03.03.2022Fachbeitrag

Update Compliance 4/22

Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz - EU schlägt deutlich strengere Regelungen vor

Die Europäische Kommission hat am 23. Februar 2022 ihren Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen vorgelegt. Der Vorschlag soll ein nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten fördern. Unternehmen würden künftig verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Menschenrechte, wie Kinderarbeit und Ausbeutung von Arbeitnehmern, sowie auf die Umwelt zu ermitteln, zu verhindern und abzustellen. 

Der Entwurf geht in vielen Teilen deutlich über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) hinaus.

Anwendungsbereich

Während das LkSG für Unternehmen mit Hauptverwaltung, Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland und einer Arbeitnehmerzahl von regelmäßig mehr als 3000 (ab 2023) bzw. 1000 (ab 2024) gelten wird, erfasst der Richtlinienentwurf sowohl EU-Unternehmen als auch Unternehmen aus Drittstaaten. Im Vergleich zum LkSG senkt der Richtlinienentwurf einerseits die maßgebliche Arbeitnehmeranzahl ab, stellt zugleich aber Kriterien wie den Nettoumsatz und die Tätigkeit in einem Branchensektor als Anwendungsvoraussetzungen auf. Die Voraussetzungen für EU-Unternehmen und für solche aus Drittstaaten werden jeweils noch einmal in zwei Gruppen gegliedert. In besonders „risikoreichen“ Branchen, wie z.B. der Textilindustrie, der Land- und Forstwirtschaft und der Gewinnung mineralischer Rohstoffe, liegen die Schwellenwerte bei einem Umsatz von mehr als EUR 40 Mio. und 250 Mitarbeitern:

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Menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten der Unternehmen

Die Mitgliedsstaaten sollen durch nationale Regelungen sicherstellen, dass die Unternehmen ihrer menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflicht nachkommen. Hierfür stellt der Richtlinienentwurf einen Katalog an Maßnahmen auf. Die Unternehmen sollen verpflichtet werden, tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen ihrer unternehmerischen Tätigkeit und in ihren Wertschöpfungsketten auf die Menschenrechte und die Umwelt zu ermitteln, zu verhindern und abzustellen.

Die unternehmerische Sorgfaltspflicht soll die folgenden sechs Schritte umfassen:

  1. Einrichtung eines Risikomanagementsystems und Verankerung der Sorgfaltspflichten in die Unternehmensrichtlinien;
  2. Risikoanalyse, d.h. die Ermittlung tatsächlicher oder potenziell nachteiliger Auswirkungen des Unternehmens auf die Menschenrechte und die Umwelt;
  3. Vermeidung und Abschwächung potenzieller negativer Auswirkungen und gegebenenfalls Beendigung dieser;
  4. Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens;
  5. Überwachung der Wirksamkeit der Sorgfaltspolitik und Maßnahmen;
  6. Berichtspflichten

Ähnlich wie das deutsche LkSG verpflichtet der Richtlinienentwurf die Unternehmen nicht dazu, zu garantieren, dass nachteilige Auswirkungen niemals auftreten oder unverzüglich beendet werden. Die Unternehmen werden vielmehr dazu verpflichtet, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, von denen vernünftigerweise erwartet werden könne, dass sie nachteilige Auswirkungen vermeiden oder minimieren. Die Besonderheiten der Branche oder des geografischen Gebiets, in dem die Lieferanten tätig sind, sowie die Einflussmöglichkeiten des Unternehmens auf seine direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen und die Frage, ob das Unternehmen seine Einflussmöglichkeiten vergrößern könne, sollen berücksichtigt werden.

