS URTEIL

Das Landgericht Hamburg sprach der Beklagten den verlangten Wertersatzanspruch zu (LG Hamburg, Urteil v. 30.08.2019, Az.: 320 S 49/18). Nach seiner Ansicht führte die Gesamtbetrachtung der Widerrufsbelehrung zusammen mit anderen Klauseln zu einem unkalkulierbaren Risiko der Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung des Unternehmers.

Der BGH entschied hingegen, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Wertersatz für die bis zum Kauf erbrachten Leistungen hat. Grund dafür sei, dass die Klausel über den Wertersatz stark zum Nachteil des Verbrauchers von der Muster-Widerrufsbelehrung abweiche und den Verbraucher zudem in die Irre führe. Die unzulässige Klausel und die Widerrufsbelehrung seien als Einheit zu betrachten. Unzulässige AGB-Klauseln führten zu einer falschen Widerrufsbelehrung, da bei der Verwendung der gesetzlichen Muster-Widerrufsbelehrung die sogenannte „Privilegierung“ gilt. Das vorgesehene Muster per Gesetz wird also als ausreichend angesehen, um die Informationspflicht zum Widerrufsrecht zu erfüllen, und dem Verbraucher können durch Fehler keine rechtlichen Nachteile entstehen, die das gesetzliche Muster eventuell enthält. Es sei insgesamt nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht aufgeklärt worden.

Die Klausel über die Berechnung des Wertersatzes führe zu dem fast Zwanzigfachen des gesetzlich höchstens geschuldeten Betrags (Wertersatzanspruch nach gesetzlicher Regelung: 10,33€). Der Wertersatz bei Dienstleistungen ist grundsätzlich zeitbezogen zu berechnen. Nach dem Gesetz darf nicht zum Nachteil des Verbrauchers von den Regelungen des Widerrufsrechts abgewichen werden (§ 361 Abs. 2 BGB). Die von der Partnervermittlung verwendete Klausel ist also unzulässig.

Nach Ansicht des BGH rechtfertigte die Befürchtung des Berufungsgerichts, dass für die Beklagte durch die Einbeziehung aller möglichen die Rechtsfolgen des Widerrufs betreffenden Regelungen in die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung ein unkalkulierbares Risiko entstünde nicht die Annahme einer ordnungsgemäßen Belehrung des Verbrauchers, obwohl diesem fälschlicherweise Folgen eines Widerrufs vor Augen geführt werden, die diesen als wirtschaftlich nahezu sinnlos erscheinen lassen.

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