31.08.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht August 2022

Raucherpausen nicht ausgestempelt – droht zukünftig die (außerordentliche) Kündigung?

LAG Thüringen, Urt. v. 3.5.2022 – 1 Sa 18/21

Mit dieser Thematik befasste sich jüngst das LAG Thüringen und entschied: Die gegenüber einer Arbeitnehmerin ausgesprochene ordentliche Kündigung aufgrund des vorsätzlichen Nichtausstempelns während Raucherpausen ist wirksam – einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Die beharrliche nicht ordnungsgemäße Erfassung der Pausenzeiten stellt laut Landesarbeitsgericht einen Arbeitszeitbetrug und damit eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar. Auch eine langjährige Betriebszugehörigkeit steht einer wirksamen Kündigung in einem solchen Fall nicht entgegen. 

Sachverhalt

Was war geschehen: Die Klägerin war seit 30 Jahren als Arbeitsvermittlerin in einem Jobcenter tätig. Für sämtliche Mitarbeiter führte die Arbeitgeberin Arbeitszeitkonten. Laut bestehender Dienstvereinbarung waren Arbeits- und Pausenzeiten bei jedem Betreten und Verlassen des Gebäudes zu erfassen. Als Pausenzeiten galten insbesondere auch Raucherpausen. Die Klägerin verbuchte an drei verschiedenen Tagen keine einzige Pause. Tatsächlich verließ und betrat sie das Gebäude jeweils mehrfach, teilweise bis zu sieben Mal täglich. Dies blieb ihrer Vorgesetzten nicht unbemerkt. Mit den Vorwürfen konfrontiert, räumte die Klägerin ein, dass sie als Raucherin Zigarettenpausen benötige, entschuldigte sich für ihre Nachlässigkeit im Umgang mit den Raucherpausen und gelobte Besserung. Die Arbeitgeberin erklärte der Klägerin sodann die außerordentliche fristlose Kündigung.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht hielt die außerordentliche fristlose Kündigung aufgrund der gezeigten Einsicht der Klägerin zwar für unwirksam. Die Einhaltung der Kündigungsfrist sei zumutbar gewesen. Die ordentliche Kündigung erachtete das Arbeitsgericht indes als wirksam. 

Im Berufungsverfahren begehrte die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die ordentliche Kündigung nicht wirksam beendet wurde. Erfolglos. 

Das LAG bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung. Beharrliche Verstöße gegen Dokumentationspflichten und der daraus folgende Arbeitszeitbetrug rechtfertigen die verhaltensbedingte Kündigung. Durch die von der Arbeitnehmerin unterlassene Buchung sind für die besagten drei Tage täglich bis zu sieben Raucherpausen als bezahlte Arbeitszeit erfasst worden. Täuscht ein Mitarbeiter vor, für einen bestimmten Zeitraum seine Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies nicht der Fall war, stellt dies sogar eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung im Sinne von § 626 BGB dar. Dabei komme es nicht nur primär auf die strafrechtliche Würdigung, sondern vor allem auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen Vertrauensbruch an. Denn der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer mit der korrekten Dokumentation der Arbeits- und Pausenzeiten vertrauen können. Das Landesarbeitsgericht ließ keinen Zweifel daran, dass es die Kenntnis der Klägerin von der Pflicht zur Buchung der Raucherpausen als erwiesen ansah. Die Klägerin handelte folglich vorsätzlich. Pflichtverletzungen, die aufgrund ihrer Schwere an sich geeignet sind, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu begründen, sind erst recht geeignet, ordentliche Kündigungen als verhaltensbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen. Aus diesem Grunde bedurfte es – sogar trotz der erfolgten Entschuldigung und gelobten Besserung für die Zukunft – auch keiner vorherigen Abmahnung. Die Arbeitnehmerin durfte schlechterdings nicht davon ausgehen, der Arbeitgeber werde ein solches Fehlverhalten hinnehmen. Auf eine negative Zukunftsprognose kommt es in einem solchen Fall nicht an. Letztlich vermochte die 30-jährige Betriebszugehörigkeit der Klägerin das Gericht ebenfalls nicht umzustimmen. Zwar fand diese im Rahmen der Interessensabwägung Berücksichtigung, dennoch kann auch nach langjähriger Beschäftigungsdauer einem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, durch ein vorsätzliches Nichterfassen von Arbeitszeiten durch den Arbeitnehmer betrogen zu werden. 

Praxistipp

Festzuhalten bleibt daher: Besteht eine Verpflichtung zur Erfassung von Pausenzeiten und beinhaltet diese auch Raucherpausen, stellt die wissentliche Missachtung – trotz der zeitlichen Kürze von Raucherpausen – keinesfalls nur eine Lappalie dar. Dem Arbeitnehmer muss die Verpflichtung bekannt sein, da die bloße Existenz einer internen Vorgabe zur Begründung einer vorsätzlichen Missachtung nicht genügt. Das Gericht nahm eine beharrliche Verletzung der Dokumentationspflicht zudem bereits bei Verstößen an (nur) drei Tagen nach einer 30-jährigen Beschäftigungsdauer an. Das Landesarbeitsgericht machte damit erneut deutlich, dass die Arbeitsgerichte nicht gewillt sind, Verhalten mit strafrechtlicher Relevanz gegenüber Arbeitgebern zu tolerieren. 
 

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