28.11.2022Fachbeitrag

Update Compliance 26/2022

Europäisches Parlament verabschiedet Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Am 10. November 2022 hat das Europäische Parlament die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verabschiedet, die eine weitreichende Änderung der bisherigen Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (sog. CSR-Richtlinie) bedeutet.

Mit der CSRD wird die bisher vorgeschriebene Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen sowohl inhaltlich erweitert und standardisiert sowie einen erweiterten Kreis von Unternehmen treffen. Nach Schätzung der EU-Kommission werden künftig rund 50.000 Unternehmen Nachhaltigkeitsinformationen bereitstellen müssen, während dieser Pflicht aktuell nur etwa 11.700 Unternehmen unterliegen.

Mit der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen (RL 2014/95/EU), der sog. CSR-Richtlinie, wurde die Pflicht zur Aufnahme einer nichtfinanziellen Erklärung im Lagebericht eingeführt, die auch solche Angaben erfasst, die sich auf Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen.

Die EU-Kommission hatte im April 2021 erstmals einen Vorschlag zur Überarbeitung der CSR-Richtlinie vorgelegt, der im Februar dieses Jahres durch den Europäischen Rat modifiziert worden war (wir berichteten). Im Juni 2022 hatten Rat und Parlament eine politische Einigung erzielt, die Grundlage für die nun verabschiedete Fassung der CSRD ist. Durch die beschlossenen Änderungen der CSR-Richtlinie werden die Berichtspflichten umfassend erweitert. Die wichtigsten Änderungen betreffen die folgenden Aspekte:

Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Berichtspflichten auf weitere Unternehmen

Aktuell müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeitern eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben. Zukünftig sind alle großen Unternehmen sowie alle kapitalmarktorientierten Unternehmen (d. h. auch kleine und mittelgroße Unternehmen, ausgenommen Kleinstunternehmen) verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitsinformationen offenzulegen.

Erstmals fallen künftig auch Unternehmen aus Drittstaaten in den Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten, sofern sie in einem Mitgliedstaat ein Tochterunternehmen unterhalten, das die für inländische Unternehmen geltenden Größenvoraussetzungen erfüllt. Gleiches gilt für Zweigniederlassungen mit jährlichem Nettoumsatz von mind. EUR 40 Mio. Voraussetzung ist allerdings stets, dass das Drittlandunternehmen (zumindest auf Gruppenebene) in den beiden letzten Geschäftsjahren in der Union Nettoumsatzerlöse von jeweils mehr als EUR 150 Mio. erzielt hat. Berichtspflichtig bleibt in solchen Fällen zwar das jeweilige Tochterunternehmen bzw. die Zweigniederlassung. Die Informationen haben sich dann allerdings auf die Gruppenebene des obersten Drittland-Mutterunternehmens bzw. auf die Einzelebene des Drittlandunternehmens zu beziehen.

Erweiterter Berichtsumfang

Auch der inhaltliche Umfang der Berichterstattung wird erweitert. Zukünftig sind alle Informationen zu erfassen, die für das Verständnis der Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf Nachhaltigkeitsaspekte (Inside-Out-Perspektive) sowie das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage des Unternehmens (Outside-In-Perspektive) erforderlich sind. Nach der Neufassung der CSRD werden insbesondere Informationen zu folgenden Aspekten gefordert:

  • Geschäftsmodell und Strategie des Unternehmens (z. B. Angaben zur Widerstandsfähigkeit gegenüber Risiken im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten; zu negativen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit und der Wertschöpfungskette sowie der Maßnahmen zur Ermittlung und Überwachung dieser Auswirkungen; zu Art und Weise, wie die unternehmerische Tätigkeit mit dem Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C in Einklang gebracht werden soll),
  • zeitgebundene (bereits umgesetzte) Nachhaltigkeitsziele und Fortschritte noch nicht umgesetzter Nachhaltigkeitsziele samt Erklärung zu schlüssigen wissenschaftlichen Beweisen bzgl. der Zielsetzung,
  • Rolle, Fachwissen und Fähigkeiten der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten sowie Angaben über das Vorhandensein von mit Nachhaltigkeitsaspekten verknüpften Anreizsystemen,
  • Unternehmenspolitik hinsichtlich Nachhaltigkeit,
  • weitere Beschreibungen in Zusammenhang mit Liefer- bzw. Wertschöpfungsketten (so zuvorderst in Hinblick auf die Angaben nach der Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen, wir berichteten),
  • wichtigste Risiken des Unternehmens im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten (samt Abhängigkeiten und Handhabung).

Gleichzeitig bestehen Möglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen, von einem eingeschränkten Berichtsumfang Gebrauch zu machen.

Verbindliche unionsweite Standards
für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die konkrete Ausformung der einzelnen Berichtspflichten nach der CSRD wird über verbindliche gemeinsame Standards für die Berichterstattung reglementiert – die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Die in der Richtlinie lediglich abstrakt umrissenen Angabepflichten werden hierdurch konkretisiert. Zugleich sollen die ESRS die (auch grenzüberschreitende) Vergleichbarkeit, Vollständigkeit und Qualität der Berichterstattung fördern. Damit entfällt auch die nach bisheriger Gesetzeslage bestehende Wahlfreiheit, ob und welches Rahmenwerk zur Berichterstattung herangezogen wird (so etwa die Wahl der bisher weit verbreiteten Standards der Global Reporting Initiative).