Zentrale Begriffe: Wertschöpfungskette und Geschäftsbeziehungen

Der zentrale Begriff des Richtlinienentwurfs ist die „Wertschöpfungskette“. Während das LkSG auf sämtliche Schritte in der Lieferkette von der Rohstoffgewinnung bis zu der Lieferung an den Endkunden abstellt, meint Wertschöpfungskette alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Herstellung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen durch ein Unternehmen. Dies können auch die Entsorgung des Produkts sowie damit verbundene Tätigkeiten der vor- und nachgelagerten Geschäftsbeziehungen des Unternehmens sein.Wie nach dem deutschen LkSG soll die Wertschöpfungskette dabei nicht auf unmittelbare Vertragspartner des Unternehmens beschränkt bleiben. Der Richtlinienentwurf sieht vor, dass bei den maßgeblichen „Geschäftsbeziehungen“ auch Personen erfasst werden, die eine Geschäftstätigkeit für oder im Namen des Unternehmens im Zusammenhang mit den Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens ausüben. Zwar wird sich insbesondere aufgrund der Begrifflichkeit „Geschäftsbeziehung“ noch zeigen müssen, wer hiervon konkret erfasst sein soll, doch dürfte der Entwurf insoweit enger zu fassen sein als der Begriff des mittelbaren Zulieferers im Sinne des LkSG. 

Bekämpfung des Klimawandels

Mit ihrem Richtlinienvorschlag nimmt die EU-Kommission anders als der deutsche Gesetzgeber auch die Bekämpfung des Klimawandels in den Fokus. Die Mitgliedstaaten müssen fortan dafür sorgen, dass bestimmte Unternehmen einen Plan annehmen, der gewährleistet, dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C im Einklang mit dem Pariser Abkommen vereinbar sind. Auf der Grundlage verfügbarer Informationen muss ermittelt werden, inwieweit der Klimawandel ein Risiko für die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens darstellt oder sich auf diese auswirkt. Falls Risiken erkannt werden sind Emissionsminderungsziele in den Plan aufzunehmen. Um die Vorgaben zum Klimawandel auch in der Geschäftsstrategie zu verankern, sollen die Mitgliedstaaten gleichzeitig sicherstellen, dass die Unternehmen die Erfüllung der neuen Klimapflichten auch bei der Festlegung der variablen Vergütung des Managements gebührend berücksichtigen. 

Sanktionen

Werden Sanktionen aufgrund von Verstößen gegen die (vorgeschlagene) Richtlinie verhängt, sollen diese wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sein, Geldsanktionen sollen sich nach dem Umsatz des Unternehmens richten. Zudem müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass sämtliche Entscheidungen der Aufsichtsbehörden, die Sanktionen für Verstöße gegen die Bestimmungen der Richtlinie enthalten, veröffentlicht werden.

Bei der Entscheidung über die Verhängung von Sanktionen („Ob“) und gegebenenfalls bei der Festlegung der Art und der angemessenen Höhe („Wie“) der Sanktionen sollen ausdrücklich die Bemühungen des Unternehmens, den von einer Aufsichtsbehörde geforderten Abhilfemaßnahmen nachzukommen, angemessen berücksichtigt werden. Entsprechendes gilt für etwaig getätigte Investitionen und die gegebenenfalls geleistete Unterstützung und Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zur Bewältigung der nachteiligen Auswirkungen in den Wertschöpfungsketten des Unternehmens.

Zivilrechtliche Haftung

Anders als der deutsche Gesetzgeber, der sich nach heftiger politischer Diskussion am Ende gegen eine eigenständige zivilrechtliche Durchgriffshaftung entschieden hat, sollen die Mitgliedstaaten nach dem Richtlinienentwurf verpflichtet werden, Vorschriften für umfassende zivilrechtliche Schadenersatzhaftung zu erlassen. Zu ersetzen wären Schäden, die sich aus der Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Präventiv- und Abhilfemaßnahme ergeben, die zum Zwecke der Verhinderung, Milderung oder Beendigung eines erkannten Risikos oder einer bereits eingetretenen Verletzung zu ergreifen waren. Ausnahmen von der Haftung wären in engen Grenzen bei dem schadensstiftenden Handeln eines mittelbaren Zulieferers denkbar, sofern das verpflichtete Unternehmen gleichzeig seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist.

Ausblick & Praxishinweis

Der Vorschlag wird nun dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Billigung vorgelegt. Nach seiner Annahme haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen und der Kommission ihre Umsetzungsvorschriften zu übermitteln. In Deutschland wird die Richtlinie, sollte sie in der aktuellen Fassung in Kraft treten, zu einer deutlichen Verschärfung der Regelungen des im letzten Jahr verabschiedeten Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes führen.Unternehmen, die heute mit der Umsetzung der Vorgaben aus dem LkSG befasst sind, sollten deshalb auch die europäischen Entwicklungen im Blick behalten und diese frühzeitig in ihr Risikomanagementsystem integrieren.

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