Heuking-Vergaberechtsexpertin Dr. Ute Jasper rät: Unternehmen sollten „Buy green, buy social“ als Chance im europäischen Wettbewerb begreifen.
Tariftreue, Mindestlohn, Frauenförderung, Verbot von Kinderarbeit und Umweltschutz – wenn das neue Tariftreuegesetz NRW (TVgG) am 1. Mai in Kraft tritt, dürfen öffentliche Auftraggeber Bau- und Diensleistungsaufträge ab 20.000 Euro nur noch an Unternehmen vergeben, welche die neuen sozialen und ökologischen Vergabekriterien einhalten.
Damit zwingt der Gesetzgeber Unternehmen ihre Standards zu ändern mittels der Einkaufsmacht der öffentlichen Hand. Der Preis ist nicht mehr allein maßgeblich für den Erfolg. Dr. Ute Jasper, Vergaberechtsexpertin und Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, sieht große Chancen für Unternehmen, sich durch Nachhaltigkeit gegenüber Wettbewerbern abzugrenzen. „Unternehmen sind gut beraten, das neue Paradigma der öffentlichen Hand „Buy green, buy social“ als Chance im Wettbewerb zu begreifen. Nicht nur in Nordrhein-Westfalen, auch europaweit führt langfristig kein Weg an nachhaltiger Beschaffung vorbei“, so Jasper.
EU-weiter Trend zu Nachhaltigkeitskriterien in der Auftragsvergabe
Erst kürzlich warnte das Auswärtige Amt vor Nachteilen in einigen EU-Mitgliedstaaten für deutsche Unternehmen, wenn diese nicht genügend Frauen in Führungspositionen hätten. Die europäischen Rahmenrichtlinien erlauben schon lange, ökologische und soziale Standards bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen. Nordrhein-Westfalen ist eines der ersten Bundesländer, welches Nachhaltigkeitsstandards gesetzlich verankert. Fachleute erwarten, dass das neue EU-Vergabegesetz, das voraussichtlich 2013/2014 kommt, auch „Buy green and buy social“-Pflichten enthalten wird.
Neues Vergaberecht hilft, politische Ziele zu erreichen
„Über das Vergaberecht kann die öffentliche Hand ihre Nachfragemacht ausspielen und damit auf politische Herausforderungen wie Wirtschaftskrise und Klimawandel reagieren“, erläutert Jasper die Intention des Gesetzes. Die Nachfragemacht der öffentlichen Hand ist groß, allein in NRW liegt das Auftragsvolumen nach Schätzungen des NRW-Arbeitsministeriums bei rund 75 Milliarden Euro pro Jahr. Bundesweit macht die Beschaffung der öffentlichen Hand ca. 15 Prozent des Bruttosozialprodukts aus.
Die neuen Kriterien des Tariftreuegesetzes im Einzelnen
Zuschlag für das Angebot mit der besten Wertung
Der öffentliche Auftraggeber muss die Angebote prüfen und werten. Das Angebot erhält den Zuschlag, welches die geforderten Kriterien am besten erfüllt: im Hinblick auf Umweltschutz und Energieeffizienz sowie auf soziale, innovative oder gleichstellungs- und integrationspolitische und ausbildungspolitische Aspekte.
Pflichten-Check für Auftraggeber und Auftragnehmer
Aus den neuen Kriterien ergeben sich neue Pflichten für Auftraggeber und Bieter.
Einhaltung der Kriterien auch bei Subunternehmern, Zeitarbeitern und Minijobbern
Bieter müssen klären, ob sie dem Auftraggeber auch bei Nach- und Subunternehmen oder Zeitabeitsfirmen Prüfrechte einräumen müssen. In der Regel müssen die Kriterien auch bei Subunternehmen, Zeitarbeitern und Minijobbern erfüllt sein.
Neue Behörde kontrolliert und verhängt Sanktionen.
Bieter müssen mit Kontrollen und Sanktionen des Auftraggebers und der neuen Prüfbehörde rechnen.
Praktische Umsetzung und Ausblick auf andere Bundesländer.
Die Details des NRW-Tariftreue-Gesetzes und die Frage, für wen das Gesetz gilt und in welcher Form die Nachweise erbracht werden müssen, werden in einer Verordnung geregelt. Bis eine Verordnung nach den Landtagswahlen verabschiedet werden kann gelten Übergangsregelungen.