Inhaltlich sollen die Standards zu den drei Themenbereichen (1) Umweltfaktoren, (2) Sozial- und Menschenrechtsfaktoren sowie (3) Governance-Faktoren (jeweils mit weiterer Untergliederung) Vorgaben liefern. Die für die Erarbeitung der Standards zuständige European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat am 23. November 2022 den ersten Teil der Entwürfe bestehend aus insgesamt 12 Standards mit Vorgaben zur Berichterstattung zuzüglich diverser Anhänge an die EU-Kommission übermittelt: 

Allgemein zur Berichterstattung

  • „General requirements“ (ESRS 1),
  • „General disclosures“ (ESRS 2),

Umweltfaktoren

  • „Climate change“ (ESRS E1),
  • „Pollution“ (ESRS E2),
  • „Water and marine resources“ (ESRS E3),
  • „Biodiversity and ecosystems“ (ESRS E4),
  • „Resource use and circular economy“ (ESRS E5),

Sozial- und Menschenrechtsfaktoren

  • „Own workforce“ (ESRS S1),
  • „Workers in the value chain“ (ESRS S2),
  • „Affected communities“ (ESRS S3),
  • „Consumers and end users“ (ESRS S4),

Governance-Faktoren

  • „Business Conduct“ (ESRS G1).

Die ESRS sollen dann (gestaffelt nach Angabepflichten) bis spätestens 30. Juni 2023 bzw. 30. Juni 2024 von der EU-Kommission als delegierte Rechtsakte übernommen werden.

Für kleine und mittlere Unternehmen sowie Drittstaatsunternehmen sollen nach den Regelungen der CSRD zusätzliche Standards erarbeitet und bis zum 30. Juni 2024 gleichermaßen als delegierte Rechtsakte festgelegt werden.

Format und Prüfungspflicht

Künftig sind die Nachhaltigkeitsinformationen zwingend im Lagebericht und innerhalb dessen in einem klar ausgewiesenen Abschnitt darzustellen sowie verpflichtend von einem Abschlussprüfer (oder einer vergleichbar qualifizierten Person) zu prüfen (wir berichteten).

Inkrafttreten und Umsetzungsfristen

Die vom Europäischen Parlament angenommene CSRD muss noch den Rat der Europäischen Union passieren; voraussichtlich wird dies am 28. November 2022 erfolgen. Die Mitgliedstaaten müssen die CSRD innerhalb von 18 Monaten nach ihrem Inkrafttreten umgesetzt haben. Nach der veröffentlichten Mitteilung des EU-Parlaments soll die Richtlinie bis zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft getreten sein.

Die erstmalige Anwendung der entsprechenden Neuregelungen erfolgt dann nach Unternehmen gestaffelt wie folgt:

  • ab 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der CSR-Richtlinie unterliegen (d. h. Berichterstattung im Jahr 2025 über die Daten von 2024);
  • ab 1. Januar 2025 für große Unternehmen, die derzeit nicht der CSR-Richtlinie unterfallen (d. h. Berichterstattung in 2026);
  • ab 1. Januar 2026 für börsennotierte KMU sowie kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen (d. h. Berichterstattung in 2027).

Für kleine und mittlere Unternehmen sieht die CSRD jedoch grundsätzlich die Möglichkeit vor, für vor dem 1. Januar 2028 beginnende Geschäftsjahre auf die Aufnahme der neuen Informationen in ihren Lagebericht zu verzichten.

Praxishinweise

Das Europäische Parlament hat den zuletzt erarbeiteten Kompromisstext erwartungsgemäß angenommen und damit einen weiteren Baustein zu der intensiven gesetzgeberischen Tätigkeit der EU im Bereich der unternehmerischen Nachhaltigkeit hinzugefügt. Angesichts der in Kürze erwarteten Zustimmung durch den Rat der Europäischen Union und der straffen Umsetzungsfristen besteht schon jetzt akuter Handlungsbedarf für Unternehmen, um die erforderlichen Strukturen für die sukzessive ab 2024 geltenden neuen Berichtspflichten zu schaffen bzw. anzupassen.

Neben der kodifizierten Erstreckung des Anwendungsbereichs auf zahlreiche bisher insoweit nicht berichtspflichtige Unternehmen ist zu erwarten, dass die neuen Berichterstattungspflichten indirekt auch auf von Gesetzes wegen (noch) nicht berichtspflichtige Unternehmen Ausstrahlungswirkung entfalten, sofern sie in die Lieferketten berichtspflichtiger Unternehmen eingebunden sind. Auch solche Unternehmen sind daher gut beraten, ggf. erforderliche Maßnahmen zu eruieren und entsprechende Vorbereitungen zu treffen.

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